Obwohl die Dreierkette gegen die Ukraine als gescheitertes Experiment bezeichnet werden muss, will Bundestrainer Hansi Flick weiter an diesem System festhalten. Man habe einen Plan - aber wird dieser auch aufgehen?

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Hansi Flick klopfte Antonio Rüdiger dreimal auf den Bauch, doch der Versuch der Aufmunterung prallte an dem tief enttäuschten Abwehrchef ab. "Wir schenken dem Gegner alle Tore", klagte der grimmig dreinblickende Rüdiger nach den Frusterlebnissen beim 3:3 (1:2) gegen die Ukraine: "Diese Fehler tun weh."

Auch Flick schmerzten die teils slapstickartigen Gegentreffer. Sein Experiment mit der Dreierkette ist im Bremer Weserstadion krachend gescheitert. Der Bundestrainer will dennoch auch in den Spielen in Polen am Freitag (20.45 Uhr/ARD) und gegen Kolumbien (20. Juni) an ihr festhalten. "Wir haben einen Plan, was das Ganze betrifft, das werden wir weiterhin durchziehen", versicherte Flick fast schon trotzig. Es seien schließlich Automatismen, die Spiele und Training bräuchten. Daran werde man arbeiten.

Unerklärliche Aussetzer in der Defensive

Ein Jahr vor Beginn der Heim-EM ist viel Arbeit notwendig, um die löchrige Defensive zu stabilisieren. Der Weltranglisten-30. düpierte mit Pässen in die Schnittstellen immer wieder die deutsche Hintermannschaft und profitierte von unerklärlichen Aussetzern.

Beim Ausgleich war die Abwehr mit Rüdiger, Matthias Ginter und Nico Schlotterbeck nach einem Fehlpass von Julian Brandt unsortiert. Vor dem 1:2 verlor erst David Raum den Ball, und der völlig indisponierte Schlotterbeck ließ sich überlaufen, am Ende der Fehlerkette lenkte Rüdiger den Ball ins eigene Tor. Vor dem dritten Treffer der Gäste verstolperte Ginter den Ball im eigenen Strafraum stümperhaft.

"Ob mit Fünfer- oder Viererkette, die Fehler dürfen wir nicht machen. Wir kriegen aus einfachen Mitteln des Gegners Gegentore", schimpfte Kapitän Joshua Kimmich und lag damit goldrichtig. In den vergangenen 14 Spielen blieb die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nur zweimal ohne Gegentor - gegen den Oman und Peru. Schon im März bei der Niederlage gegen Belgien (2:3) wackelte die Viererkette bedenklich.

"Eine Abwehr wie im Freibad", schrieb die Süddeutsche Zeitung nach dem Auftritt neben dem Bremer Stadionbad. Flick stellte im Verlauf der zweiten Halbzeit auf eine Viererkette um, doch mit Blick auf das große Ziel 2024 brauche er halt "noch ein anderes System, das wir spielen können".

Völler sieht kein taktisches Problem

Für Rudi Völler war es ohnehin kein taktisches Problem. "Unabhängig vom System ist das Wichtigste: Wir müssen kompromissloser und fokussierter sein in den Zweikämpfen", sagte der DFB-Sportdirektor dem SID am Dienstag und traf damit den Nerv der Spieler. Rüdiger vermisste im ARD-Interview "die Hingabe. Das Ding ist mangelnde Konzentration."

Diese Mängelliste gab es aber schon unter Flicks Vorgänger Joachim Löw. Flick hat bisher kein Mittel gefunden, um sie zu beheben. Vor dem Länderspiel-Dreierpack richtete er mahnende Worte an Niklas Süle und verzichtete auf ihn. Schlechter hätte es mit dem Dortmunder am Montagabend auch nicht laufen können.

Niclas Füllkrug hat derweil eine eigene Sicht auf die Dinge. "Wenn diese kleinen unglücklichen Dinge nicht passieren", führte der Torjäger nach seinem Heimspiel aus, "dann standen wir gut". Auch das konnte Antonio Rüdiger nicht aufheitern. (sid/ska)

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