Unter anderem mit Christoph Kramer und Thomas Hitzlsperger sind zwei neue Typen an den WM-Mikros. Auch wenn der eine schon wieder aufgehört hat, beweisen sie: Weg mit den überzogenen Stammtischparolen! Selbst ein Oliver Kahn wird bei dieser Experten-Konkurrenz während der WM 2018 zum Mensch. Eine Betrachtung.

Eine Kritik

Alles rund um die WM 2018 in Russland

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"Was hat das ZDF denn da vor?" Das mögen sich viele WM-Zuschauer gedacht haben, als sie Mittelfeldspieler Christoph Kramer bei der WM 2018 erstmals im TV-Studio gesehen haben.

"Der kann sich doch eh an nichts erinnern!" Kramers Blackout im WM-Endspiel 2014 bleibt unvergessen.

2018 nun philosophierte er mit ZDF-Moderator Jochen Breyer im WM-Nachmittagsprogramm - die Primetime ist nach wie vor den beiden Olis, Welke und Kahn, vorbehalten - über Fußball und Fußballer.

Zuschauer mögen Kramers Ehrlichkeit

"Pogba ist ähnlich wie Ronaldo, auf eine andere Art, aber auf gewisse Weise auch gleich", ist so ein Satz, den der 27-Jährige uns an den Kopf geworfen hat.

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Den Zuschauern gefällt seine lockere und authentische Art. Kramer weiß nicht immer alles, sagt das dann aber auch und bringt es sympathisch herüber.

"Ich habe nie mehr einen Elfmeter geschossen, seitdem ich mit 14 Jahren bei einem Hallenturnier einen versemmelt habe", gesteht er nach Messis verschossenem Elfer in seiner ur-authentischen Art.

"Dass Christoph Kramer als noch aktiver Spieler so klare Ansagen machen kann, ohne um den heißen Brei zu reden, ohne Spieler runtermachen zu müssen und dabei noch stets authentisch bleiben zu können, ist für mich absolut faszinierend", schreibt etwa User Malte Dürr auf Twitter. Bei Weitem nicht das einzige Lob für Kramer auf Twitter.

In der Runde der WM-Experten war der Gladbacher der einzige aktive Profi. War, weil er seit jetzt nicht mehr auf Sendung ist.

Denn als aktiver Fußballer kann man eben nicht einfach so wochenlang herumschwadronieren, sondern muss sich irgendwann auch wieder auf die neue Saison vorbereiten. Und das tut Kramer ab Sonntag bei Gladbach.

Philipp Lahm in der Wohlfühloase am Tegernsee

Philipp Lahm beendete eigentlich erst vor einem Jahr seine Karriere, seine Phrasen und Floskeln hingegen lassen ihn wirken, als wäre er seit Jahren im Ruhestand.

Graues Sofa, idyllische Landschaft samt Tegernsee im Hintergrund: Zusammen mit ARD-Moderatorin Jessy Wellmer schwadroniert der Ex-Bayer gekonnt inhaltsleer über die heile DFB-Welt - ist auch klar, schließlich arbeitet er beim DFB.

Ein DFB-Mitarbeiter, eigentlich für das Botschaften rund um die EM-Vergabe 2024 zuständig - spricht also über die DFB-Elf? Gelungen sieht anders aus.

Oder wie es Gianni Costa, Sportchef der "Rheinischen Post" kommentiert: "ARD mit bester Werbung für Sportjournalismus - in Stefan Kuntz und Philipp Lahm beschäftigt der Sender zwei 'Experten', die beim DFB in unterschiedlichen Funktionen engagiert sind und auch Leistungen des DFB-Teams beurteilen sollen. Das ist natürlich alles andere als optimal."

Auch das Wohnzimmer-Ambiente samt Sofa im Grünen wirft bei den Fans vor dem Fernseher vor allem eine Frage auf. Was das Traumpärchen Wellmer/Lahm denn so in ihrer Freizeit macht.

Statt Inhalte gibt die Schalte an den Tegernsee damit wenigstens Klatsch her.

Wolf und Kuntz: Taktik-Oberlehrer und Anekdoten-Erzähler

Lahms DFB-Kollege Stefan Kuntz - er ist seit 2016 U-21-Trainer und hat damit eigentlich einen richtig inhaltsvollen Job beim DFB - darf auch ab und zu ran.

Ihn gibt es im Doppelpack mit Hannes Wolf. Dem ehemaligen VfB-Trainer, für all diejenigen, die vergessen haben, wo sie den Namen schon mal gehört haben.

Doppelte Manneskraft bedeutet nicht immer doppelte Power - das beweisen die Beiden gekonnt.

DFB-Mann Kuntz ist vor allem für die 1996er Anekdoten verantwortlich (er erzählte etwa, dass er beim Elfmeterschießen gegen England an seine Kinder gedacht hat), Hannes Wolf gibt hingegen den Taktik-Oberlehrer.

Für manchen Zuschauer zu viel Information auf der Couch - und vielleicht sogar für die Spieler?

"Je länger ich Hannes Wolf als WM-Experte zuhöre, desto mehr habe ich das Gefühl, dass so mancher Spieler tatsächlich mit einem Information Overload zu kämpfen hatte", kommentierte beispielsweise Twitter-User "Danny".

Hitz kommt auch mal mit dem Vorschlaghammer

Ganz anders kommt Experten-Kollege Thomas Hitzlsperger rüber. "Hitz the Hammer", wie er während seiner Zeit in England bei Aston Villa genannt wurde, macht seinem Spitznamen alle Ehre.

Der 36-Jährige analysiert sachlich und cool - aber mit dem Hammer in der Hand.

"Viele Spieler waren wieder weit weg von der Normalform", stellte er trocken fest, während ganz Fußball-Deutschland nach dem 2:1 gegen Schweden vom nächsten WM-Titel träumte. "Da müssen sich einige sehr strecken, wenn es am Ende für Finale und Titel reichen soll."

Wollten viele in diesem Moment vielleicht nicht hören, Hitzlsperger sagte es trotzdem.

Manchmal kommt dann auch nicht nur der Hammer, sondern gleich der Vorschlaghammer: "Die Schweden sind wie Mittdreißiger in der Disco: Hinten reinstellen und warten, ob sich was ergibt".

Recht hat er - und das wissen die TV-Zuschauer zu schätzen. "Professionalität, Expertise und Sachlichkeit" bescheinigen sie ihm.

Oliver Kahn - tatsächlich ein Mensch mit einer sensiblen Seite

Bei all den neuen Gesichtern in ARD und ZDF sind Oli und Oli die Konstante im Zweiten.

Sie sind so ein bisschen wie Bud Spencer und Terrence Hill, Don Camillo und Peppone, Dick und Doof - okay, das würde vielleicht etwa zu weit gehen.

Klar ist aber: Spaß haben sie, auch wenn sie es bei der WM in Russland nicht ganz so fein haben wie vor vier Jahren in Brasilien.

Damals moderierten Welke und Kahn vom Dach eines Hochhauses in Rio - mit Blick aufs Meer.

Vielleicht gibt sich Kahn deshalb ernster und gemäßigter. Statt unerbittlicher Titan ist er nun Mensch. Austeilen kann er aber trotzdem noch.

"Kritik sollte sich niemals gegen Menschen richten. Wenn sich dann der eine oder andere frühere Spieler berufen fühlt, unbedingt unter die Gürtellinie schlagen zu müssen - Spieler, die jetzt auch nicht bekannt für eine bestimmte Erfolgskonstanz während ihrer Karriere waren - dann sollten sie darüber nachdenken - wenn sie es denn können - wie ihnen das in solchen Situationen gefallen hat, wenn andere unter die Gürtellinie geschlagen haben".

Das sagte Kahn - ungewohnt wortreich, gleichzeitig aber sensibel dem einen gegenüber, gewohnt deutlich dem anderen gegenüber - zur Kritik Mario Baslers an Mesut Özil. Basler hatte Özil zuvor eine Körpersprache wie die eines "toten Froschs" bescheinigt.

An Kahn sieht man: Bei dieser WM menschelt es. Und wenn das auch noch authentisch rüber kommt, ist der Zuschauer gleich doppelt begeistert.

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