Deutschland schlägt den vermeintlich stärksten Gegner Tschechien in der WM-Qualifikation leicht und locker und wird in dieser Form problemlos das Ticket für Russland lösen. Joachim Löw freut sich nicht nur über den Sieg und sein offensivstarkes Verteidiger-Duo - sondern auch über den Lerneffekt seiner Mannschaft.

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Es muss schon etwas Besonderes passieren, wenn das eher als spröde bekannte Hamburger Nationalmannschaftspublikum unverrichteter Dinge plötzlich die La Ola losschickt. Deutschland hatte soeben das 3:0 gegen Tschechien erzielt und die Leute im Stadion ließen sich auch nicht von der bräsigen Tormusik die gute Laune verderben. Also: La Ola.

Deutschlands 3:0 (1:0) gegen Tschechien war eine willkommene Abwechslung für den Großteil der 51.000 Zuschauer im Volkspark, für gewöhnlich müht sich in diesem Stadion ja der Hamburger SV ab und scheitert häufiger mal an seinen Aufgaben.

An der tschechischen Nationalmannschaft als Gegner hätte aber wohl auch der HSV seine helle Freude gehabt. Das Team des neuen Trainers Karel Jarolim bestätigte die schlimmsten Befürchtungen, die man haben musste, wenn man es ein wenig mit den Tschechen hält oder sich zumindest an erfolgreichere Zeiten erinnert.

Deutschlands Gegner war an diesem Abend nicht wettbewerbsfähig, spielte wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen und in der ersten Halbzeit mit einem Defensivkonzept, das phasenweise einem sportlichen Selbstmord gleichkam.

Aserbaidschan als schärfster Gegner?

Es soll die starke Leistung der deutschen Mannschaft nicht schmälern, aber es hilft bei der Einordnung doch sehr, wenn man sich die begrenzten Möglichkeiten des Gegners noch einmal vor Augen führt. Das Problem bei dieser Qualifikationskampagne ist aber, dass in der deutschen Gruppe C fast nur Kontrahenten dieses Kaliberchens auftauchen.

Auftaktgegner Norwegen war bereits kein Prüfstein, am Samstag überrollte Deutschland die bemitleidenswerten Tschechen. Nordirland wäre dann noch da, immerhin ein EM-Teilnehmer. Die mühten sich gegen die Freizeitkicker aus San Marino lange, ehe am Ende doch noch ein ordentlicher Sieg stand und dürfen sich am Dienstag in Hannover mit der deutschen Mannschaft messen. So erscheint derzeit die Fußball-Großmacht Aserbaidschan als hartnäckigster Gegner, die Nummer 133 der Weltrangliste.

Natürlich kann sich das alles noch ändern. Wenn bei den Tschechen ein paar der verletzten Spieler zurückkommen und die Mannschaft wieder durchdachten Fußball spielt, wenn Norwegen - das auch gegen Aserbaidschan verloren hat - auf wundersame Weise seine Auferstehung feiert. Oder wenn die Nordiren demnächst einen Punkt klauen sollten. Sehr wahrscheinlich erscheint das alles nicht.

Wahrscheinlicher ist es da schon, dass Deutschland gefühlt schon mit anderthalb Beinen für die WM qualifiziert ist - aber eben noch ein ganzes Jahr und acht weitere Spiele warten muss, bis die Sache auch spruchreif ist. Die WM-Qualifikation kommt für die DFB-Auswahl daher wie eine Champions-League-Gruppenphase für den FC Bayern. Als Aufgalopp, der nun einmal absolviert werden muss.

Müller trifft wieder im DFB-Dress

Also konzentriert man sich auf die kleinen Dinge. Dass sich Manuel Neuer den Ball aus Versehen selbst ins Gesicht schießt. Oder dass Thomas Müller im zweiten Spiel in Folge einen Doppelpack schnürt. Selbst für den Müller, der beim DFB schon fast alles geschafft hat, ist das ein Novum. Zumal, wenn man sich seine Null-Tore-Statistik bei den Bayern in der noch jungen Saison als Vergleich anschaut. Und dass der Bayer immer noch die alten Schienbeinschützer von Lukas Podolski aufträgt.

Oder aber, wie ein Fußballspiel auf höchstem Niveau fast 60 Minuten lang von zwei Innenverteidigern dominiert wurde. Jerome Boateng und Mats Hummels nutzten die teilweise grotesk schlechten Abläufe im tschechischen Pressing für einen Regen an Diagonal- und Schnittstellenbällen, sogar Ausflüge mit dem Ball am Fuß bis an und in den gegnerischen Strafraum gab es zu sehen.

464 überspielte Gegner wurden am Ende notiert, die meisten davon gingen auf das Konto von Boateng und Hummels. Das erinnerte an selige Zeiten von Franz Beckenbauer oder Lothar Matthäus, als beide noch als Libero unterwegs waren.

"In der Spielauslösung waren wir heute sehr, sehr gut. Wir wussten, dass wenn wir das gut machen und unsere Raumaufteilung stimmt, können wir den Gegner mit Diagonalbälle aufreißen. Die Tschechen haben sich immer im Zentrum zusammengeschlossen", erklärte Joachim Löw. "So war der Gegner nach 60 Minuten totgelaufen und hatte keine Chance mehr."

Aus der EM gelernt

Ungeachtet der Qualität der bisherigen zwei Gegner kann Löw mit der neuen Saison bisher zufrieden sein. Erstens ist seine Mannschaft in den Pflichtspielen voll da. Das war in den Monaten nach dem WM-Triumph vor zwei Jahren noch anders, Deutschland musste damals einige empfindliche Rückschläge hinnehmen und hatte in den letzten Spielen sogar so etwas wie richtigen Qualifikationsdruck.

Und zweitens setzt sein Team bisher genau jene Teildisziplinen um, die bei der EM als Schwachpunkte identifiziert und unbedingt als reformbedürftig eingestuft wurden. Das schnelle Umschalten nach Ballgewinn zum Beispiel. "Das war in einigen Spielen damals so, dass wir in diesen Momenten nicht entschlossen nachgegangen sind. Das haben wir bisher besser gemacht, wir sind immer wieder in die Tiefe gegangen." So wie beim 1:0 durch Müller.

Lediglich bei der Chancenverwertung ist noch Luft nach oben. Die Fans im Stadion waren aber auch so sehr angetan, am Ende sang das ausgehungerte Hamburger Publikum "... so was hat man lange nicht gesehen." Was auf sehr spezielle Weise auch wieder ziemlich doppeldeutig war.

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