Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen fehlten 2024 seltener wegen einer Erkrankung am Arbeitsplatz als im Jahr zuvor.

Mehr News aus Nordrhein-Westfalen finden Sie hier

Laut Daten der Krankenkasse DAK waren die Menschen im vergangenen Jahr im Schnitt 20 Tage krankgeschrieben, ein Jahr zuvor fehlten sie der Düsseldorfer Kasse zufolge fast einen Tag mehr.

Ist das nach Jahren der steigenden Krankenstände nun eine Trendwende?

Vielleicht muss man erst einmal die Erzählung, dass die Menschen immer kränker und – so der Vorwurf im Subtext – auch fauler würden, zumindest ein Stück weit entkräften. Das stimmte nämlich schon für die vergangenen Jahre nicht. Denn auch der sprunghafte Anstieg an Fehltagen von 2021 auf 2022 sei nach Ansicht der meisten Experten gar nicht auf bei Lohnfortzahlung im Bett liegenden Angestellten zurückzuführen, sondern auf eine Änderung des Meldeverfahrens. Krankschreibungen gingen erstmals elektronisch direkt an die Krankenkassen und mussten nicht mehr vom Versicherten weitergereicht werden. Seit der Neuerung gebe es bei den Fehltagen nur geringfügige Veränderungen. "Es stimmt nicht, dass sich Beschäftigte immer mehr Tage krankmelden", sagte DAK-Landeschef Klaus Overdiek. Auch die Kölner Hausärztin Dr. Mirjam Antz bescheinigt den allermeisten ihrer Patienten einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit der Krankschreibung. "Ich würde tatsächlich auch sagen, dass es wieder mehr Leute gibt, die sogar trotz Erkrankung zur Arbeit gehen. Das war man während der Pandemie etwas vorsichtiger", sagt sie im Gespräch mit dem Kölner Stadt Anzeiger. Gerade Büroangestellte nutzten häufig das Homeoffice als Möglichkeit, ihre Viren in den eigenen vier Wänden zu behalten und dennoch Aufgabenberge in der Firma abzutragen.

Mit welchen Krankheiten lassen sich NRWs Angestellte krankschreiben?

Laut DAK gingen die meisten Fehltage auf das Konto von drei Erkrankungsgruppen. Dabei gab es 2024 einen Rückgang der Krankschreibungen in zwei Bereichen, nämlich bei Bronchitis und Erkältung sowie bei Rückenproblemen. Dagegen gab es einen Anstieg in der dritten Gruppe, bei den psychischen Erkrankungen. In diesem Bereich seien 376 Fehltage je 100 Versicherte angefallen. Im Vergleich zum Vorjahr entspreche das einem Anstieg um 11,5 Prozent.

Sieht man sich die Kurve an, die die Arbeitsunfähigkeiten aller bei der Barmer versicherten Arbeitnehmer an, so bestätigt sich die Genesungstendenz der NRW-Arbeitnehmer. Lagen im Jahr 2023 in den Wintermonaten zu Beginn und gegen Ende des Jahres in der Spitze noch fast sechs Prozent aller Versicherten wegen einer Atemwegserkrankung flach und unproduktiv zu Hause, so erreichten diese Krankheitsspitzen im Jahr 2024 nur noch zwischen drei und vier Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Krankschreibungen wegen Covid, im Jahr 2023 schnellten die Kurven da noch auf fast zwei Prozent in mancher Kalenderwoche, im Jahr 2024 liegt die Kurve relativ stabil und flach zwischen 0 und einem halben Prozent. Eine Ausnahme bildet lediglich die Grippe, die zu Beginn des Jahres 2024 mehr Menschen zum Zuhausebleiben zwang als im Vorjahreszeitraum.

Ganz aktuell müssen Patienten von Hausärztin Mirjam Antz wegen Erkältungskrankheiten und vor allem wegen der Grippe zu Hause bleiben. "Die Influenza-Welle rollt. Die Menschen haben oft hohes Fieber, sie müssen oft ein bis zwei Wochen krankgeschrieben werden", so Antz.

Wie sieht die Lage in Köln aus?

Die AOK Rheinland/Hamburg hält Zahlen auch für das Stadtgebiet bereit. Eine Auswertung für 2024 liegt zwar noch nicht vor. Die Krankenstand-Kurve, die zwischen 2021 und 2022 steil nach oben ausschlug, hat sich aber auch hier zwischen 2022 und 2023 deutlich abgeflacht auf 6,65 Prozent. Auffallend ist, dass die Krankheitsdauer stark abgenommen hat. So waren Kölner pro AU im Jahr 2020 noch fast 14 Tage krank, im Jahr 2023 waren es nur noch gut zehn Tage im Schnitt. Fast jede dritte Krankschreibung ging laut AOK-Zahlen für Köln auf Atemwegserkrankungen zurück. Muskel-Skelett-Erkrankungen plagten demnach knapp jeden Sechsten Krankgeschriebenen.

Sind Bewohner großer Städte häufiger krank als die Menschen in kleineren?

Tatsächlich nicht. Zumindest die Zahlen der AOK Rheinland/Hamburg bescheinigen den arbeitnehmenden Städtern etwas mehr Zähigkeit. Vergleicht man die Arbeitsunfähigkeitstage ja nach Kreisen und Städten, so erscheinen die Bonner mit gut 22 Fehltagen im Schnitt als besonders gesund. An Platz zwei steht zwar Kleve mit knapp 24 Fehltagen, aber Köln und Düsseldorf folgen mit jeweils etwas über 24 Fehltagen. Besonders viele krankgemeldete Tage haben die Menschen in Aachen (28,6) und Mönchengladbach (29,6) angesammelt.

Welche Berufsgruppen sind betroffen?

Laut Hausärztin Mirjam Antz kämen vor allem Erzieherinnen und Erzieher überproportional häufig nicht um eine Krankschreibung herum. "Eine Erkältung trifft sie im Umgang mit den vielen Kindern eben häufig. Außerdem haben viele wegen der Belastung durch das Tragen der Kinder mit Rückenschmerzen zu kämpfen." Auch Lageristen müssten oft wegen Muskel- und Skeletterkrankungen pausieren. "Und wer in der Gastronomie arbeitet und eine Durchfallerkrankung hat, den muss ich sicherheitshalber auch mal etwas länger krankschreiben. Schließlich soll kein Essen kontaminiert werden", sagt Antz.

Die Zahlen zeichnen Antz‘ Eindruck ganz gut nach. Laut AOK zählte man am meisten krankheitsbedingte Ausfälle in der Pflegebranche sowie in der Metallerzeugung. Dort sind im Schnitt mehr als neun von hundert Arbeitnehmer am Tag krankgeschrieben. Mit großem Abstand führen die Beschäftigten in der stationären und ambulanten Pflege das Ranking bei den diagnostizierten psychischen Erkrankungen an. Auch in den Kitas und Schulen war zwischen den Jahren 2022 und 2023 ein deutlicher Anstieg der AU-Fälle infolge psychischer Diagnosen zu verzeichnen (plus 17 Prozent). Von Atemwegserkrankungen sind die Beschäftigten in Kitas und Schulen ebenfalls besonders betroffen: plus 11 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022.

Stimmt es, dass alte Arbeitnehmer mehr krank sind als junge?

Vielen Dank für Ihr Interesse
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln des Kölner Stadt-Anzeigers zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen.

Das kommt darauf an, von welcher Seite aus man es betrachtet. Sieht man sich Zahlen der AOK Rheinland/Hamburg der vergangenen Jahre an, so fällt auf, dass sich junge Menschen deutlich häufiger krankschreiben lassen als ältere. Diese Zahlen bestätigt auch die Erfahrung von Hausärztin Antz. "Junge Menschen sind unsicherer und können Infekte und ihren Körper häufiger weniger gut einschätzen und lassen sich deshalb häufiger krankschreiben", sagt sie. Die Zahlen der AOK bestätigen aber auch: Da ältere Arbeitnehmer in den Fällen, in welchen sie sich dann doch krankschreiben lassen, häufig deutlich schwerer krank sind und damit länger ausfallen, steigt die Anzahl der Krankentage mit dem Alter der Angestellten.  © Kölner Stadt-Anzeiger

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.