Bayerns Flügelspieler waren auch gegen Bremen an entscheidenden Szenen beteiligt. Sind sie bereit für den nächsten Schritt?

Steffen Meyer
Eine Kolumne

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Es war im Prinzip eine unbedeutende Situation am Mittwochabend in der 43. Minute des Spiels der Münchner Bayern gegen den SV Werder Bremen. Eine Pressingsituation am Mittelkreis, wie sie unzählige Male im Spiel vorkommt. Und doch erfasste in diesem Moment ein Raunen das gesamte Weserstadion, wie sonst nur bei gefährlichen Torszenen.

Bayerns Kingsley Coman sah sich nach einem Ballgewinn allein umringt von vier Werder-Spielern, die mit hohem Druck den Ball eroberten wollten. Eigentlich eine ausweglose Situation. Doch zwei Übersteiger, zwei schnelle Haken und ein durchgesteckter Pass mit dem Außenrist auf den wartenden Lewandowski später, waren alle vier ausgespielt und der FC Bayern auf dem Weg in Richtung Bremer Tor.

Es sind seltene künstlerische Momente wie diese, die ein ganzes Stadion in kollektive Bewunderung versetzen können. Egal mit welcher Mannschaft man es hält. Und auch wenn aus der Situation kein Tor entstand, war es eines der Highlights in einem auch sonst nervenaufreibenden Spiel.

Coman und Gnabry drehen seit Wochen auf

Auch in einer viel bedeutenderen Szene war Coman mittendrin. Beim strittigen Strafstoß, der Bayern am Ende ins Finale brachte. Coman überrannte mit seinem explosiven Antritt einmal mehr Bremens Gebre Selassie und zwang den Tschechen damit die Arme auszufahren, um den Laufweg Richtung Tor zu stören.

Die Beurteilungen der Szene gingen weit auseinander. Fakt ist: Wieder einmal war einer der beiden Münchner Flügel an einem wichtigen Tor beteiligt. Ein Muster, das sich in den letzten Monaten wiederholt. Mal ist Kingsley Coman zur Stelle, mal sein Gegenüber Serge Gnabry.

Die Entwicklung ist schon erstaunlich: Zum ersten Mal seit mindestens 10 Jahren fehlen Arjen Robben und Franck Ribéry regelmäßig in der Startelf der Bayern, ohne dass es ein großes Thema zu sein scheint.

Lange hatten die Bayern nach Spielern gesucht, die in der Lage sind die Münchner Stars dauerhaft zu ersetzen. Shaqiri und Douglas Costa waren die prominentesten Beispiele, die dabei durchfielen. Mit Coman und seinem ebenfalls seit Wochen starken Partner scheint es nun zum ersten Mal gelungen zu sein.

Hoeneß lobt über den grünen Klee

Vor allem der unbekümmerte Gnabry wird derzeit in seiner ersten Saison in München von allerhöchster Ebene mit Lob überschüttet. "Wir dachten, na ja, den holen wir jetzt einmal zurück, und dann schauen wir, ob er hin und wieder spielt", sagte Bayern-Präsident Uli Hoeneß jüngst dem "Kicker". "Jetzt ist er Stammspieler, macht sehr viel Spaß und ist die größte Überraschung in dieser Saison, und zwar in positiver Hinsicht."

Zwölf Pflichtspieltore stehen für Gnabry zu Buche. Alle seit Ende November erzielt. Aktuell hat nur Robert Lewandowski mehr. Kein Wunder also, dass Hoeneß so überschwänglich lobt.

Das Spiel der beiden Flügel ähnelt sich übrigens nur auf den ersten Blick. Beide sind wuchtig und schnell, haben aber unterschiedliche Stärken. Coman glänzt vor allem im Dribbling. Vier erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten zeigt die Statistik des Franzosen. Ein Wert, der in der Tat an die Hochzeit von Robben und Ribéry erinnert. Aktuell hat nur Dortmunds Superstar Sancho bessere Daten.

Verbessern muss Coman weiter seine Effektivität in Tornähe, denn für die Vielzahl an Durchbrüchen zur Grundlinie und Strafraumaktionen sind acht direkte Torbeteiligungen in knapp 20 Spielen fast etwas wenig.

Bei Gnabry ist es umgekehrt. Der deutsche Nationalspieler muss im Dribbling noch effektiver werden, spielt dafür aber in Strafraumnähe seine enormen Qualitäten aus. Gnabry hat einen starken Abschluss, einen bemerkenswert guten Riecher im Strafraum und nimmt auch immer häufiger den Kopf hoch, um einen besser postierten Nebenmann zu finden.

Geben die Bayern ihren Jungstars genug Zeit?

Beide Flügelspieler sind noch unter 25 Jahre alt. Beide haben vermutlich noch sechs bis acht Jahre auf Top-Niveau vor sich, in denen sie weiter wachsen und ihr Spiel verfeinern können. Dass noch Luft nach oben da ist, zeigte sich zum Beispiel in der Champions League, in der beide in dieser Saison Schwierigkeiten hatten ihre starken nationalen Auftritte zu wiederholen.

Es wichtig, dass das Trainerteam gezielt mit ihnen arbeitet - so wie das in der letzten Saison Jupp Heynckes und Peter Hermann mit Kingsley Coman exerziert hatten. Seinen Leistungssprung verband er eng mit der individuellen Arbeit der Coaches, die sein Spiel in dieser Zeit auf die nächste Stufe hoben.

Die große Frage ist nun wie die Bayern weiter auf dem Flügel planen. Natürlich ist die Verlockung groß nach den teuren Investitionen in der Defensive auch im Angriff nachzulegen. Mit Timo Werner, der grundsätzlich ebenfalls auf dem Flügel agieren kann, scheint man bereits sehr weit zu sein. Das Interesse an weiteren Jungstars wie Callum Hudson-Odoi oder Nicolas Pépé ist breit dokumentiert.

Doch die Bayern sollten auch erkennen, was sie an Coman und Gnabry haben und ihnen im nun anstehenden Neuaufbau durchaus die Zeit geben sich weiterzuentwickeln. Dafür müssen sie weiter regelmäßig spielen und sich vor allem in der Champions League mit den besten Defensivreihen Europas messen.

Denn das sind in Wahrheit die Fußstapfen, die Robben und Ribéry in München hinterlassen. Der FC Bayern braucht Flügelspieler, die auf allerhöchstem Niveau den Unterschied machen. Gnabry und Coman sind auf einem guten Weg, aber sie müssen zeigen, dass sie nicht nur gegen Eggestein, Klaassen oder Rachica ein Stadion zum Raunen bringen, sondern auch gegen van Dijk, de Ligt oder Jordi Alba. Erst dann ist die Nachfolge von Robben und Ribéry geregelt.

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