Köln/Düsseldorf - Stimmungsaufheller an einem regnerischen Vormittag in krisenhafter Zeit: In Köln, Düsseldorf und anderen Hochburgen des närrischen Frohsinns ist am Vormittag um 11.11 Uhr die neue Karnevalssession eingeläutet worden.
Tausende Kostümierte ließen sich vom schlechten Wetter nicht abhalten. An den Kiosken waren diesmal Müllsäcke besonders gefragt - als Überzieh-Jacke gegen den Regen.
Köln hat erstmals ein queeres Dreigestirn
Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte, der Karneval komme zur rechten Zeit: "Ich bin überzeugt, wir alle können ein bisschen Energie bei diesen vielen Krisen, die wir erleben, gebrauchen." Man feiere durchaus mit dem Bewusstsein, was in der Welt vor sich gehe, "aber wir sind nicht gelähmt".
In Köln ist das Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Jungfrau dieses Jahr erstmals queer: Es kommt aus der "StattGarde Colonia Ahoj", einem der jüngsten Kölner Karnevalsvereine - die Mehrheit seiner Mitglieder ist homosexuell. "Köln ist erwachsen, Köln redet da gar nicht groß drüber", sagte Prinz René I. im WDR Fernsehen zu Entertainer
Die Massen strömen ins "Kwartier Latäng"
Besonders in Köln hatten sich wieder Zehntausende Feiernde versammelt. Schon am frühen Morgen waren überall in der Stadt Kostümierte unterwegs, vor allem junge Leute. Sie zieht es traditionell ins Studentenviertel "Kwartier Latäng" rund um die Zülpicher Straße. Dieser Bereich war wie in den vergangenen Jahren abgesperrt und der Zugang reguliert. 1.400 Beamtinnen und Beamte waren auf der Straße, gut 200 mehr als im Vorjahr. Im Auftrag der Stadt Köln waren auch 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes und mehr als 1.000 Kräfte von privaten Sicherheitsunternehmen unterwegs.
Eine Polizeisprecherin sagte am Nachmittag, der Besucherzustrom in Köln sei "normal für einen 11.11.", trotz des schlechten Wetters am Vormittag und obwohl der Tag auf einen Montag falle. "Wir haben eine sehr hohe Auslastung auf der Zülpicher Straße", sagte sie. Trotz des Zustroms sei der bisherige Verlauf erfreulich gewesen. "Mit dem Start sind wir zufrieden. Sehr viele Menschen sind gekommen, haben aber freudig, friedlich gefeiert." Es habe nur vereinzelte Ingewahrsamnahmen gegeben, vereinzelt seien Messer sichergestellt worden, so die Polizeisprecherin. Ein Sprecher der Stadt Köln betonte: "Unterm Strich haben wir überhaupt keine besonderen Vorkommnisse." Sein Eindruck sei, dass weniger los sei als vor einem Jahr, als der 11.11. auf einen Samstag fiel. "Da ist weniger Druck drauf", sagte er.
Karnevalspräsident Christoph Kuckelkorn kritisierte im WDR Fernsehen, die Sicherheitsanforderungen an den Karneval, insbesondere auch an den Rosenmontagszug, würden immer strenger, und das führe zu einer kaum noch beherrschbaren Kostenspirale.
"Wir brauchen den Karneval, weil die Welt geht vor die Hunde"
Gianlucca (21), verkleidet als Footballspieler, denkt bei Großveranstaltungen wie dem Karnevalsauftakt schon hin und wieder mal an den Messerangriff von Solingen oder andere Gewalttaten: "Da macht man sich schon 'n Kopf drum, man hofft aber das Beste."
Berkay (21) aus Düren, verkleidet als Sicherheitseinheit SWAT, sagte: "Wir brauchen den Karneval, weil die Welt geht vor die Hunde." In dieser Situation sei der Karneval wichtiger denn je: "Um sich zu berauschen oder klarzukommen aufs Leben, auf die Welt."
Zuhause denkt Loreta an Lindner und Scholz
Für Cowgirl Loreta (21) ist der große Vorteil am Karneval, dass man den schlimmen Zustand der Welt kurz mal vergessen kann: "Ich denke jetzt grad nicht an Trump. Wenn ich zu Hause im Bett liege und sehe, dass Lindner von Olaf Scholz gefeuert wurde und jetzt bald Neuwahlen sind und die AfD dann bestimmt gut abschneiden wird, das denke ich an normalen Tagen, aber heute blendest du das eher aus, heute denkst du an deine Freunde, an Musik, an Feiern, an Alkohol."
Der 11.11. ist der traditionelle Auftakt der Karnevalssession, wobei die Sitzungen und anderen Veranstaltungen erst Anfang Januar richtig durchstarten. © Deutsche Presse-Agentur
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