Die USA, Kanada und Mexiko galten als turmhoher Favorit gegen das kleine Marokko. Wenige Tage vor der Vergabe der Weltmeisterschaft 2026 ist das Rennen aber völlig offen - und schon längst wieder zu einem Schmierentheater geworden. Mit der FIFA, Präsident Gianni Infantino und Donald Trump in den Hauptrollen.

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Wenn sich der mächtigste Mann der Welt einschaltet - wie will man da noch eine Chance haben? Im Ring stehen sich gegenüber: Marokko, 450.000 Quadratkilometer groß, 36 Millionen Einwohner gegen die Allianz aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Mexiko, quasi die Großregion Nordamerika mit knapp 22 Millionen Quadratkilometern Fläche und rund 500 Millionen Einwohnern.

Ein kleines nordafrikanisches Land ohne Lobby gegen zwei der reichsten Industrienationen der Welt und einem Land, das geradezu prädestiniert dafür scheint, eine Fußball-Weltmeisterschaft auszutragen.

Wenn der David-gegen-Goliath-Vergleich irgendwo zulässig ist, dann in dieser brisanten Konstellation. Im Wettrennen um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2026 stehen sich Marokko und das Bündnis aus Nordamerika gegenüber.

Als das Bieten und Feilschen begann, da war Marokko der glasklare Außenseiter und es blieb nur die Frage, mit welcher Mehrheit sich die USA, Kanada und Mexiko am Ende durchsetzen würden.

Die Mitgliedsverbände stimmen ab

Nun sind einige Jahre vergangen und in wenigen Tagen steht die Entscheidung an: Dann nämlich, wenn am 13. Juni in Moskau die 207 stimmberechtigen Mitgliedsverbände der FIFA über den Austragungsort in acht Jahren abstimmen werden.

Es ist jede Menge passiert seit dem Startschuss der Bewerbungsphase. Der Fußball-Weltverband wird zum Beispiel nicht mehr von Joseph Blatter, sondern von Gianni Infantino geführt. In den USA ist nicht mehr Barack Obama Präsident, sondern Donald Trump. Der mächtigste Sportverband der Welt und die mächtigste Nation der Welt haben ihre Anführer ausgetauscht.

Vor ein paar Wochen hat sich Donald Trump in den Wahlkampf eingeschaltet. Und wie man den US-Präsidenten kennt, mit ein paar deftigen Worten.

"Es wäre eine Schande, wenn Länder, die wir immer unterstützen, nun Lobbyarbeit gegen uns leisteten. Warum sollten wir diese Länder unterstützen, wenn sie uns nicht unterstützen?", ließ Trump alle Welt wissen, dass die USA die Unterstützung afrikanischer Staaten für den Gegner Marokko nicht nur entschieden missbilligen, sondern im Zweifel auch mit Sanktionen belegen werden.

Man muss Trump wohl alles zutrauen, auch härtere Maßnahmen gegen unliebsame Mitbewerber. Die USA orakeln über Einreiseverbote für Staatsbürger jener Länder, die sich offen für Marokko aussprechen.

Handelszölle erscheinen mal wieder ein probates Mittel, ebenso wie die Kürzung von Entwicklungshilfen oder Embargos. Trump würde Maßnahmen wie diese wohl sanften Druck nennen - nüchtern betrachtet sind sie aber nichts anderes als Erpressung.

Infantino schuldet den USA noch etwas

Die Kombination aus Profilierungs- und Großmannssucht von Ländern und Verbänden führt einmal mehr dazu, dass es um die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft mal wieder heftige Diskussionen und offenbar auch die eine oder andere Intrige gibt.

FIFA-Boss Infantino wurde auch unter gütiger Mithilfe des US-Fußballverbands und dessen Präsidenten Sunil Gulati im Februar 2016 ins Amt gespült. Gulati bereitete Infantino den Weg durch exzellente Wahlhilfe.

Diese kleinen Gefälligkeiten sollen nun zurückgezahlt werden, weshalb Infantino ganz offen dafür wirbt, den Zuschlag den USA, Kanada und Mexiko zu geben. Und nicht Marokko.

Und weil es am Ende nicht die Schweizer Staatsanwaltschaft war oder die Behörden in der Europäischen Union, die Vorgänger Blatter aus dem Amt nehmen konnten, sondern die US-Behörde FBI mit ihren Ermittlungen, hat auch Trump als amtierender Präsident quasi noch einen gut bei Infantino und seiner FIFA.

Trump wird zu einem Problem

Lange schien Marokko als Herausforderer keine echte Hürde. Aber mit zunehmender Zeit wandten sich immer mehr Verbände von den großen Favoriten ab, Trump tat mit seiner Polemik das Übrige dazu.

Das Zitat von den "shithole countries" hat nicht nur Nationen in Afrika auf die Barrikaden gebracht, auch einige gewichtige europäische Verbände haben ihren Schulterschluss mit Marokko angedeutet, zuletzt waren dies Belgien, Frankreich und Russland.

Trumps Rhetorik ist zu einem großen Problem für die FIFA geworden. In Moskau stimmt erstmals in der Geschichte der WM-Vergabe nicht mehr ein elitärer Zirkel ausgewählter, korruptionsverdächtiger FIFA-Größen ab, sondern jeder noch so kleine Verband der Generalversammlung hat eine Stimme. Die Vielzahl davon fühlt sich durch den Ausdruck "Dreckloch-Staat" zu recht diffamiert und mittlerweile bereit, es den USA und Trump heimzuzahlen.

Der hat sich mit seinen Strafzöllen gegen Kanada und den angedeuteten Milliardenkosten für die Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko bei beiden Mitstreitern unbeliebt gemacht. Dazu sorgt die Aussicht, 60 der insgesamt 80 WM-Spiele in den USA auszutragen, bei der Fußballnation Mexiko für größte Empörung.

Bauerntricks der FIFA

Als im Frühjahr absehbar war, dass Marokko die Nase sogar vorn haben könnte, wurde es hektisch bei der FIFA. Eilig erfanden die bauernschlauen Köpfe in der Schweiz eine Taskforce, die sich die Gegebenheiten der Bewerber vor Ort noch einmal genauer anschauen sollte. Die Kriterien wurden dann flugs noch einmal angepasst und Marokko erst wenige Stunden vor Ende der Bewerbungsfrist mitgeteilt.

Unter anderem hieß da, die Flughäfen des WM-Organisators müssten 60 Millionen Passagiere jährlich abfertigen, die Strecke zwischen Austragungsort und Flughafen dürfe eineinhalb Stunden nicht überschreiten und die Austragungsstädte müssten mindestens 250.000 Einwohner haben.

Für drei der marokkanischen Städte ein sofortiges Ausschlusskriterium. Zudem sollte die für eine Bewerbung erforderliche Mindestzahl an bereits vorhandenen Spielstätten der Güteklasse A von vier auf sechs erhöhen werden. Marokko hat bislang fünf solcher Stadien vorzuweisen.

Konkret hieße das für Marokko, das sich seit 1990 bereits zum fünften Mal für eine WM bewirbt: Mindestens 13 Milliarden Euro an neuen Investitionen, sieben neue Stadien für die erste WM mit 48 Mannschaften und zusätzlich 30.000 neue Hotelzimmer.

Eine kaum zu stemmende Aufgabe für ein Land, das wahrlich andere Probleme hat: Die hohe Arbeitslosigkeit und ein kaum mehr funktionierendes Bildungs- und Gesundheitssystem zum Beispiel.

"So fair, objektiv und transparent wie möglich"

Natürlich bestand die Taskforce ausschließlich aus Infantino-Getreuen, zwischenzeitlich wurde auch das Gerücht gestreut, die Generalsekretärin der Ethikkommission, Fatma Samoura aus dem Senegal, habe ein nicht publik gemachtes verwandtschaftliches Verhältnisses mit dem früheren Profi El Hadji Diuof, der als Botschafter für die WM-Bewerbung Marokkos arbeitet - das wäre natürlich ein Interessenkonflikt. So jedenfalls hatte es die englische "BBC" recherchiert.

Samoura wies die Vorwürfe als "lächerlich" und "haltlos" zurück. "El Hadji Diouf ist kein Mitglied meiner Familie, und damit ist alles geklärt. Es gibt keinen Grund für weitere Diskussionen", sagte sie der "DPA".

Die FIFA reagierte wie nicht anders zu erwarten: "Diffamierende Anschuldigungen sind nicht akzeptabel, besonders, wenn sie mitten in einem Bewerbungsverfahren geäußert werden, wenn Ruhe, Verantwortungsgefühl und Respekt herrschen sollten."

Der WM-Vergabeprozess ist so "fair, objektiv und transparent wie möglich". Die Sache ist damit offiziell längst wieder beendet, wie immer in solchen Angelegenheiten bleibt aber ein Fleck auf der weißen Weste, in diesem Fall die angebliche Klüngelei zwischen Marokko und einer hochrangigen FIFA-Angestellten.

Es gibt Vor- und Nachteile beider Bewerbungen. Die USA, Kanada und Mexiko könnten schon morgen eine WM austragen, ohne den ganz großen infrastrukturellen Aufwand und in Stadien, die dem Pomp und Glanz der FIFA entsprächen. Marokko punktet dagegen mit kurzen Reisen zwischen den Spielorten, zudem gäbe es keine Visapflicht für die Fans.

Derzeit scheint wirklich alles möglich. Dass die USA, Kanada und Mexiko sowie Infantino von der Macht der kleinen Verbände abgestraft werden und Marokko den Zuschlag erhält - oder eben, dass sich am Ende doch der Favorit durchsetzt.

Das Zünglein könnte tatsächlich Donald Trump werden. Noch sind es ein paar Tage hin bis zur Entscheidung und jede Menge Zeit, via Twitter einzugreifen. In welche Richtung auch immer.


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