Das Hoch nach der Fußball-EM im Sommer ist in der regionalen Tourismus-Wirtschaft schnell vergangen. Hofften die Wirte, Hoteliers und Reiseunternehmer nach dem Turnier, das ihnen dank der Fans aus dem In- und Ausland volle Häuser und Biergärten beschert hatte, auf eine weitere gute Saison, so macht sich nun Ernüchterung breit.
Das zeigt die Tourismusumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg für den Herbst 2024.
Danach beurteilt nur noch ein Drittel der Chefs ihre Lage als gut; im Frühjahr waren das knapp die Hälfte. 40 Prozent der Betriebe antworteten, ihre Situation sei befriedigend.
Stimmung in der Tourismusbranche noch besser als in anderen Sektoren
Für die Umfrage hatte die IHK 461 Unternehmen angeschrieben, 64 schickten den Fragebogen zurück. Das reiche, um eine qualifizierte Aussage zu treffen, sagte der Geschäftsführer für Standortpolitik der IHK, Professor Dr. Stephan Wimmers, als er am Mittwoch die Untersuchung mit IHK-Vizepräsidentin Ruth Maria Winterwerp-van den Elzen vorstellte.
Die Stimmung in der Branche sei "insgesamt noch immer besser als in anderen krisengeschüttelten Sektoren der Wirtschaft", sagte die Direktorin des Hotels Collegium Leoninum. Aber die anhaltende Konjunkturschwäche, in der Firmen wie Bürger ihr Geld stärker zusammenhielten, spüre auch der Tourismus. In dieser Sparte liegt der Konjunkturklimaindex, mit dem Lage und Erwartungen gekennzeichnet werden, bei 97 Punkten; im Frühling wurden 126 Punkte gemessen, vor einem Jahr 113.
Zur Erklärung: Der Durchschnittswert beträgt 100 Punkte, die Zahlen darüber stehen für eine gute Bewertung der Gesamtsituation. Der Index für alle Branchen der regionalen Wirtschaft wird von der Kammer mit 90 Punkten angegeben.
Umsätze in Restaurants und Kneipen haben sich gut entwickelt
Sie berichtet, dass die Tourismus-Branche daher skeptisch in die Zukunft blicke; mehr als die Hälfte der Betriebe plane derzeit keine Investitionen. In der Gastronomie mache sich ein starker Anstieg der Personalkosten bemerkbar. Laut Winterwerp-van den Elzen steht im Sommer eine Tarifanpassung im Hotel- und Gastgewerbe bevor.
Die Umsätze in Restaurants und Kneipen hätten sich zwar gut entwickelt, die Kosten, etwa für Energie oder Lebensmittel, seien gleichzeitig aber noch stärker gestiegen, sodass "eigentlich weitere Preiserhöhungen notwendig" wären. Die IHK-Vizepräsidentin sprach von einer "schweren Krise der Gastronomie".
Die Übernachtungszahlen in den Hotels und Pensionen der Region tragen ebenfalls nicht dazu bei, die Mienen der Firmenchefs aufzuhellen. Im September wurden in den 221 Beherbergungsbetrieben an Rhein und Sieg 275.949 Übernachtungen registriert, sechs Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahrs (293.523). Im September 2019, dem Jahr vor Corona, waren es 307.722. Für das gesamte Jahr 2023 weist die Statistik 2,9 Millionen Übernachtungen aus, für 2019 rund 3,1 Millionen.
Tourismusbranche hat sich vom Corona-Schock noch nicht erholt
Die Erholung der Branche nach dem Pandemie-Schock ist also noch nicht zu Ende. Die IHK wünscht sich daher mehr Marketinganstrengungen der Tourismus- und Congress GmbH Bonn/Rhein-Sieg, damit die Pluspunkte – Beethoven, ehemalige Bundeshauptstadt, Tor zum romantischen Mittelrhein, Fahrrad- und Wanderregion – besser bekannt gemacht werden. Das Geld für die Werbekampagne solle aus den Einnahmen für die Beherbergungssteuer genommen werden, schlug Wimmers vor.
Die Städte Bonn und Königswinter ziehen eine solche Abgabe in Höhe von sechs Prozent beziehungsweise fünf Prozent des Logistikpreises ein. In Alfter hat die SPD eine Bettensteuer von ebenfalls fünf Prozent ins Gespräch gebracht.
Die Ausweitung dieser Steuer auf Geschäftsreisende in Bonn habe dazu geführt, dass Veranstaltungen und Kongresse verlagert würden, sagte Winterwerp-van den Elzen. Das sei ein Standortnachteil.
Arbeitskräftemangel treibt die Firmen in Rhein-Sieg um
Darüber hinaus treibt der Fach- und Arbeitskräftemangel die Firmen um. Sechs von zehn Unternehmen im Gastgewerbe können nach Erhebungen der Kammer offene Stellen nicht zeitnah besetzen, in der Gastronomie seien es sogar 75 Prozent. Erschwert werde die Suche auch durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Nähe des Arbeitsplatzes. Das führe unterm Strich dazu, dass Restaurants ihre Angebote reduzierten und unter der Woche einen Tag länger schlössen.
Die Kammerrepräsentanten hoffen auf die neue Bundesregierung, welche die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern müsse. Wimmers: "Von einem wirtschaftlichen Aufschwung würde dann auch die Tourismusbranche profitieren." © Kölner Stadt-Anzeiger
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