London im 19. Jahrhundert: Es ist dunkel und nebelig. Eine geschwungene Laterne wirft ihr Licht auf ein Paar, das auf der Straße plaudert.
So oder so ähnlich könnte eine Szenerie in Charles Dickens' Geschichten aussehen, doch wir befinden uns in der Scheidtweiler Straße in Köln-Braunsfeld. Hier im Atelier haben am Dienstag
"Ich habe noch nie so ein tolles Kostüm angehabt", sagt Cantz und blickt auf sich herunter: Er trägt einen paillettenbestickten Frack, einen Kutschermantel, weiße Handschuhe, einen Biedermeier-Zylinder und stützt sich auf einen Gehstock ab. "Ich fühle mich an die Weihnachtsgeschichte von Dickens und an die Figur Scrooge erinnert", so Cantz, der das "London-Feeling ganz spannend" findet.
Kostüme von Maria Lucas: Guido Cantz und Ehefrau Kerstin wollen es an Karneval tragen
Ehefrau Kerstin trägt ein enges Korsett, ein mit Rüschen verziertes Kleid, das ganz epochenüblich den sogenannten "Cul de Paris" aufweist, was übersetzt "Hintern von Paris" heißt, weil der Rock in einer S-Linie nach hinten raus betont ist. Die Schultern frei, die Hüfte kurvig: das Kostüm soll sexy wirken. Da muss man eben mal auf ein bequemes Tragegefühl verzichten. "Also nach einer Zeit geht es", sagt Kerstin Cantz. "Wenn man vorher nicht isst, hilft das."
Das Ehepaar will das Kostüm nach eigener Aussage unbedingt während der Session mal gemeinsam tragen – da einen Termin zu finden sei keine leichte Aufgabe. Cantz ist als Redner viel unterwegs und auf den Bühnen trägt er seine Arbeitskleidung: einen roten Anzug. "Mittwoch vor Weiberfastnacht ist aber mein letzter Auftritt, dann will ich selber Karneval feiern, und es wird Gelegenheit geben, das Kostüm zu tragen."
Die Kunden, die sich von Designerin Maria Lucas und ihrem Geschäftspartner André Lucas, für die Session einkleiden lassen, tragen das Kostüm oftmals die ganze Session, sie verkörpern Charaktere. Man legt für ein gesamtes Kostüm je nach Fülle der Accessoires zwischen 400 und 600 Euro hin. "Unsere neue Kollektion enthält 200 Kostüme, parallel machen wir noch Einzelanfertigungen, man kann die einzelnen Teile auch individualisieren, sodass man sagen kann, dass jedes Kostüm ein Unikat ist", sagt André Lucas.
Kostüme von Maria Lucas: Diesmal kein "Rut un Wiess"
Den Entwürfen geht stets eine Zeitreise voraus, bei der Maria Lucas über die Epochen recherchiert. "Im 19. Jahrhundert gehörte den Engländern doch fast die ganze Welt. London war die Metropole schlechthin, ein Schmelztiegel der Kulturen mit krassen Gegensätzen zwischen Arm und Reich sowie einer faszinierenden Mode", so Lucas.
Sie interessiere sich jedoch auch für die "Schattenseiten der adligen Oberschicht – morbide und düster. Denn auf die Adligen mit ihren Ehefrauen oder Kurtisanen lauerten im dunklen Nebel allerlei Gefahren." Entsprechend fällt die Wahl auf satte und dunklere Farben. Schwarz wird mal mit Silber, mal mit Grüntonen oder mit einem Bordeaux-Rot kombiniert. "Rut un Wiess gibt es diesmal nicht", sagt Maria Lucas und lacht. © Kölner Stadt-Anzeiger
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