Die frühere HSV-Stadionsprecherin Christina Rann wird bei der EM 2024 Spiele für MagentaTV kommentieren. Unsere Redaktion hat mit der Deutsch-Portugiesin über ihre EM-Hoffnungen und die Sichtbarkeit von Frauen im Männer-Fußball gesprochen.
Aufgewachsen mit "Klinsi", Völler, Matthäus & Co. ist Christina Rann einst "über die großen Turniere zum Fußball gekommen": Heute gehört sie zu den renommiertesten Kommentatorinnen und Moderatorinnen im Sport. Bei der Heim-EM wird die frühere Stadionsprecherin des Hamburger SV Spiele für MagentaTV kommentieren.
Unsere Redaktion hat mit der Deutsch-Portugiesin über die beiden Nationalmannschaften gesprochen, die ihr besonders am Herzen liegen. Zudem erläutert Rann, warum sie an "ein tolles Fußballfest" glaubt, was in Sachen Sichtbarkeit von Frauen im Männer-Fußball noch zu tun ist und warum es viel Spaß macht, gemeinsam mit
Frau Rann, Sie werden bei der Heim-EM im Juni und Juli Spiele für MagentaTV kommentieren. Der Streaming-Dienst der Telekom wird alle 51 Partien des Turniers live übertragen. Haben Sie Ihre Wünsche bereits hinterlegt?
Christina Rann: Grundsätzlich ist solch eine Planung sehr umfangreich. Aber ja, ich habe einen Wunsch hinterlegt – und zwar, dass ich als Hamburgerin natürlich gerne ein Spiel im Volksparkstadion kommentieren möchte. Wie ich gehört habe, soll es diesbezüglich ganz gut für mich aussehen. Außerdem kann ich mir vorstellen, mal wieder bei der "MagentaTV Reaction Show" als Gast vorbeizuschauen, bei der WM 2022 hat das sehr viel Spaß gemacht. Ich durfte im Vorwege das Kick-off zum Final Draw und das Volunteer-Kick-off in Hamburg moderieren, ich bin also seit Dezember schon in absoluter EM-Stimmung.
Welche Nationalmannschaft reizt Sie als Kommentatorin ganz besonders?
Als Deutsch-Portugiesin interessiert mich vor allem die portugiesische Nationalmannschaft. Insofern bin ich quasi 2016 bereits Europameisterin geworden (lacht). Auch mit Blick auf die EM 2024 sind natürlich alle gespannt auf den Mann mit der Nummer 7, der noch einmal auflaufen darf. Neben
Letztes Ronaldo-Turnier? Deutsch-Portugiesin Rann: "Bei ihm weiß man nie"
Sind Sie sicher, dass der mittlerweile 39-jährige "CR7" nur noch einmal bei einem großen Turnier auflaufen wird?
Ach, bei ihm weiß man nie. Mit dem EM-Titel 2016 hat er sich ja schon ein Denkmal setzen können. Ich erinnere mich noch gut an die emotionalen Bilder des damaligen Finales gegen Frankreich, als Ronaldo in der ersten Halbzeit verletzt ausgewechselt werden musste. Der "Kuss der Motte" (das Insekt flatterte damals unentwegt im Gesicht des angeschlagenen Superstars herum; Anm. d. Red.) stand sinnbildlich für das sportliche Drama um Ronaldo auf dem Platz. Aber ob mit ihm oder ihn: Die Stimmung im Land ist immer höchst euphorisch, was Fußball angeht.
Wie groß ist Ihre Euphorie mit Blick darauf, dass Sie im Rahmen der EM mit namhaften Experten wie Michael Ballack zusammenarbeiten werden?
Bei der vergangenen Weltmeisterschaft habe ich bereits mit Michael Ballack zusammengearbeitet. Es hat viel Spaß gemacht, mit ihm über Fußball zu sprechen und gemeinsam hinter den Kulissen ein Spiel zu schauen. Aber ich freue mich natürlich auch auf die vielen anderen Experten und Expertinnen von MagentaTV. Besonders auf Tabea Kemme, mit ihr habe ich im Liga-Alltag der Frauen-Bundesliga regelmäßig zu tun. Sie ist eine großartige, meinungsstarke und zudem humorvolle Kollegin. Extrem gespannt bin ich auf den neuen Input, den Fabian Reese (Profi von Hertha BSC; Anm. d. Red.) ins Team bringen wird. Und Tim Borowski ist ohnehin eine sehr interessante Persönlichkeit, die viel zu erzählen hat.
Wie emotional ist der vor der Kamera eher ruhig und sachlich auftretende Ballack hinter den Kulissen?
Als Deutschland gespielt hat, sind wir natürlich alle aus dem Sattel gegangen. Hinter den Kulissen kann man seinen Emotionen ja ein Stück weit freien Lauf lassen. On air empfinde ich seine ruhige, analytische Art als sehr gut. Mir gefällt, dass er Zusammenhänge auch mal etwas ausführlicher erklärt.
Wie unterscheidet sich ein großes Turnier vom Liga-Alltag, was die Vorbereitung angeht?
Das Handwerk ist das Gleiche und auch die Vorbereitung läuft analog zu einem Liga-Spiel. Das Meiste passiert im Vorwege an meinem Schreibtisch, bis es ins Stadion geht. Die Atmosphäre mit den internationalen Fans ist bei einem großes Turnier wie der EURO etwas Besonderes. Wenn dann noch das Wetter mitspielt … Bei einer WM oder EM ist zudem zu bedenken, dass man auch die Menschen abholt, die im Alltag eher selten Fußball schauen. Genau das ist für mich als Kommentatorin auch das Spannende an einem Turnier: Wer sind die Shootingstars, die sich in den Fokus spielen könnten?
Sie stehen den sogenannten Event-Fans, die nur Fußball schauen, wenn Welt- und Europameisterschaften anstehen, also aufgeschlossen gegenüber?
Unbedingt, denn auch ich bin eher über die großen Turniere zum Fußball gekommen. Meine Eltern sind keine Fußballfans, sodass ich den Liga-Alltag zunächst nicht kannte. Bei mir ging es über die großen Emotionen bei internationalen Turnieren. Ich finde es schön, wenn man darüber Menschen für Fußball begeistern kann.
Welches Turnier hat Ihre Fußball-Begeisterung geweckt?
Für viele war die WM 1990 in Italien der Kick-off. Bei mir war das nicht anders. Auch ich bin mit "Klinsi", Völler und Matthäus aufgewachsen. Die EM 1992 mit dem Titelgewinn der Dänen hat meine Fußball-Begeisterung dann noch einmal vertieft. Ich werde nie vergessen, wo ich den unglaublichen Siegeszug von "Danish Dynamite" damals gesehen habe: nämlich mit meinen Eltern in einem Ferienhaus in Dänemark. Mich hat das alles total mitgerissen.
Wann sind Sie beruflich erstmals mit einem Fußball-Turnier in Berührung gekommen?
Ich durfte 2008 als Reporterin aus dem EM-Trainingslager des DFB in Frankreich berichten. Es war das erste Mal, dass ich etwas näher dran war. Während des Turniers habe ich unter anderem auf dem Fanfest in Hamburg gedreht – bei sehr guten Temperaturen, wie ich mich erinnern kann. Damals habe ich gespürt, wie sich eine Euphorie im Verlauf eines Turniers entwickeln kann. Genau das erhoffe ich mir auch von der EM in diesem Sommer.
Deutschland kann mit Gastfreundschaft bei der EM punkten
Was lässt Sie an ein "Sommermärchen 2.0" glauben?
Ich rechne mit einem tollen Fußballfest und glaube daran, dass wir mit Gastfreundschaft punkten werden. Mit den Fans, die aus verschiedenen Nationen anreisen werden, gehe ich davon aus, dass sich eine große Freude im gesamten Land entwickeln wird. Sportlich gesehen wäre aus meiner Sicht schon das Erreichen des Viertelfinales als Erfolg zu werten. Die Entwicklung der vergangenen Spiele stimmt mich positiv, dass vielleicht sogar noch mehr drin ist. Natürlich ist der sportliche Erfolg immer wichtig, aber unser DFB-Team macht aktuell noch viel mehr aus. Eine Identifikation entsteht nicht nur durch Siege.
Durch die Pressekonferenzen vor und während der EM wird Franziska Wülle führen. Hat der DFB mit ihrer Ernennung zur Pressesprecherin 2022 ein wichtiges Statement in Sachen Sichtbarkeit von Frauen im Männer-Fußball gesetzt?
Natürlich ist das eine sichtbare Position. Vor allem geht es mir aber um die Besetzung von Führungspositionen. Hier sollte der DFB unbedingt dran bleiben. Mit Heike Ullrich, die schon seit Längerem als DFB-Generalsekretärin fungiert, hat der Verband zum Beispiel eine sehr gute Wahl getroffen.
Sabrina Wittmann (FC Ingolstadt 04) ist kürzlich als erste Cheftrainerin im deutschen Männer-Profifußball in die Geschichte eingegangen, während Union auf Co-Trainerin Marie-Louise Eta setzt. Erkennen Sie einen Trend?
Dass Sabrina Wittmann Ingolstadt-Cheftrainerin geworden ist, freut mich total. Man darf nicht vergessen, dass sie bereits einen langen Weg als Trainerin bestritten hat. Zuvor hat sie mit der U19 des Klubs erfolgreich gearbeitet und ihre Qualitäten hinlänglich unter Beweis gestellt. Daher ist es nur konsequent, dass sie ihren Weg so weitergehen kann.
Trainerausbildung in Deutschland: Christina Rann weist auf ein Manko hin
Grundsätzlich wäre es aber gut, wenn in der Trainerausbildung ab der nächsten Saison mindestens zwei Frauen angemeldet werden können. Dass der Trainerlehrgang in diesem Jahr rein männlich besetzt worden ist, ist ein Manko. Die Personalie Wittmann hat darauf nochmal hingewiesen – doch dabei sollte es nicht bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass der Weg jetzt beschleunigt wird, sodass wir auch irgendwann eine Frau als Bundesliga-Trainerin einer Männer-Mannschaft sehen werden.
Ob Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich oder eben Ingolstadt-Trainerin Sabrina Wittmann: Die Sichtbarkeit von Frauen wird auf verschiedenen Ebenen größer. Hat das dazu geführt, dass auch Kommentatorinnen wie Claudia Neumann oder Ihnen mehr Akzeptanz entgegengebracht wird?
Wichtig ist, dass wir über Kompetenzen sprechen und dass eine Person eine Qualifikation für den Job hat, den sie ausübt. Tatsächlich erreicht auch mich persönlich mittlerweile mehr Zuspruch, als das zu Beginn der Fall gewesen ist. Ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die immer noch skeptisch sind – auch dafür habe ich teilweise Verständnis. Ich finde es immer toll, wenn ein Feedback kommt. Viele Menschen schreiben mir, dass sich ihre anfängliche Skepsis in Überzeugung verwandelt hat, nachdem sie mich angehört haben. Dass die Sichtbarkeit von Frauen im Männer-Fußball gestiegen ist, ist schon deutlich erkennbar. Dennoch muss flächendeckend, insbesondere mit Blick auf die Entscheiderinnen-Positionen, noch mehr passieren.
Ex-HSV-Stadionsprecherin erklärt: Darum gehört der Klub in die Bundesliga
Der Hamburger SV, bei dem Sie früher Stadionsprecherin waren, könnte eine kluge Entscheiderin gebrauchen. Stünden Sie zur Verfügung oder haben Sie bereits andere Pläne?
Die Zeit beim HSV wird natürlich immer in meinem Herzen bleiben. Aber: Alleine dieses Jahr hält für mich sportlich gesehen so vieles bereit, dass mein Fokus auf den kommenden Aufgaben liegt – vor allem auf der EM. Diesbezüglich halte ich es wie Mats Hummels vor dem CL-Finale: Man wird nach dem Turnier sehen, wie es weitergeht.
Wie tief sitzt bei Ihnen der Stachel, dass der HSV den Wiederaufstieg auch im sechsten Anlauf nicht geschafft hat?
Für mich gehört der HSV in die Bundesliga. Der Fan-Support ist großartig, das Volksparkstadion ist immer voll. Ich bleibe bei dem, was ich bisher nach jeder Zweitliga-Saison gesagt habe: Dann klappt's halt nächstes Jahr (lacht).
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.