Die evangelische Kirche im Rheinland mit ihren Kirchenkreisen Düsseldorf, Leverkusen und Moers startet die Aufarbeitung im Fall von Vorwürfen zu sexualisierter Gewalt gegen einen inzwischen gestorbenen Kirchenmusiker. Betroffene sollen sich melden.

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Bisher bekannt seien zwei Vorfälle aus den 1960er- und 70er-Jahren. Der Kirchenmusiker soll sexualisierte Gewalt gegen zwei Kinder beziehungsweise Jugendliche ausgeübt haben. Der Mann, den der Kirchenkreis mit D.L. abkürzt, ist 2019 gestorben. Er war zwischen 1964 und 1986 Kantor und Chorleiter in Gemeinden der evangelischen Kirchenkreise Düsseldorf, Leverkusen und Moers. Zwei Betroffene haben sich laut Kirchenkreis gemeldet, weshalb es nun zu einer "Aufarbeitung unter wissenschaftlicher Begleitung" komme.

Man vermutet, dass es noch weitere Betroffene gibt. Auch sollen sich Zeuginnen und Zeugen melden, die Hinweise zur Aufklärung geben möchten, so der Kirchenkreis. Der Wuppertaler Sozialpädagoge Prof. Dr. Fabian Kessl werde die Aufarbeitung begleiten. Der Kirchenkreis schreibt: "Nach bisherigem Wissensstand besteht Anlass zu der Annahme, dass alle beteiligten kirchlichen Ebenen damals nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und so die weitere Beschäftigung des Kirchenmusikers im kirchlichen Dienst ermöglicht haben."

Fälle haben sich in Düsseldorf zugetragen

Die beiden bekannten Fälle sollen sich in der Evangelischen Luther-Kirchengemeinde in Düsseldorf zugetragen haben. Der Kirchenmusiker sei wegen sexualisierter Gewalt an Schulkindern in den frühen 60ern vorbestraft gewesen. Seine erste Organistenstelle habe er 1957 in der Kirchengemeinde Düsseldorf-Eller angenommen, er sei auch als Aushilfslehrer an Düsseldorfer Schulen tätig gewesen.

Von 1964 bis 1966 war D.L. Kirchenmusiker in der Evangelischen Kirchengemeinde Burscheid im Kirchenkreis Leverkusen. Von 1967 bis 1986 dann in der Luther-Kirchengemeinde Düsseldorf, heißt es weiter. Ab Herbst 1974 war er zudem Chorleiter in der Kirchengemeinde Friemersheim im Kirchenkreis Moers. Danach wechselte er nach Baden und war bis 2012 als Kirchenmusiker aktiv.

Zur Aufarbeitung heißt es nun: "Im Zuge der Aufarbeitung, die unter Mitwirkung von Betroffenen durchgeführt wird, sollen Erkenntnisse über die Gewaltkonstellation und Machtstrukturen gewonnen sowie Ursachen und Versäumnisse ermittelt werden." Betroffenen sollen Gehör und Anerkennung bekommen, die kirchlichen Prozesse zur Prävention sexualisierter Gewalt verbessert und "eine Kultur der Fürsorge und Sicherheit für Schutzbefohlene in der Evangelischen Kirche" gestärkt werden. Je ein Drittel der Kosten tragen die Evangelische Kirche im Rheinland und der Kirchenkreis Düsseldorf, Leverkusen und Moers zahle je ein Sechstel.

Leverkusen: Betroffen und Zeugen sollen sich melden

Bernd-Ekkehart Scholten, Superintendent des Kirchenkreises Leverkusen, lässt sich in der Mitteilung zitieren: "Das Leid von Menschen ernst zu nehmen und den Stimmen Betroffener Raum zu geben, steht für uns im Mittelpunkt dieses Schrittes an die Öffentlichkeit. Es ist unsere Verantwortung, geschehenes Unrecht aktiv aufzuarbeiten. Mit dem Aufruf laden wir weitere Betroffene ein, sich zu melden."

Katja Gillhausen, Leiterin der Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung, sagt: "Bereits am Beginn des Prozesses sehen wir, dass kirchliche Institutionen versagt und Schutzbefohlene eben nicht geschützt haben. Im Rahmen der Aufarbeitung gehen wir den vielen Fragen auf den Grund, die sich zu diesem Fall ergeben haben und noch ergeben werden. Wir möchten das Geschehene lückenlos nachvollziehen und verstehen – damit wir daraus lernen und unsere heutige Präventionsarbeit verbessern können."

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Ansprechpartnerin für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung der Evangelischen Kirche im Rheinland ist Claudia Paul: 0211/4562391, claudia.paul@ekir.de, Vertrauensperson im Kirchenkreis Leverkusen Veronika Kuffner, 02174/8966142, veronika.kuffner@kirche-leverkusen.de, und Martin Ohlendorf, 0214/382724, 0163/7370824, martin.ohlendorf@kirche-leverkusen.de. Eine externe Beratungsstelle ist der "Weiße Ring", er ist unter 116006 zu erreichen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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