• Während die Bundesliga im zweiten Corona-Winter auf dem Transfermarkt zögerlich agiert, geben europäische Top-Klubs viele Millionen aus.
  • Das Kräfteverhältnis vergrößert sich durch die Pandemie.

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Dusan Vlahovic ist 22 Jahre jung, 1,90 Meter groß, und als Fußballer 81,6 Millionen Euro wert. So viel Ablöse soll Juventus Turin dem AC Florenz für das serbische Sturmjuwel überwiesen haben. Der Champions-League-Klub steht unter Druck, war nach 23 Spieltagen nur Fünfter der Serie A. Vor dem Wechsel hatten italienische Medien Vlahovic reihenweise mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht.

Transfermarkt: Beim FC Bayern und beim BVB passiert nichts

Aber: Die Münchner machten das erst 16-jährige Supertalent Paul Wanner zum Profi, sonst passierte im Kader des deutschen Rekordmeisters im Winter-Transfer-Fenster nichts. Bei Borussia Dortmund tat sich in puncto Neuzugänge gar nichts. Der Top-Transfer der Bundesliga kam dagegen überraschend aus Augsburg, wo sich der Fußballclub den 19 Jahre jungen US-Amerikaner Ricardo Pepi (vom FC Dallas) kolportiert etwas über 16 Millionen Euro Ablöse kosten ließ.

"Die Situation auf dem Transfermarkt war viel, viel entspannter als in den Jahren zuvor", erklärt Spielerberater Ali Bulut im Gespräch mit unserer Redaktion: "Früher fanden automatisch viele Wechsel statt. Heute überlegen sich die Klubs: Warum soll ich für einen Spieler derselben Qualität nochmal bezahlen? Erstens sparen sie jetzt lieber Geld. Zweitens war einfach weniger Bewegung auf dem Transfermarkt als üblich."

Weniger Poker im Corona-Winter als üblich

Der 66-jährige Bulut kennt sich mit dem Poker im Januar aus, er vermittelt bereits seit 1992 Profi-Fußballer. Weltmeister Shkodran Mustafi (heute UD Levante) gehörte früher zu seinen Klienten, ebenso Kult-Stürmer Stefan Kießling (früher 1. FC Nürnberg und Bayer Leverkusen). In jenen Wochen geht es traditionell zur Sache. Diesmal war die Gemengelage aber anders.

Denn: Auch im zweiten Corona-Winter gab es zuletzt vielerorts nur Geisterspiele. Wichtige Einnahmen durch Ticketing und Merchandising brachen weg. Laut "Bild" verloren die Erstligisten schon in der vergangenen Saison pro Geisterspiel zwischen 640.000 Euro (SC Freiburg) und 3 Millionen Euro (FC Bayern und BVB). "Wenn die Zuschauer wegbleiben, leben viele Vereine von der Hand in den Mund. Die Fixkosten werden nicht mehr so leicht gedeckt", meint Bulut: "Die Vereine sind viel vorsichtiger als früher."

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Bundesliga setzt vor allem auf Leihgeschäfte

Generell sei es ruhiger verlaufen "als vor der Corona-Pandemie. Es ist deutlich zu erkennen, dass viele Vereine zur Vorsicht gezwungen sind, weil sie mit den Einnahmen nicht so planen können, wie es vor der Pandemie der Fall war", erklärt Lennart Gens vom Fachportal transfermarkt.de im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Redakteur und Transfer-Experte relativiert jedoch: "Im Vergleich zur Winter-Transferperiode 2021 wurde wieder mehr Geld in die Hand genommen. Es war ein Anstieg zu erkennen, wahrscheinlich, weil die Vereine nach zwei Jahren Pandemie gelernt haben, wie sie mit der Situation besser umgehen können."

Erneut habe es viele Leihgeschäfte gegeben. Es ist ein Phänomen, das sich laut Gens durch Corona verstärkt. "Die Leihen haben ein geringeres Risiko, vielleicht baut man noch eine Kaufoption mit ein", so der 24-Jährige. Eines habe sich gezeigt: "Die Bundesliga ist eine Ausbildungsliga", sagt Gens: "Sie setzt viel auf Talente. Der Gesamtwert der Liga ist in den letzten Wochen zurückgegangen. Heißt: Es wurden Spieler mit höheren Marktwerten, die aber auf dem absteigenden Ast sind, verkauft. Dafür wurden junge, entwicklungsfähige Spieler mit eher geringen Marktwerten dazu geholt."

Bundesliga: VfB Stuttgart und Hertha BSC investierten zögerlich

Selbst Klubs, denen der Abstieg droht, hätten nur zögerlich investiert. "Das liegt daran, dass die Bundesliga-Vereine oft langfristiger und seriöser wirtschaften", erklärt Gens und meint dennoch: "Bei Wolfsburg und Hertha hätte man mehr erwarten können, weil sie mehr Geld zur Verfügung haben als beispielsweise Gladbach oder Stuttgart. Auch vor diesen Klubs macht die Corona-Pandemie aber nicht halt."

Zum Vergleich: Der VfL Wolfsburg gab, protegiert durch den Automobilkonzern Volkswagen, 23,68 Millionen Euro für die Neuzugänge Jonas Wind (FC Kopenhagen), Kevin Paredes (D.C. United) und Max Kruse (Union Berlin) aus. Die Niedersachsen waren damit der Transfer-Krösus aus Deutschland. Hertha BSC, gesponsert durch Investor Lars Windhorst, überwies dagegen nur 1,8 Millionen Euro für vier neue Spieler. Kolportiert eine halbe Million davon ging an den ebenfalls vom Abstieg bedrohten VfB Stuttgart - für Abwehrspieler Marc Oliver Kempf. Die Schwaben entschieden sich umgekehrt nur für die Leihe des Portugiesen Tiago Tomas (19) von Sporting Lissabon. "Wir verzeichnen seit Beginn der Pandemie 80 Millionen Euro an Umsatzverlust", hatte Stuttgarts Finanzvorstand Thomas Ignatzi bereits Ende November der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" erzählt.

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Und international? "Die Einzigen, die keine Geldprobleme haben, sind England und Frankreich, die von außerhalb gut gesponsert werden. Die können sich noch manch teuren Spieler leisten", sagt Bulut und ergänzt: "Aber selbst sie halten sich zurück." Andere europäische Topligen würden deutlich mehr Risikobereitschaft zeigen, meint dagegen transfermarkt-Redakteur Gens: "In England ist Newcastle ein Beispiel, das durch seinen neuen Investor aus Saudi-Arabien plötzlich sehr viel Geld hat. In Spanien lief beim FC Barcelona die Hinrunde nicht gut, in Italien bei Juventus Turin. Sie waren im Winter-Transferfenster risikobereit und haben teure Spieler verpflichtet." Auf die Bundesliga traf das in der Corona-Pandemie nur in Ausnahmefällen zu. Das Kräfteverhältnis verschiebt sich also wohl weiter.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Spielerberater Ali Bulut
  • Gespräch mit transfermarkt-Redakteur Lennart Gens
  • transfermarkt.de: Spielerprofil Dusan Vlahovi
  • RP ONLINE: Alle Wintertransfer der Bundesligisten
  • Stuttgarter Zeitung: So hoch ist der Umsatzverlust des VfB Stuttgart
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