Nirgends in Nordrhein-Westfalen leben mehr Obdachlose als in Köln, die Stadt ist mit großem Abstand NRW-Tabellenführer bei der Wohnungslosigkeit.

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Immer mehr Mietverhältnisse sind bedroht, tausende Wohnungen fallen in den kommenden Jahren aus der sozialen Mietpreisbindung. Hinzu kommt das Problem mit den teuren Unterbringungen in Hotels.

1600 Wohnungslose wurden 2023 laut Statistik in Hotels untergebracht – im Schnitt zwei Jahre leben die Menschen dort. Das verursacht Kosten von 29 Millionen Euro, mit steigender Tendenz. Die Geflüchteten, die in Hotels leben, sind da noch nicht mitgezählt. Mit einer neu gegründeten Agentur will die Stadtverwaltung jetzt diese Kosten deutlich senken und mehr Obdachlose in Wohnungen unterbringen.

Köln ist Tabellenführer bei der Wohnungslosigkeit – aber die Zahlen entspannen sich ein wenig

Maßgeblich mitgeschrieben am "Kölner Konzept zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit" hat die 59-jährige Juristin Patricia Frommer, Leiterin der Abteilung Wohnungshilfe im Amt für Soziales, Arbeit und Senioren. Frommer begründet ihren Optimismus nicht nur mit Zahlen, die sich ein klein wenig entspannen: Waren zum 31. Januar 2023 laut Landesstatistik NRW noch 11.735 Menschen in Köln wohnungslos gemeldet, so waren es ein halbes Jahr später nur noch 10.310. Die Zahl der Menschen ohne Fluchthintergrund, die in Kölner Hotels untergebracht ist, sank zumindest leicht von 1630 auf 1430 Ende 2024.

Auch die Geflüchteten, die in Hotels wohnen, werden weniger: Die Stadt Köln hatte am 31. Dezember 2024 zwar noch Verträge mit 28 Hotels mit 1724 Plätzen – die benötigten Plätze konnten aber "zwischenzeitlich erheblich reduziert werden", teilt eine Sprecherin der Stadt Köln mit. Im Februar 2023 hatten noch 2252 Geflüchtete in 41 Hotels gelebt. Pro Kopf und Nacht kostet die Unterbringung laut Stadtverwaltung im Schnitt 40 Euro und damit zehn Euro weniger als die Unterbringung für Wohnungslose ohne Fluchthintergrund.

Vor allem setzt Frommer darauf, dass das Konzept zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit tatsächlich mit Leben gefüllt werden könnte – der Tatsache, dass die Stadt Köln ihre Ziele zum Bau neuer Wohnungen regelmäßig klar verfehlt, zum Trotz. Das Konzept sieht ein vielfältiges Paket von sozialen Hilfen über Housing First und dem Ausbau humanitärer Hilfen mit einem Beschäftigungsangebot und Konfliktmanagement bis zu Einrichtungen für Wohnungslose mit Haustieren und mehr Präventionsangebote vor. Woher Frommer diesen Optimismus nimmt?

Auf die Krisen in der Welt muss eine Stadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagieren. Dafür brauchen wir ehrgeizige Ziele

Patricia Frommer

Viel verspricht sie sich von einer sozialen Wohnraumagentur, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll. Sie soll nach Frommers Vorstellung Immobilienschätze bergen, die es in der ganzen Stadt gebe: "In Köln gehört ein Großteil der Wohnungen kleineren privaten Immobilienanbieterinnen und -anbietern, die bis zu zehn Wohnungen im Portfolio haben. Diese möchten wir für diese wichtige Aufgabe gewinnen und davon überzeugen, an wohnungslose Menschen zu vermieten."

So hehr das Ziel, so altbekannt der Ansatz. Bloß: Warum sollten Eigentümer Wohnungslose plötzlich mit offenen Armen als Mieter empfangen, da sie es bislang nicht getan haben? Die Agentur solle nicht nur als Mittlerin zwischen Eigentümern und Mietern auftreten, sagt Frommer. "In Fällen, in denen Vermieterinnen und Vermieter aus unterschiedlichen Gründen am Anfang noch Vorbehalte haben, wird die Agentur Wohneinheiten oder auch ganze Gebäude selbst anmieten und an wohnungslose Menschen weitervermieten. Das bietet den Eigentümerinnen und Eigentümern Sicherheit und schafft Vertrauen."

Zudem sollen die Menschen Unterstützungsangebote für die Erfüllung von Mieterpflichten, wie etwa Kleinstreparaturen, durch den Hausmeisterdienst der Agentur erhalten. "Im Einzelfall kann die Wohnraumagentur interessierten Vermieterinnen und Vermietern weitere Anreize setzen, auch finanzieller Art, wie zum Beispiel die Honorierung einer Sozialbindung der Mietwohnung oder Gewährleistungsvereinbarungen".

Wohnungslosigkeit in Köln: Unterbringung in Hotel kostet 1500 Euro pro Person im Monat

Vorläufig sind im Haushalt 640.000 Euro in diesem und 850.000 Euro im kommenden Jahr für die soziale Wohnraumagentur vorgesehen. Darin enthalten ist auch ein Budget, um Belegrechte für Sozialwohnungen abzusichern. Das Budget könnte mittelfristig auch deswegen steigen, weil die teure Hotelunterbringung drastisch zurückgefahren werden soll, hofft Frommer. Momentan verbringen Wohnungslose im Schnitt zwei Jahre in den Hotels – für durchschnittlich 1500 Euro pro Person im Monat. Ziel sei es, dass die Menschen mittelfristig nach spätestens neun Monaten das Hotel wieder verlassen, so Frommer. Bis 2030 möchte die Stadt Köln die Zahl der vorgehaltenen Akutversorgungsplätze für Wohnungslose auf 600 reduzieren – das wären rund 62,5 Prozent weniger als heute. 18 Millionen Euro pro Jahr könnten dadurch eingespart werden.

Dazu beitragen sollen auch Hotelscouts, die Wohnungslose in den Hotels sozial betreuen, der Ausbau von Housing-First-Projekten, eine Einrichtung für Wohnungslose mit Haustieren, der Ausbau von Präventionsangeboten und eine verstärkte Vermittlung in Einrichtungen und Wohnungen außerhalb von Köln.

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Dass die Ziele sehr ehrgeizig sind und durchaus im Widerspruch zur Entwicklung sowohl der Wohnungslosigkeit als auch der Armut in Köln stehen, ist Patricia Frommer bewusst. Auf die Krisen in der Welt und der deutschen Wirtschaft muss "eine Stadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagieren", sagt sie. "Dafür brauchen wir ehrgeizige Ziele."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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