Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" die Folgen von Angela Merkels Teilrückzug. Der Schlagabtausch des Abends lässt für die Zukunft der GroKo nichts Gutes hoffen. Und dann setzt SPD-Vize Ralf Stegner dem Bündnis auch noch eine überraschend kurze Gnadenfrist.

Eine Kritik

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Was erleben wir da eigentlich gerade? Den geregelten Übergang von der Ära Merkel zu einer Phase der Erneuerung in Union und Kanzleramt? Oder doch schon die letzten Zuckungen einer Groko, die auch ihre Führungsfigur zermürbt hat?

Der launige Montagabend mit Frank Plasberg und seinen Gästen bei "Hart aber fair" lässt eher darauf schließen, dass die Bundeskanzlerin nicht wie angepeilt bis 2021 im Amt bleiben kann. Zu deutlich lassen die Vertreter von SPD und Union ihre Ungeduld und ihre gegenseitige Abneigung spüren - und eine gewisse Vorfreude auf das Ende der ewigen Kanzlerin durchs Studio wehen.

Das war das Thema

Irgendwas mit Merkel musste das Thema sein, das war klar nach der Nachricht, die am Vormittag die Berliner Republik erschüttert hatte: Die Bundeskanzlerin wird sich nicht wie angekündigt im Dezember erneut um den Vorsitz der CDU bewerben. Nach 18 Jahren ist Schluss. Bei der nächsten Bundestagswahl will sie nicht mehr kandidieren, ihre vierte wird also ihre letzte Amtszeit sein.

"Merkels Teilrückzug: Was gerät jetzt noch ins Rutschen?", fragte Moderator Frank Plasberg seine Gäste etwas rätselhaft. Der Dax war es jedenfalls nicht, er legte leicht zu. Wahrscheinlich war einfach den Redakteuren das Herz in die Hose gerutscht, weil sie kurzfristig umplanen mussten und partout keinen treffenderen Titel fanden.

Diese Gäste diskutierten mit Frank Plasberg

Ralf Stegner muss erleichtert gewesen sein. Eingeladen war er eigentlich für das Thema Abstieg der Volksparteien, aber Merkels Ankündigung rettete den SPD-Vize.

Statt lang und breit die Misere seiner Sozialdemokraten sezieren zu müssen, durfte Stegner über Horst Seehofer schimpfen und die Schuld an den schlechten Ergebnissen seiner Partei einfach wie gehabt auf die Union schieben.

Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, ließ sich davon nicht die gute Laune verderben, die er so demonstrativ vor sich hertrug, dass man jeden Moment damit rechnen konnte, dass er aufs Pult steigt und Hermann Hesse zitiert: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Auch, wenn es ja erst der Anfang vom Ende der Ära Merkel ist. Zurücktreten als Kanzlerin solle diese nämlich nicht, "das wäre unverantwortlich". Aber es sei auf jeden Fall "ein guter Tag für die CDU", sagte Ziemiak. "Wir haben Lust auf Debatte und die Frage, wie wir die Partei jetzt aufstellen."

Dem Alpha-Journalisten Robin Alexander von der "Welt" kann Merkels Nachfolger nicht konservativ genug sein. Spahn zählt er nicht zu dieser Kategorie, weil der mit einem Mann verheiratet ist. Friedrich Merz ordnet er eher unter "neoliberal" ein. Am ehestens entspricht noch Annegret "Die Ehe ist eine Gemeinschaft von Mann und Frau" Kramp-Karrenbauer seiner Definition von konservativ. "Wobei alle drei mehr für die CDU stehen als Merkel."

Noch ein paar Namen mehr in die Debatte warf der ehemalige Sportreporter Werner Hansch, und zwar so gut wie alle, die ihm so einfielen: Wolfgang Bosbach etwa und - kein Scherz - Christian Wulff. "Und einen haben wir noch vergessen: Norbert Röttgen."

Paul Ziemiak musste sich ein Lachen verkneifen und tatsächlich fasst das den Auftritt von Hansch ganz gut zusammen: wenig Erhellendes, viel Erheiterndes. Aber mal im Ernst: Was genau befähigt diesen Mann, in dieser Runde zu sitzen? Vielleicht die Liebe zum Pferdesport, die er mit SPD-Chefin Andrea Nahles teilt.

Plasberg gab einen kleinen Hinweis: Hansch, Geburtsjahr 1938, sei der einzige Gast, der alle Bundeskanzler der Republik miterlebt hat. "Ich hoffe, sie nehmen es als Kompliment." - "Ja, sicher."

Immerhin erkannte Hansch mit seinem Sportreporter-Spürsinn ein zentrales Talent von Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Statt der verbrauchten Gesichter wie dem Angela Merkels brauche es "Menschen, die neu sind, die schnell sprechen ...".

Annalena Baerbock redete denn auch schnell und viel und lieferte dabei eine interessante Begründung, warum sie sich gegen das Label "Volkspartei" wehrt: "Wir wollen nicht unsere Ecken und Kanten abschleifen. Wir wollen klare Werte und Inhalte vertreten."

Das war der Schlagabtausch des Abends

Wie man sich wohl die Stimmung so vorstellen muss beim nächsten Koalitionsausschuss? Wenn jemand auf die Idee kommen sollte, Ralf Stegner und Paul Ziemiak nebeneinander zu setzen: mäßig. Sehr mäßig.

Grumpy-Cat-Doppelgänger Stegner ertrug den ersten Angriff ("Von der SPD können wir uns gar nix abgucken.") von CDU-Youngster Paul Ziemiak noch mit beharrlichem Schweigen.

Als Ziemiak dann polterte, angesichts der Merkel-Nachfolgekandidaten sei er froh, dass er in der Union sei, "die SPD hat nur Nahles und Stegner", führte der SPD-Vize vor, was er besser kann als Angela Merkel: Er kann seine Mundwinkel noch weiter nach unten ziehen als die Kanzlerin. "Das war ja richtig witzig", blaffte er seinen jungen Kollegen an, der wie jeder gute Comedian noch einen auf Lager hatte:

"Sie sind ein unglaublicher Pessimist, reden sie doch mal positiv über die Erfolge der SPD!" -"Machen wir doch, aber man muss auch einen Partner in der Koalition haben, der einigermaßen professionell ist. Das vermisse ich bei der Union."

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Absolute Objektivität im Journalismus ist eine Mär. Es gibt sie nicht und es kann sie nicht geben. Aber Mühe man sich schon geben, zumal als Moderator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Frank Plasberg aber raste so aufgekratzt in die Sendung, man hätte sich nicht gewundert, wäre ihm ein "Merkel muss doch weg?!" entfahren.

Minutenlang unterstellte er, dass auf das Ende als CDU-Vorsitzende auch das Ende der Kanzlerschaft folgen müsse und auch sonst versteckte er seine Sehnsucht nach einem Wechsel an der Spitze des Landes nur halbherzig.

Einen kurzen Schlagabtausch mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock nutzte er für einen Abstecher zu seinem Lieblingsthema: Ob die Grünen denn auch endlich ihre Zustimmung geben wollten, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären zu lassen?

Baerbock erdreistete sich, auf die dahingeschluderte Suggestivfrage eine ausführliche Antwort zu geben, die der Komplexität des Themas angemessen ist. Die Folge: Allgemeine Unruhe in der Runde ("Sollen wir uns einen Kaffee holen", fragte Paul Ziemiak) und bei Plasberg, der es sich ab sofort zur Aufgabe machte, Baerbock nur noch Antworten in Hauptsätzen durchgehen zu lassen und sie spüren zu lassen, dass er lieber mit Robert Habeck geredet hätte. "Wir stellen fest: Die Grünen sind gar nicht so cremig."

Das sind die Erkenntnisse

Und, wer war überrascht von Merkels Entscheidung, fragte Oberlehrer Plasberg zu Beginn der Sendung in die Runde. Sofort schnellte Paul Ziemiaks Finger in die Luft. Alter Streberreflex. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer will ja nichts geahnt haben, was darauf hindeutet: Angela Merkel hat ihren Rückzug kurzfristig beschlossen, auch wenn sie dabei "ein Getriebener der eigenen Leute" war, wie Insider Robin Alexander vermutet.

Ob sie tatsächlich die volle Legislaturperiode als Kanzlerin absolviert, entscheidet sich im Kampf um ihre Nachfolge, vermutet Alexander. Wenn ihre Gefolgsfrau Kramp-Karrenbauer den Vorsitz übernimmt, könne Merkel weiter Druck auf Abgeordnete machen. Falls nicht, setze der "Lame-Duck"-Effekt ein. "Dann ergibt die Kanzlerschaft keinen Sinn mehr."

Neben Ziemiak-Buddy Jens Spahn, Kramp-Karrenbauer und Merz diskutiert die Runde auch den Namen Armin Laschet, der so eine Art Dark Horse in dem Rennen ist. Er hätte die meisten Delegierten beim Parteitag hinter sich, sagt Alexander. "Und er hat nicht alle Brücken zur FDP abgefackelt wie Merkel."

Wenn Ralf Stegner wählen dürfte, würde er sich wohl für Jens Spahn entscheiden. "Der wäre ein Traumkandidat als Gegner", sagt der SPD-Vize, der auf einen "kernigen konservativen Vorsitzenden" hofft. "Wenn die großen Volksparteien sich unterscheiden, bleibt weniger Platz für die Rechten."

Die Vorlage ließ sich der Gastgeber nicht entgehen:"Wer sind denn diese Volksparteien?" Wieder so eine typisch flapsige Plasberg-Frage, auf die Stegner eine originelle Antwort findet: "Die, die es sein wollen." Schließlich suchten die Volksparteien einen Konsens für die gesamte Gesellschaft, während es sich "Klientelparteien" wie die Grünen in ihrer Nische gemütlich machen könnten.

Da war sich Stegner dann plötzlich einig mit CDU-Mann Paul Ziemiak. Eine Gemeinsamkeit, die zu spät kommen dürfte. Ungewohnt deutlich ließ Stegner erkennen, wie schlecht es um die Groko steht: Ob die Koalition noch zusammenarbeiten könne, müsse sich "in den nächsten Wochen" zeigen. Das Ende der Ära Merkel könnte also noch schneller kommen als gedacht.

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