- Der DFB hat bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer zwar viel Zeit, aber trotzdem einige Probleme.
- Es gibt genug Kandidaten, die Optimallösung scheint aber nicht dabei. Eine Bestandsaufnahme.
Der Deutsche Fußball-Bund hat ein Problem. Nun, streng genommen hat er mehr als ein Problem und das auch nicht erst seit Dienstag. Aber mit dem angekündigten Rücktritt von Bundestrainer Joachim Löw nach der EM im Sommer - so sie denn stattfinden wird - beginnt von nun an die Suche nach einem Nachfolger. Man sollte meinen, dass der größte Sportfachverband der Welt in der Lage sein müsste, diese zugegeben heikle Aufgabe seriös zu erledigen.
Wenn man aber den Gesamtzustand des DFB der letzten Wochen und Monate zugrunde legt und das Durcheinander in der Otto-Fleck-Schneise, könnte sich die Fahndung zu einer brisanten Mission entwickeln. Das Vertrauen in die Entscheidungsträger, die sich zuletzt alle gegenseitig wund geschossen hatten, dürfte so gering wie schon lange nicht mehr sein.
Löw-Nachfolger: Jürgen Klopp mit der ersten Absage
Immerhin ist der Kreis der möglichen Kandidaten einigermaßen überschaubar und einer davon hat sich sogleich am Dienstag schon aus dem Rennen verabschiedet, noch ehe es richtig beginnen konnte.
"Ich habe noch drei Jahre Vertrag im Sommer", erklärte Klopp. "Ich hatte auch bei Mainz Verträge und habe sie immer eingehalten, obwohl es Anfragen von Bundesligisten mit mehr Renommee und mehr Geld gab. Alles im Leben ist Timing und wenn es nicht passt, muss man sich nicht aufregen." Er sei aber sicher, dass der DFB "eine gute Lösung finden wird, schließlich gibt es so viele gute deutsche Trainer". Die meisten von ihnen stehen allerdings bei Klubs im In- und Ausland in Lohn und Brot, das hatte Klopp offenbar ganz vergessen, zu erwähnen.
Nur Außenseiterchance für Sorg
Marcus Sorg ist beim DFB angestellt und zufälligerweise Co-Trainer von Löw. Und dass der Co-Trainer irgendwann dem Cheftrainer nachfolgt, ist zwar keine rein deutsche Erfindung - aber eine, mit der der DFB schon ein paar Mal ganz ordentlich gefahren ist. Sepp Herberger folgte auf Otto Nerz, Helmut Schön folgte auf Herberger, Jupp Derwall folgte auf Schön und dessen Assistent Erich Ribbeck mit einiger Verzögerung wiederum auf Derwall. Und nach dem Sommermärchen übernahm dann Löw von
Das wäre für die hohen Herren vom Verband wohl die eleganteste Lösung, den Co-Trainer einfach zu befördern. Aber Sorg hat im deutschen Fußball bisher zu wenig vorzuweisen. Die überwiegende Trainerzeit verbrachte Sorg entweder bei Amateurvereinen oder im Nachwuchsbereich von Profiklubs. Das einzige Engagement in der Bundesliga, als Cheftrainer beim SC Freiburg, endete bereits nach 18 Spielen. Später sollte er die deutsche U21 übernehmen, rutschte aber gleich eine Stufe höher und wurde Löw-Assistent.
Aber obwohl Sorg seit bald fünf Jahren bei der A-Nationalmannschaft arbeitet, alle Spieler und die Mitarbeiter kennt, dürften seine Chancen auf eine Beförderung sehr gering sein. Dafür fehlt es dem 55-Jährigen intern an Reputation und Standing. Und die mutmaßliche Konkurrenz besitzt deutlich klangvollere Namen.
U21-Coach Kuntz wäre eine naheliegende Lösung
Kuntz mag keiner dieser sogenannten Laptop-Trainer sein, aber er beweist bei der U21 immer wieder ein Geschick im Umgang mit seinen Spielern und gilt mit seiner einnehmenden Art als integrativer Typ - der viele jener Akteure, die in den kommenden Jahren den Umschwung einleiten sollen, schon aus der U21 kennt. Kuntz' Chancen stehen nicht schlecht und er hat den Vorteil, dass er als gut vernetzter Angestellter auch kleinere Strömungen im Verband sofort erkennen und darauf reagieren könnte - so er sich den Job als Bundestrainer denn überhaupt vorstellen kann.
Vom Fernsehen wieder auf den Platz?
Allerdings befähigen 150 Länderspiele nicht automatisch dazu, Trainer der deutschen Nationalmannschaft zu werden. Und Matthäus ist mittlerweile seit rund zehn Jahren raus aus dem Trainerjob und er selbst macht auch keine Anstalten, daran etwas zu ändern. Die Chancen dürften also eher gering sein - weil parallel zur Matthäus-Schein-Debatte auch zwei echte Schwergewichte im Rennen sind.
Rangnick als neuer Reformer?
Allerdings wäre Rangnick auch ein unbequemer Geist. Der 62-Jährige hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, geht gerne auch auf Konfrontationskurs und spricht unangenehme Dinge offen und ehrlich an. Das wäre so ein wenig die Klinsmann-Lösung von 2004, der beim DFB in der Rückschau tatsächlich ziemlich viele Steine umgedreht hat.
Von Rangnick wäre wohl ähnliches zu erwarten, weshalb sich in dieser Personalie die Grundsatzfrage stellt: Will der DFB lediglich einen neuen Bundestrainer, der sich fast ausschließlich um das Wohl und Wehe der A-Nationalmannschaft kümmert oder eine Art Reformer, der sich auch um die Dinge im Hintergrund kümmert oder wenigstens mitspricht: um den Unterbau, die Nachwuchsmannschaften, die Trainerausbildung?
Das Problem mit Hansi Flick
Damit kennt sich Hansi Flick schon bestens aus. Als langjähriger Weggefährte von Löw und späterer DFB-Sportdirektor kennt Flick den DFB wie kaum ein anderer. Das überragende Jahr beim FC Bayern mit sechs Titeln machte Flick beinahe zum Welttrainer des Jahres, seine Reputation ist auch bei Nicht-Bayern-Fans enorm. Ein Akzeptanzproblem hätten sowohl Flick als auch der DFB also eher nicht. "Ich wäre verrückt, wenn ich das ausschließen würde", sagte Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff schon im Gespräch mit der "SportBild".
Flick hätte man sich bereits 2014 als Löw-Nachfolger vorstellen können - nur damals wollte der Bundestrainer nach seinem größten Triumph eben nicht abtreten. Sieben Jahre und etliche Erfolge mit Deutschlands wichtigster Klubmannschaft später wäre Flick nun für eine Nachfolge mit Verzögerung für viele Experten die beste aller Lösungen. Allerdings hat Flick beim FC Bayern einen Vertrag bis 2023 unterschrieben und die Bosse in München machten trotz aller angeblichen Avancen schon in den letzten Wochen keine Anstalten, Flick eine Tür zu öffnen.
"Wir werden nicht die Probleme des DFB lösen. Und wenn ich ehrlich bin: Wäre ich Trainer und sollte vom Arbeitgeber FC Bayern zum Arbeitgeber DFB wechseln, würde mir das lediglich ein Schmunzeln entlocken", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im Interview mit "Sport1" im Februar. Jetzt liegt das Problem für den Verband ganz konkret vor - von den Bayern ist in der Bundestrainer-Frage aber offenbar keine Hilfe zu erwarten.
Verwendete Quellen:
- SR Sportarena: Interview mit Stefan Kuntz
- sport1.de: Rummenigge gibt Flick-Versprechen
- sportbild.de: Bierhoff über EM, fehlende Talente und Trainer-Kandidaten
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