- Die deutsche Außenpolitik dreht sich aktuell vor allem um den Krieg in der Ukraine.
- Daneben sind aber auch andere Regionen von Bedeutung für die Bundesregierung.
- In Frankreich zum Beispiel wird bald gewählt, zudem läuft das Mandat für die Bundeswehr-Einsätze in Mali aus.
Die Bundesregierung und mit ihr
Westbalkan
Die Region, zu der die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien plus Albanien zählen, sind spätestens seit der dortigen Kriege in den 1990er Jahren im Fokus der hiesigen Außenpolitik. Der von der Nato in diesem Zusammenhang 1999 gestartete völkerrechtswidrige Angriffskrieg führte zum ersten Kampfeinsatz des deutschen Militärs seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien sind teilweise schon seit rund zehn Jahren Beitrittskandidaten der Europäischen Union, Bosnien und Herzegowina sowie der Kosovo gelten als "potenzielle Beitrittskandidaten". Im Rahmen der KFOR getauften Mission unter Leitung der Nato sind noch heute fast 4000 Soldatinnen und Soldaten vor Ort, davon rund 80 aus Deutschland. Bis zu 400 wären den aktuellen Vorgaben zufolge möglich.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte im März anlässlich einer Reise auf dem Westbalkan, sie wolle dort deutlich machen, "dass wir diese Region im Herzen Europas nicht dem Einfluss Moskaus überlassen werden". Viele dieser Länder "haben wir in den letzten Jahren enttäuscht und vernachlässigt", sagte sie weiter. Die Bundesrepublik wolle "strategische Investitionen" in die Region tätigen, etwa im Bereich erneuerbare Energien. Die Außenministerin von Bosnien und Herzegowina, Bisera Turković, sagte im Rahmen des Besuchs, der Westbalkan sei aktuell "eine Schwachstelle Europas" und daher "ein Ort, an dem die Stärke und außenpolitische Rolle des wohlhabendsten Bündnisses der Welt demonstriert werden muss".
Kurz vor ihrer Reise ernannte das Bundeskabinett außerdem den Grünen Manuel Sarrazin auf den neuen Posten des "Sondergesandten der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans". Der sogenannte Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina ist mit dem ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) derzeit ebenfalls ein deutscher Politiker. Das Amt wurde im Rahmen eines Friedensabkommens in den 1990er Jahren geschaffen und bringt umstrittene Vollmachten mit sich: Die jeweilige Person kann unabhängig von Parlament und Regierung sowohl Gesetze erlassen als auch Amtsträgerinnen und -träger entlassen. Am Mittwoch findet im Bundestag eine Debatte zum 30. Jahrestag des Kriegsbeginns in Bosnien-Herzegowina statt.
Deutschlands international wichtigster Partner wählt in zwei Wahlgängen im April einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. In Umfragen - die aber nur eine Momentaufnahme darstellen - führt derzeit der amtierende Staatspräsident Emmanuel Macron vor der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem Linken Jean-Luc Mélenchon. Der grüne Kandidat Yannick Jadot liegt weit hinten, "Wenn (...) weder Macron noch Jadot gewinnen würden, hätte die Bundesregierung ein großes Problem beim Umgang mit aktuellen Krisen wie dem Krieg in der Ukraine, aber auch in Energie- und Wirtschaftsfragen", sagte der stellvertretende Direktor des staatlich geförderten Deutsch-Französischen Instituts im Interview mit unserer Redaktion.
Zum Thema Außenpolitik sagte er: "Wenn eines der beiden Länder da Gewicht haben will, benötigt es dazu die EU und dafür braucht es einen deutsch-französischen Konsens". Das Land hat im ersten Halbjahr 2022 die EU-Ratspräsidentschaft inne und möchte in dieser Zeit verschiedene Projekte vorantreiben, etwa eine Richtlinie über "angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union". Seine erneute Kandidatur verkündete der in Frankreich sehr umstrittene Macron erst Anfang März. Die Regierungen beider Staaten sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden.
So gibt es beispielsweise regelmäßige Treffen zwischen Ministerinnen und Ministern, eine gemeinsame Brigade beim Militär, eine Parlamentarische Versammlung mit Mitgliedern von Bundestag und Nationalversammlung sowie einen Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Im Auswärtigen Amt zuständig ist Anna Lührmann (Grüne), die nicht nur "Staatsministerin für Europa und Klima" ist, sondern auch die offizielle "Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit". Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ist wiederum der sogenannte Bevollmächtigte für die kulturellen Beziehungen zwischen beiden Staaten.
Im Mai läuft das Mandat der Bundeswehr aus für die zwei Einsätze von UN und EU, an denen es in dem westafrikanischen Land beteiligt ist. Eine Entscheidung des Bundestags über eine mögliche Verlängerung steht noch aus. In Mali sind mit fast 1400 Personen mehr Streitkräfte beteiligt als an jeder anderen Mission, bei der Deutschland dabei ist. Das offizielle Ziel ist die Überwachung der 2014 von Regierung und "Rebellengruppen" vereinbarten Waffenruhe und eines 2015 unterzeichneten Abkommens "für Frieden und Aussöhnung" sowie die Aus- und Weiterbildung der Sicherheitskräfte vor Ort.
Laut Eva Högl, der Wehrbeauftragten des Parlaments, gestaltet sich die Umsetzung des Auftrags wegen sich permanent verschlechternder politischer Rahmenbedingungen immer schwieriger. "Ein erneuter Putsch in Mali und die undurchsichtigen Absichten der Militärjunta lassen viele Fragen offen - wie es (...) in der Region, mit dem internationalen und deutschen Engagement weitergeht", so die SPD-Politikerin in ihrem Mitte März erschienenen Jahresbericht. Darin kritisiert sie unter anderem Probleme bei der Verfügbar- und Einsatzfähigkeit von Material und Kleidung.
Ihren Angaben nach äußerten sich deutsche Soldatinnen und Soldaten zudem besorgt über die Situation derjenigen Menschen vor Ort, die für die Bundeswehr arbeiten. "Sie würden wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Aus den Ereignissen in Afghanistan gelte es, Lehren zu
ziehen und mit Ortskräften besser umzugehen", zitiert Högl entsprechende Aussagen. Der bis Anfang dieser Woche für den deutschen Beitrag zur UN-Mission "Minusma" zuständige Oberst sagte im Gespräch mit unserer Redaktion vor Kurzem, der Einsatz der Bundeswehr sei trotz aller Kritik nicht als erfolglos zu bezeichnen. Zuletzt hatte Frankreich Mitte Februar einen Abzug seiner Truppen aus Mali angekündigt.
Verwendete Quellen:
- Webseite Auswaertiges-Amt.de
- Webseite Bundeswehr.de
- Deutscher Bundestag: Unterrichtung. durch die Wehrbeauftragte. Jahresbericht 2021
- France-Allemagne.fr: Die deutsch-französischen Institutionen
- OHR.int (Office of the High Representative): General information
- Europäische Kommission: EU-Erweiterung
- Bundeszentrale für politische Bildung: 6. Mai: EU-Westbalkan-Gipfel
- Deutsche Presse-Agentur: Baerbock: Westbalkan "nicht Russland überlassen"
- RND.de (Redaktionsnetzwerk Deutschland): Grüne Vizefraktionschefin Brugger stellt Mali-Einsatz infrage
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