Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger fällt immer wieder mit derben Sprüchen auf. Bald will der Chef der Freien Wähler auch im Bundestag mitmischen. Seine Pläne: Friedrich Merz gegen linke Kräfte in der Union unterstützen, das Verbrenner-Aus kippen und Deutschland von "unten nach oben" denken.

Hubert Aiwanger wirkt gut gelaunt, als er am Montag zum Gespräch in München erscheint. Das dürfte auch daran liegen, dass die Freien-Wähler ihrem Bundesvorsitzenden zwei Tage zuvor den Rücken gestärkt haben. Rund 93 Prozent der Stimmen hat der bayerische Wirtschaftsminister auf dem Parteitag erhalten – ein deutliches Plus gegenüber dem letzten Mal.

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Der Ruf der Freien Wähler hat seit Aiwangers Flugblatt-Affäre und der hochumstrittenen Erding-Rede im vergangenen Jahr zwar gelitten. Doch Aiwangers Ambitionen tut das keinen Abbruch. Er ist fest entschlossen, die Freien Wähler auch nach Berlin zu führen – was nicht bei allen in der Partei gut ankommt. Drei erfolglose Versuche haben die Freien Wähler schließlich schon hinter sich. Auch aktuelle Umfragen sehen sie unter fünf Prozent. Ihr Chef setzt deshalb - wie auch die Linke - auf drei Direktmandate, so könnte die Partei über die Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen. Kein leichtes Unterfangen.

Herr Aiwanger, nach dem Ampel-Aus steuert Deutschland auf Neuwahlen zu. Was überwiegt bei Ihnen: Die Freude über den möglichen politischen Wechsel oder der Frust, kurzfristig einen Wahlkampf auf die Beine stellen zu müssen?

Hubert Aiwanger: Wir sind auf jeden Fall bereit. Dieser kurze und heftige Wahlkampf kommt uns entgegen. Je früher die Rest-Ampel die Bühne räumt, desto besser.

Auf welche Themen wollen Sie setzen?

Wir müssen die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Die schmiert uns derzeit auf breiter Front ab. Zweites Thema: Asyl. Wir brauchen wieder sichere Grenzen. Außerdem leiden wir unter einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung. Wir müssen das Land zusammenführen.

Die Ampel hat bereits zahlreiche Verschärfungen bei der Migration beschlossen. Wo wollen Sie noch einen draufsetzen?

Es braucht Zurückweisungen an der Grenze. Dublin und Schengen funktionieren nicht. Wer über Österreich und Tschechien zu uns kommt, darf nicht nach Deutschland einreisen. Und wer nicht verfolgt oder asylberechtigt ist, schon gar nicht. Wir werden auch mit den Herkunftsländern reden müssen, damit sie diese Migranten zurücknehmen.

"Mit unserer Denke 'von unten nach oben' können wir Deutschland wieder stabilisieren."

Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Spitzenkandidat

Die Freien Wähler haben starke Konkurrenz. In Bayern gibt es die CSU, auf Bundesebene konkurrieren Sie mit der Union als Ganzes und der FDP. Welche Marktlücke bedient Ihre Partei?

Unsere kommunale Verwurzelung zeichnet uns aus. Wir wissen, was vor Ort passiert. Da geht es um konkrete Probleme – etwa um den Erhalt von Krankenhäusern, die Verbesserung der Kinderbetreuung oder die Unterbringung von Flüchtlingen. All diese Themen schlagen bei unseren Leuten in den Rathäusern und Landratsämtern auf. Mit unserer Denke "von unten nach oben" können wir Deutschland wieder stabilisieren.

Deutschlands Kommunen sind sehr unterschiedlich. In diesem Potpourri kann der Bund doch nicht auf jedes Einzelbedürfnis eingehen.

Das nordrhein-westfälische Krankenhaus schließt im Zweifel aus demselben Grund wie das in Bayern. Diese Dinge wiederholen sich flächendeckend und die Zwänge sind überall dieselben.

Sie setzten darauf, drei Direktmandate in Bayern zu gewinnen und so in den Bundestag einzuziehen. Bei der letzten Wahl hat die CSU aber – mit einer Ausnahme – alle Direktmandate geholt.

Wir haben Kandidaten, die schon Wahlen gewonnen haben. Nur ein Beispiel: Peter Dreier, der Landrat von Landshut, wurde mit 73 Prozent der Stimmen ins Amt gewählt. Jetzt tritt er für den Bund an.

"Mit Markus Söder war es für mich nicht immer einfach."

Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Spitzenkandidat

Ihr Ziel ist eine Koalition mit Union und FDP. Also auch mit Christian Lindner, der vermeintlich die Ampel gezielt gesprengt hat.

Man müsste sich die Leute natürlich genau anschauen. Aber ich glaube, dass wir eine vernünftige Truppe zusammenbekommen. Dann ist vielleicht auch Christian Lindner resozialisierbar.

Bei einem Wechsel nach Berlin müssten Sie Ihr Amt als bayerischer Wirtschaftsminister aufgeben. Und viel wahrscheinlicher als in einer Regierung landen Sie in der Opposition.

Zunächst hat der Wähler das Wort. Und ja, ich führe mein Amt in Bayern gerne aus. Aber ich sehe einfach: Hat man eine verfehlte Bundespolitik vor der Brust, kann man in Bayern noch so sehr rudern – man erreicht nur bedingt, was man will. Daher möchten wir in Berlin regieren. Aber selbst in der Opposition kann man Dinge bewegen. Das haben wir in Bayern vor unserer Regierungszeit gezeigt – etwa beim Volksbegehren gegen die Straßenausbaubeiträge. Wir können auch in Berlin Themen hochziehen. Dafür braucht es kein Ministeramt.

Könnte es sein, dass Sie einfach keine Lust mehr auf Markus Söder haben?

(lacht) Ja, mit Markus Söder war es für mich nicht immer einfach. Trotzdem haben wir es mittlerweile sechs Jahre miteinander ausgehalten. Ich bin da Pragmatiker.

Mit Friedrich Merz hätten Sie also kein Problem?

Ich traue mir zu, mit Herrn Merz klarzukommen. Er braucht ja Unterstützung – etwa gegen den linken Flügel seiner Partei. Mit den Freien Wählern könnte Friedrich Merz vernünftige Wirtschaftspolitik machen. Das entspricht sicherlich auch seiner inneren Haltung.

Was heißt "vernünftige Wirtschaftspolitik"?

Es braucht mehr Freiheit für die Wirtschaft. Wir müssen Unternehmer und Arbeitnehmer entlasten, also Steuern, Energiepreise und Bürokratie senken. Für soziales "Wünsch-dir-was" kann es künftig nicht so viel Geld geben.

Das bedeutet?

In der Abwägung soziale Wohltaten oder Wirtschaft müssen wir wieder mehr auf Wirtschaft setzen. Sonst verlieren wir weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Für die Senkung der Netzentgelte fehlt das Geld, aber über eine Million Ukrainer bekommen Bürgergeld. Das ist nicht finanzierbar und geht massiv zu Lasten der Wirtschaft.

Eines der großen ökonomischen Probleme ist die Krise der Automobilindustrie. Sie bekennen sich zum Verbrennungsmotor. Sind Sie ein Mann von gestern?

Nein, ein Mann der Realität. Schauen Sie, was der Kunde kauft. Nur 10 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge sind Elektroautos. Das billige Elektroauto ist nötig, aber wo bleibt es? Die Batterien kosten immer noch einen Haufen Geld. Die Green-Deal-Ideologie der EU blendet das aus und sagt schlicht: 2035 ist Schluss mit Verbrennern. Ich bin kein absoluter Verbrenner-Fan und behaupte auch nicht, dass E-Autos Mist sind. Immerhin haben wir in Bayern die Ladeinfrastruktur ausgebaut wie kein anderes Bundesland.

Die Krise der deutschen Autohersteller rührt aber daher, dass sie E-Mobilität nicht energisch genug angegangen sind. In China, dem wichtigsten Markt, fehlen günstige E-Modelle von VW und Co.

Das widerspricht sich nicht. In China haben es die Deutschen verpasst, billige Elektroautos auf den Markt zu bringen. Unsere Modelle sind den Chinesen in vielerlei Hinsicht weder modern noch digital genug. Und trotzdem: Auf dem heimischen Markt könnten die deutschen Hersteller massiv Verbrenner verkaufen. Das muss man beides unter einen Hut bekommen.

Wirtschaftsforscher sehen das anders. Das ifo-Institut warnt davor, am Verbrenner festzuhalten.

Wenn die Elektroautos so gut werden wie die Verbrenner, werden sie automatisch gekauft. Das ist aktuell noch nicht der Fall, daher ist es falsch, schon jetzt das Verbrenner-Aus für 2035 festzulegen. Wenn Sie sich im Wald verlaufen, dann sagen Sie doch auch nicht: Jetzt habe ich diese Richtung eingeschlagen, also gehe ich stur weiter in den Wald – bis mich am Ende der Wolf frisst.

"Am Ende wählen die Menschen anders, als es die Elite will."

Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und Spitzenkandidat

In den USA hat Donald Trump die Wahl gewonnen. Er droht mit Strafzöllen, was die deutsche Industrie hart treffen würde. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt. Aber die Industriepolitik von Joe Biden war ja auch schon nicht sehr europafreundlich. Die Reaktion auf Trump kann auf keinen Fall sein, dass wir schmollen und schimpfen. Wir müssen besser und günstiger werden. Aktuell sind wir nicht wettbewerbsfähig.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Trump-Wahl?

Dass man auf sein Volk hören muss. Es ist abgehoben, den Leuten in Talkshows erklären zu wollen, was sie zu wählen haben. Denn am Ende wählen die Menschen anders, als es die Elite will.

Sie selbst sind Teil der Elite. Ein bayerischer Wirtschaftsminister gehört nicht zu den "kleinen Leuten".

Mit der Nummer kriegen Sie mich nicht. Ich meine mit Elite einen Mainstream, der politisch links tickt. Der Verbrennerverbote durchsetzt und Gender-Debatten vorgibt. Der sich nicht darum schert, was die Mehrheit denkt – und der Zwänge ignoriert. Wenn Menschen weiter mit Öl heizen wollen, weil sie sich keine Wärmepumpe leisten können oder die Sanierung des Hauses zu teuer ist, muss ich das als Politiker zur Kenntnis nehmen. Da kann ich nicht sagen: Ich hätte gerne ein anderes Volk.

Über den Gesprächspartner

  • Hubert Aiwanger wurde 1971 im niederbayerischen Ergoldsbach geboren. Er gehört dem bayerischen Landtag bereits seit 2008 an. Als Bundes- und auch Landesvorsitzender ist Aiwanger das Gesicht der Freien Wähler. Im bayerischen Landtag führte er die Fraktion bis 2018. Nach der Wahl bildeten CSU und Freie Wähler die Landesregierung. Aiwanger wechselte als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident ins Kabinett.
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