Flensburg/Kiel - Der Historiker Gerhard Paul hat das vom Landtag geplante Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der Marineschule in Mürwik kritisiert.

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"Die damalige Marinekriegsschule Mürwik ist ein Täterort par excellence", schreib der ehemalige Professor der Universität Flensburg in einem offenen Brief. In die Schule habe sich Anfang Mai 1945 der relevante Teil der NS-Elite zurückgezogen.

Ebenfalls sei etwa der Zweite Weltkrieg dort von Männern wie Großadmiral Dönitz unsinniger Weise verlängert worden - was Zehntausende von Soldaten, Insassen von Konzentrationslagern und Zivilisten das Leben gekostet habe. Unter anderem aus diesen Gründen eigne sich kaum ein Ort in Schleswig-Holstein weniger für ein Gedenken an die Opfer des NS-Regimes, schrieb Paul.

Hintergrund des Briefes ist eine von der Landtagsverwaltung geplante Veranstaltung am 27. Januar zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus an der Marineschule.

Kritik von Gedenkstätten

In einem weiteren Brief kritisierten auch der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein sowie der Leiter und die Leiterinnen der KZ-Gedenkstätten Kaltenkirchen, Husum-Schwesing und Ladelund die Wahl des Ortes.

Es sei für sie nicht nachvollziehbar, das Gedenken an einem ausgewiesenen Täterort zu praktizieren. Sie befürchteten zudem, dass dadurch das Gedenken auf einen rein militärischen Kontext reduziert werde. Auch die SPD-Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages teilte die Kritik am geplanten Gedenkort. Zunächst hatte der NDR berichtet.

Landtag rechtfertigt Planung

Der Landtagssprecher teilte dagegen mit, dass es bei der Gedenkveranstaltung nicht darum gehe, das Gedenken an das Kriegsende und die Niederlage des NS-Regimes vorwegzunehmen. Das inhaltliche Konzept solle dagegen an die Gedanken des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker anknüpfen: So sei der Tag der Befreiung nicht ohne die furchtbaren Verbrechen, derer gedacht werde, erklärbar.

Die Marineschule in Mürwik steht laut des Landtagssprechers als Sitz der letzten NS-Regierung symbolisch für die sogenannten Endzeitverbrechen in den letzten Monaten des Krieges. Die Opfer dieser Verbrechen sollen bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung als Schwerpunkt in den Blick genommen werden.

In der Marineschule von heute werde von der Bundeswehr das "Nie wieder!" großgeschrieben, betonte der Sprecher. Davon zeuge auch die enge Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Flensburg, die sich auch in die Gestaltung der Gedenkveranstaltung einbringe.  © Deutsche Presse-Agentur

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