Ursprünglich stammt Yannick Rouault aus München. Beim Besuch einer Freundin aus Büsdorf sah er zum ersten Mal den Tagebau Hambach.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

"Ich stand am Rand der Grube und schaute in dieses Loch. Von da an ließ mich das nicht mehr los", erinnert sich der heute 31-Jährige.

Das Loch, wie er es nennt, zog ihn aus Süddeutschland ins Rheinland. Heute lebt der Künstler und Videograf in Köln, sein Büro befindet sich in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude in Sindorf. Das "Grubenland" des Braunkohlereviers ist für ihn Zentrum seines Lebens geworden. Und damit auch Zentrum seiner im Mai 2024 gestarteten Doku-Reihe auf Youtube.

Kerpen: Video über Autobahn
brachte den Durchbruch

Auf dem Kanal Grubenland befassen er und seine Partner Jonas Breutel sowie Jean Haffner sich mit der Zukunft und der Historie aber auch mit den Menschen des Braunkohlereviers. Die meisten Videos laufen bisher überwiegend mittelmäßig, gibt er zu. Doch mit einem Beitrag erlangte der Kanal quasi über Nacht weitreichende Bekanntheit.

"Wir haben emotionale Interviews geführt mit Menschen, die direkt von Umsiedlungen beispielsweise betroffen waren. Aber am meisten geklickt wurde unser Video über die verschwundene A4", sagt Rouault und lacht. Warum der zwölf Kilometer lange Streckenabschnitt der Autobahn dem Tagebau weichen musste und was von der alten Straße noch übrig ist, all das findet sich in dem Beitrag, den sich mehr als 170.000 Menschen angesehen haben.

Doch wie kamen Rouault, Breutel und Haffner überhaupt auf die Idee für das Videoprojekt? "Nachdem die überregionale Aufmerksamkeit für Lützerath und den Hambacher Forst abebbte, dachten wir uns: Eigentlich ist doch jetzt gerade ein besonders spannender Zeitpunkt, um den Strukturwandel zu dokumentieren. Es gibt noch so viele unbeantwortete Fragen: Was passiert mit den Löchern? Werden wirklich Seen daraus? Was ist mit den geretteten Dörfern? Was ist mit der Manheimer Kirche?", sagt Rouault: "Das ist gerade so spannend und es gibt sonst niemanden, der das auf eine überregionale Ebene hebt. Das müssen wir begleiten."

Denn im Zuge seiner Besuche der Ortschaften rund um den Tagebau, habe er schnell gemerkt: "Dieses Erschrecken und gleichzeitig diese Faszination, die ich als Außenstehender für dieses riesige Loch hatte, das war bei den Menschen vor Ort gar nicht mehr vorhanden. Für viele wurde dieses Loch alltäglich, nichts Besonderes mehr." Deshalb hätten er und seine Kollegen auch entschieden, das Ganze überregional bekannt machen zu wollen.

Was der Strukturwandel
mit den Menschen macht

Dass sie das Ganze auf Youtube publizieren wollen, haben die Freunde laut Rouault entschieden, weil sie direkt veröffentlichen wollten, statt in lange Verhandlungen mit möglichen Abnehmern der Doku-Reihe zu gehen.

Inhaltlich wollten die Macher vor allem die Betroffenen zeigen und, was der Strukturwandel mit der Region und mit den Menschen macht. Da gibt es Videos von einer Künstlerin, die mit den Backsteinen des Hauses ihrer Großeltern malt, das im Zuge des Kohleabbaus abgebrochen wurde. Oder von Bernd Servos, der sein altes Haus zurückhaben will, weil sein Dorf nun doch nicht abgerissen wird.

"Wir haben uns direkt von Anfang an gesagt, dass wir in der Berichterstattung neutral bleiben wollen. Bei uns kommen sowohl die Aktivisten aus dem Hambacher Wald zu Wort, als auch ehemalige Anwohner oder auch Menschen, die bei RWE arbeiten. Denn auch diese Menschen haben diese Landschaft geprägt. Wir möchten alle Seiten zeigen", sagt der 31-Jährige.

Oft reiche es aus, die Menschen einfach reden zu lassen, ergänzt er: "Sobald jemand merkt, dass wir offen für seine Seite der Geschichte sind, kommt oft etwas Gutes dabei raus."

Bis zum Kohleausstieg wollen die Initiatoren eigenen Angaben nach die Entwicklung am Tagebau noch mindestens begleiten. "Solange es noch etwas zu berichten gibt, wollen wir weitermachen", sagt Rouault.

Eine andere Einschränkung sei die Finanzierbarkeit. "Derzeit finanziert sich das Projekt noch nicht von selbst. Das soll aber perspektivisch auf jeden Fall so sein", sagt er. Es gehe ihnen aber nicht darum, mit dem Projekt möglichst viel Geld einzunehmen: "Wir machen das aus Liebe zur Region und hoffen, dass das auch so rüberkommt. Aber irgendwie muss es sich auch finanzieren."

Momentan erhielten sie vor allem kleine Beiträge von Zuschauern auf der Plattform "buymeacoffee", die ähnlich wie Patreon funktioniert: Man zahlt einen monatlichen Beitrag und bekommen dafür zusätzliche, exklusive Inhalte. Aber auch das Zahlen einzelner Beträge ist möglich. "Bis sich das alles selbst trägt, müssen wir aus eigenen Mitteln in Vorleistung gehen, ähnlich wie bei einem Start-Up", so der Videomacher.

Für seinen Traum hat Rouault einen deutlich lukrativeren Job stark eingeschränkt. Er arbeitete zuvor eigenen Aussagen nach beim Fernsehen, drehte hauptsächlich Dokumentationen. "Wenn das Geld knapp wird oder es gerade passt, nehme ich auch noch ab und zu Aufträge an", gibt er zu verstehen.

"Grubenland" ist nicht das einzige Projekt Rouaults, das sich mit den Auswirkungen des Kohletagebaus beschäftigt. "Ich arbeite gerade an einem Fotobuch über Manheim und an einer Doppelausstellung mit einem anderen Fotografen. Und ich biete Exkursionen in die Region an", zählt er auf.

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Schon vor dem Start von "Grubenland" war der 31-Jährige eigenen Aussagen nach regelmäßig auch während des Studiums vor Ort, um den Tagebau und die angrenzenden Dörfer zu fotografieren. Auch eine Ausstellung in Köln-Lindenthal habe es dazu gegeben, sagt Rouault.  © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.