AfD-Politiker Leif Erik Holm äußerte sich bei "Hart aber fair" zum SS-Zitat seines Parteikollegen Maximilian Krah – und erntete empörte Reaktionen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte Marie-Agnes-Strack-Zimmermann-Dinge: Die FDP-Frau beschimpfte einen anderen Gast als Putin-Versteher.

Eine Kritik
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Das war das Thema

Die Europawahlen stehen vor der Tür: Vom 6. bis zum 9. Juni stimmen die Bürger in den 27 EU-Staaten über das nächste Parlament ab. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) warnt, dass Europa "wie nie zuvor von Extremisten herausgefordert" wird. Wie passt es da zusammen, dass sich die Spitzenkandidatin der konservativen EVP wohl auch mit Unterstützung der italienischen Postfaschistin Giorgia Meloni ins Amt wählen lassen würde?

Bei "Hart aber fair" ging es außerdem um den umstrittenen AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das sich erstmals zur Wahl stellt, und die Ukraine-Politik der EU. Das Thema: "Kampf um Europa: Siegen die Populisten?"

Das waren die Gäste

  • Katarina Barley (SPD): Die Vizepräsidentin im Europäischen Parlament forderte eine weitere Unterstützung der Ukraine gegen Russland. "Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg". Das Ergebnis, wenn Waffenlieferungen eingestellt würden, wie es BSW und AfD fordern, wäre die Unterwerfung der Ukraine unter Russland, so Barley. Der AfD und anderen Populisten in Europa warf sie vor, "spalterisch" zu agieren. "Das ist das, was so gefährlich ist". Aber auch die konservative EVP bekam ihr Fett weg. "Sie haben Viktor Orban zehn Jahre gepampert." Eine Warnung an die Zusammenarbeit mit populistischen Kräften.
  • Julia Klöckner (CDU): Die CDU-Bundestagsabgeordnete lehnte eine Ausbildung ukrainischer Soldaten durch Bundeswehrsoldaten in der Ukraine ab. "Ich glaube nicht, dass es nötig ist." Aber Klöckner stellte zugleich klar: "Die Ukraine muss gewinnen." Auf Vorwürfe, dass ihre Parteikollegin Ursula von der Leyen mit der italienischen Postfaschistin Meloni zusammenarbeiten will, um noch einmal als Kommissionspräsidentin gewählt zu werden, bügelte Klöckner ab. Auf Argumente, dass Meloni den Rechtsstaat in Italien derzeit bedroht, ging die CDU-Frau überhaupt nicht ein. Machttaktisch vielleicht verständlich, aber inhaltlich trotzdem ganz schwach.
  • Anton Hofreiter (Grüne): Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag warf BSW-Politiker De Masi seinen Kurs gegenüber dem russischen Machthaber Wladimir Putin vor. "Damit, dass man ständig Schwäche signalisiert gegenüber Russland, sorgt er mit dafür, dass der Krieg eskaliert ist, sorgt er mit dafür, dass der Krieg länger läuft", warf er dem früheren Linken-Mitglied vor. "Die beiden, die immer vom Frieden reden (AfD-Mann Holm und De Masi – Anm. d. Red.), sorgen dafür, dass Putin weiter eskalieren kann und verlängern damit den Krieg." Zu einer robusten Diplomatie gehöre auch die robuste Unterstützung der Ukraine, so Hofreiter.
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Vorsitzende im Verteidigungsausschuss im Bundestag (FDP) sagte über den Ukraine-Krieg: "Wir wollen alle Frieden. Aber es kommt darauf an, wie die Lage objektiv ist." Und die verlangt ihrer Meinung nach weiter eine klare Unterstützung der Ukraine und eine wehrhafte Haltung gegenüber Putin. "Wenn wir das tun, werden wir auch dauerhaft Frieden haben." Auf EU-Ebene warnte Strack-Zimmermann vor einer möglichen Zusammenarbeit von der Leyens mit Rechtsaußen-Parteien.
  • Fabio De Masi: Dem BSW-Politiker ist es zuwider, dass Deutschland einer der größten Waffenexporteure der Welt ist. "Es gibt eine ganz große Koalition in Deutschland, die von der CDU bis im Prinzip zur AfD reicht, die die deutsche Hochrüstung befürwortet", sagte er. Von der Leyen sei als EU-Kommissionspräsidentin "nicht geeignet", so De Masi, der ihre mögliche Unterstützung durch Meloni scharf kritisierte. De Masi sprach sich außerdem für das Schließen von Steuerschlupflöchern für große Konzerne wie Amazon aus.
  • Leif Erik Holm: Der AfD-Bundestagsabgeordnete will in der Ukraine durch ein Ende der Waffenlieferungen "nicht weiter Öl hineingießen wie Anton Hofreiter oder Frau Strack-Zimmermann, die - mittlerweile gerichtlich attestiert - als Kriegstreiberin bezeichnet werden kann", so Holm. "Sie zündeln, Frau Strack-Zimmermann, Sie zündeln. Das ist für uns gefährlich. Davor haben die Bürger Angst in Deutschland. Sie haben Angst, dass der Krieg nach Deutschland kommt." Das jüngste SS-Zitat des AfD-Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah fand Holm "unglücklich". Holm nannte die SS zwar eine verbrecherische Organisation, die eine Blutspur durch Europa gezogen habe, wollte sich aber nicht darauf festnageln lassen, dass jedes SS-Mitglied ein Verbrecher gewesen sei – was zu empörten Reaktionen der anderen Gäste führte.
  • Gordon Repinski: Der Journalist und Chefredakteur des Nachrichtenportals "Politico" störte sich daran, dass die Ukraine überhaupt zu einem Wahlkampfthema wird. "Eigentlich müssten wir alle einer Meinung sein: Wir wollen nicht ein Europa, in dem die Grenzen wieder verschoben werden." AfD-Mann Holm ging er nach dessen Erläuterungen zum SS-Zitat Krahs scharf an. "Sie würden gut daran tun, wenn Sie sich heute Abend davon distanzieren. Das hat selbst Marine Le Pen geschafft."

Das war der Moment des Abends

Als es um die EU-Verteidigungspolitik ging, packte Fabio De Masi den großen Polemik-Hammer aus. "Frau Barley fordert im Wahlkampf die europäische Atombombe. Wer soll denn jetzt den Knopf drücken? Frau von der Leyen, Herr Macron oder Frau Strack-Zimmermann? Was sind denn das für Debatten?", provozierte der BSW-Politiker bei den anderen Gästen eine Reaktion.

Doch die blieb weitgehend aus. Stattdessen warf ihm Louis Klamroth vor, unsauber zu argumentieren. "Ich hab das Zitat da, Herr De Masi. Sie reden sich da in eine Sackgasse". Das Zitat wurde dann nicht gezeigt, vielleicht auch, weil Barley im Wahlkampf tatsächlich eigene EU-Atombomben ins Gespräch gebracht hatte.

Das war das Rededuell des Abends

Schrei-Duell statt Rede-Duell bei "Hart aber fair". "Sie sind ein Putin-Versteher und ich fasse es nicht, wie Sie aus den Opfern Tätern machen", polterte Strack-Zimmermann Richtung De Masi. Der erwiderte: "Das ist ein schöner Punkt. Sie bezeichnen mich als Putin-Versteher, weil ich eine andere Position in dieser Frage habe." Dann holte De Masi etwas weiter aus. Er sei der einzige Bundestagsabgeordnete, der im Wirecard-Skandal im Fokus des russischen Spions Egisto Ott gestanden habe. Sollte heißen: Ein Putin-Versteher wird ja wohl nicht von russischen Agenten beobachtet.

Strack-Zimmermanns Lautstärke schwoll nun weiter an "Was hat denn das mit der Ukraine zu tun?" De Masi fuhr fort. Ein Fundraiser der FDP habe versucht, Kontakte zu kremlnahen Unternehmern zu bekommen. Strack-Zimmermann war nun vollends bedient. "Nee, das funktioniert heute Abend nicht." De Masi warf der FDP-Frau Schwarz-Weiß-Denken vor. "Man kann diesen Krieg furchtbar finden und trotzdem eine andere Position haben." Das sah die FDP-Frau unüberhörbar anders.

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So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Es war eine Sendung, in der der Moderator seine Gäste einfach nicht in den Griff bekam. Unterbrechungen, Zwischenrufe und Reinquatschen waren teilweise schwer auszuhalten. Einmal ermahnte er Hofreiter, Klöckner, De Masi und Strack-Zimmermann. "Sie tun sich alle keinen Gefallen." Allein: Der Appell half nur ein paar Minuten.

Inhaltlich war Klamroth dagegen auf der Höhe. Als De Masi CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter über den TV-Bildschirm fragte: "Warum schicken die nicht ihre eigenen Söhne (in die Ukraine – Anm. d. Red.)?", antwortete Klamroth schlagfertig: "Vielleicht weil Herrn Kiesewetters Söhne keine Ukrainer sind und nicht in der Ukraine kämpfen müssen."

Das ist das Fazit

Eine aufgrund der vielen Zwischenrufe manchmal schwer zu ertragende Sendung, nach der zwei wesentliche Erkenntnisse standen. AfD-Mann Leif Erik Holm sprach zwar von einer Blutspur der SS durch Europa, zu einer pauschalen Verurteilung aller SS-Angehörigen konnte sich Holm nicht durchringen. Nach dem Motto: Waren vielleicht auch ein paar gute Jungs dabei, die persönlich keinen Dreck am Stecken hatten.

Als zweite Erkenntnis blieb, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ihre Wiederwahl im EU-Parlament kaum ohne Hilfe von Rechtsaußen schaffen dürfte. Selbst wenn die Grünen sie stützen würden, reicht es wohl nicht für eine Mehrheit. Zuletzt sagte sie in einem Interview, sie würde mit Parteien zusammenarbeiten, "die für Europa sind, für die Ukraine, also gegen Russland, und für den Rechtsstaat". Doch gerade beim letztgenannten Punkt gibt es bei Giorgia Meloni erhebliche Zweifel – was Julia Klöckner komplett ausblenden wollte. "Siegen die Populisten?", hieß die Sendung bei "Hart aber fair" an diesem Montag. Siegen werden sie nicht, aber ihr Einfluss wird nach der nächsten Europa-Wahl sehr wahrscheinlich größer.

Alice Weidel

Neue Umfrage: Schlägt sich der Bruch mit Krah in der Wählergunst der AfD nieder?

Weder in NRW noch in Sachsen will die AfD über ihren Europakandidaten Maximilian Krah sprechen. Die Turbulenzen, die er mit SS-Aussagen ausgelöst hat, schlagen sich bislang aber nicht in Umfragen nieder. (Photocredit: picture alliance/dpa/Christoph Reichwein)
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