Aufgrund des demografischen Wandels stellt sich die Frage, wie das Rentensystem generationengerecht austariert werden kann.
Wenn man sich mit jungen Leuten unterhält, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, finden diese die Situation oft ungerecht. 1960 wurde ein Rentner von sechs Arbeitnehmern versorgt. Heute sagen Statistiker, dass wir 2035 nur noch 1,5 oder weniger Arbeitnehmer pro Rentner haben werden. Das heißt, der einzelne Arbeitnehmer oder der Staat müssen immer mehr leisten, um die Rentenzahlungen zu finanzieren. Das ist eine mathematische Logik, die schwer zu ignorieren ist.
Helfen sollte das Konzept der Stiftung Generationenkapital. Was ist das?
Die Idee ist, dass der Staat jährlich 12 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnimmt. Dieses Geld wird einem Fonds anvertraut, der bereits Erfahrungen in der Verwaltung von Geldern hat – zum Beispiel der Fonds für die kerntechnische Entsorgung. Die Erträge aus diesem Fonds sollen reinvestiert, werden, um ab Mitte der 2030er Jahre stabilisierend in die Rentenkasse einzuzahlen. Die Rechnung des Bundesfinanzministeriums geht davon aus, dass der Bund für die aufgenommenen Mittel etwa 2,25 Prozent Zinsen zahlen muss. Gleichzeitig rechnet man mit einer Rendite von 6 Prozent am Kapitalmarkt. Das ergibt eine Zinsdifferenz von 3,75 Prozent, die als Gewinn zurückgelegt werden soll. Im ersten Jahr wären das etwa 375 Millionen Euro, im zweiten Jahr mehr, weil der Ertrag wieder investiert wird.
"Gigantische Dimension der Rentenzahlung"
Klingt nach einem Plan. Gibt es Risiken?
Natürlich. Das Modell basiert darauf, dass diese 6 Prozent Rendite jedes Jahr erreicht werden. Wem das Geld anvertraut wird und ob diese Rendite realistisch ist, bleibt eine offene Frage. Der Fonds, dem diese Aufgabe anvertraut werden soll, hat bisher keine konstante Rendite erzielt. Außerdem ist die Dimension der Rentenzahlungen gigantisch. Wir sprechen aktuell von etwa 360 Milliarden Euro, die allein für Altersrenten ausgezahlt werden. Selbst wenn die Stiftung Generationenkapital langfristig funktioniert, wird sie nur einen Bruchteil der benötigten Mittel bereitstellen können. Eine Rentensteigerung von durchschnittlich 3 Prozent jährlich führt dazu, dass die Rentenausgaben in 15 Jahren um 60 Prozent höher sein könnten.
Welche Alternativen gibt es, um die Rentenproblematik langfristig zu lösen?
Eine Möglichkeit ist, die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu erhöhen. Eine weitere Stellschraube ist die Beitragsbemessungsgrenze. Würde man diese erhöhen, könnten höhere Einkommen stärker in die Rentenkasse einzahlen. Doch das birgt ebenfalls Herausforderungen, denn mit höheren Beiträgen entstehen auch höhere Ansprüche. Einige Länder wie die Schweiz setzen auf solidarische Modelle, bei denen hohe Einkommen auf Ansprüche verzichten. Das könnte eine gesellschaftliche Debatte auslösen.
Wie sieht es mit der Altersvorsorge für Selbstständige aus?
Das ist ein wichtiger Punkt, der bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Selbstständige zahlen oft nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein und haben dadurch ein erhöhtes Risiko für Altersarmut. Es gibt Überlegungen, eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige einzuführen. Die Idee ist, dass auch Selbstständige eine verpflichtende Altersvorsorge haben, sei es durch Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung oder durch private Vorsorgemodelle. Das würde die finanzielle Sicherheit dieser Gruppe erhöhen und gleichzeitig das Rentensystem stabilisieren.
"Private Altersvorsorge gewinnt zunehmend an Bedeutung "
Wie wichtig ist die betriebliche und private Altersvorsorge in diesem Kontext?
Die betriebliche und private Altersvorsorge gewinnen zunehmend an Bedeutung. Studien zeigen, dass der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersvorsorge mit der Größe eines Unternehmens steigt. Große Unternehmen und tarifgebundene Betriebe bieten ihren Mitarbeitern häufiger betriebliche Altersvorsorge an. Bei der privaten Altersvorsorge ist das Einkommen ein entscheidender Faktor. Menschen mit geringem Einkommen haben oft nicht die finanziellen Mittel, um privat vorzusorgen. Hier wäre eine gezielte Förderung notwendig, um diese Lücke zu schließen.
Wie könnte man das Rentensystem zukunftsfähig gestalten?
Der zentrale Pfeiler ist und bleibt die gesetzliche Rentenversicherung. Um den Lebensstandard im Alter zu halten, ist eine zusätzliche Altersvorsorge unabdingbar. Die Union plädiert in Ihrem Regierungsprogramm dafür, jedem Kind bereits ein staatlich finanziertes Altersvorsorgekonto einzurichten. Zukünftig würde somit jeder Berufsanfänger die Voraussetzung für eine Zusatzvorsorge bereits haben. Die Bezieher geringer Einkommen – grade in kleinen Unternehmen – müssen mit staatlicher Unterstützung gezielt in den Genuss einer Zusatzvorsorge kommen. Der Abbau von komplexen und bürokratischen Gesetzesvorgaben sowie von unnötigen Garantien und Haftungen wären erste Schritte zur Verbesserung.
Was halten Sie von der Möglichkeit, länger zu arbeiten, um die Rente zu verbessern?
Viele Menschen wollen das offenbar. Das ist eine sinnvolle Option, die bereits jetzt im System verankert ist. Wichtig aus Sicht der Menschen ist es jedoch, dass es freiwillig bleibt. Wer früher in Rente geht, erhält pro Monat einen Abschlag von 0,3 Prozent, also 3,6 Prozent pro Jahr. Umgekehrt bekommen diejenigen, die länger arbeiten, pro Monat 0,5 Prozent mehr Rente – das sind 6 Prozent pro Jahr. Es wäre wünschenswert, wenn diese Möglichkeit bekannter gemacht würde. Gleichzeitig sollte man Menschen unterstützen, die bereit sind, länger zu arbeiten, insbesondere in Berufen, die weniger körperlich belastend sind. Der geplante Steuerfreibetrag für arbeitende Rentner ist dazu ein erster wichtiger Beitrag.
"Ein Modell, das Pflicht werden könnte"
Wie sieht es mit der Förderung von Geringverdienern aus?
Für Geringverdiener könnte ein verpflichtendes Altersvorsorgemodell eingeführt werden, das ausschließlich vom Staat und vom Arbeitgeber "anfinanziert" wird. Es gibt bereits ein Instrument im Betriebsrentenstärkungsgesetz, bei dem Arbeitgeber freiwillig eine Altersvorsorge von mindestens 40 Euro pro Monat finanzieren können. Der Staat bezuschusst dies mit 30 Prozent. Dieses Modell könnte verpflichtend gemacht werden, um Geringverdiener besser abzusichern. Gleichzeitig sollten solche Modelle flexibel genug sein, damit sie an die finanzielle Lage der Arbeitnehmer angepasst werden können.
Welche Rolle spielt die private Altersvorsorge in diesem System der Rente?
Die private Altersvorsorge wird immer wichtiger, besonders angesichts der demografischen Entwicklung. Leider ist der Verbreitungsgrad der Riester-Rente rückläufig, was zeigt, dass das System reformiert werden muss. Neue, einfachere und attraktivere Vorsorgemodelle könnten hier Abhilfe schaffen.
Wie wichtig ist es, dass das Rentensystem generationengerecht bleibt?
Das ist entscheidend. Wir müssen den Generationenvertrag und den gesellschaftlichen Frieden sichern. Dazu gehört auch, dass die Politik langfristig denkt und mutige Entscheidungen trifft. Die Herausforderung besteht darin, ein System zu schaffen, das finanzierbar bleibt und gleichzeitig den Ansprüchen der Menschen gerecht wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen Angst vor Rentenkürzungen haben müssen – diese sind aufgrund der gesetzlichen Rentengarantie nicht möglich! © Kölner Stadt-Anzeiger
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