Als CDU-Generalsekretär darf man im Umgang mit dem politischen Konkurrenten nicht zimperlich sein. In dieser Hinsicht kann man Paul Ziemiak nichts vorwerfen. Der 33 Jahre alte CDU-Mann reitet gern Attacken, bevorzugt via Twitter. Im Interview erklärt er, warum man sich von AKK eine Scheibe abschneiden sollte und wie er die Chancen bei der Europawahl sieht.

Ein Interview

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Paul Ziemiak wurde mit nur 33 Jahren im vergangenen Dezember CDU-Generalsekretär. Im Zusammenspiel mit der neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer soll er diejenigen Parteimitglieder befrieden, die, wie er selbst, eigentlich lieber Jens Spahn oder Friedrich Merz als CDU-Chef bevorzugt hätten.

Aktuell muss er allerdings vor allem reagieren auf das Video des Youtubers Rezo. Der hatte mit seinem knapp einstündigen Film "Die Zerstörung der CDU" betrieben, innerhalb von wenigen Tagen wurde das Video über fünf Millionen Mal abgerufen. Via Twitter lud er am Donnerstagmittag Rezo zu einem Gespräch mit ihm, Ziemiak, und Philipp Amthor ein.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Ziemiak über seine Zusammenarbeit mit AKK und die Aussichten der CDU bei der Wahl zum Europäischen Parlament am kommenden Sonntag.

Außerdem nimmt er Stellung zu seinen teilweise recht harschen Attacken auf die SPD, Kevin Kühnert und Klimaschutz-Vorkämpferin Greta Thunberg. Schwarz-grüne Koalitionen kann er sich im moment nur schwer vorstellen.

Herr Ziemiak, Klimaschutz ist laut Umfragen das Thema, das die EU-Bürger vor der Wahl am meisten beschäftigt. Wie lautet Ihr Lösungsansatz?

Paul Ziemiak: Das Thema Klimaschutz bewegt vor allem viele junge Menschen. Als CDU fühlen wir uns besonders der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet und machen seit 35 Jahren aktiv Klimapolitik. Jetzt geht es darum, dass Europa in der Welt auch Vorbild wird. Dafür müssen wir zwei Sachen tun: den Klimaschutz im Auge haben und auf der anderen Seite müssen wir die Maßnahmen, die wir ergreifen, immer auch so ausgestalten, dass sie die Gesellschaft zusammenhalten. Effektiven Klimaschutz kann es nur in einer europäischen und in einer globalen Dimension geben. Die Frage lautet: Wie können wir wirksam Emissionen reduzieren. Hier setzen wir besonders auf Innovation.

Die Schülerbewegung Fridays for Future dürfte sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben. Sie haben die 16-jährige Greta Thunberg vor einigen Wochen mit dem Tweet "Arme Greta" ziemlich niedergemacht und ihr pure Ideologie unterstellt. War das rückblickend ein Fehler?

Ich kenne Greta Thunberg nicht persönlich, sondern habe mich mit meinem Tweet auf die Forderungen bezogen, wir müssten sofort aus der Kohle aussteigen, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Das halte ich für eine sehr ideologische Sicht. Fakt ist: Wir haben den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und wir bereiten den Ausstieg aus der Kohleverstromung vor. Denn eins ist doch klar: Am Ende muss das auch für die Mittelschicht in unserem Land bezahlbar sein. Politik sollte nichts versprechen, was man am Ende nicht halten kann, wie zum Beispiel den sofortigen Kohleausstieg. Darauf bezog sich meine Äußerung und dazu stehe ich nach wie vor.

In den Umfragen liegt die Union derzeit bei 30 Prozent. Wären Sie damit auch am kommenden Sonntag zufrieden?

Wir kämpfen gerade in den letzten Tagen vor der Wahl um jede Stimme und wollen ein möglichst gutes Ergebnis für die CDU/CSU erreichen, um unseren Beitrag zu leisten, damit die EVP stärkste Fraktion und am Ende Manfred Weber Präsident der Europäischen Kommission wird.

Worin würde sich ein Europa unter einem Kommissionspräsidenten Manfred Weber unterscheiden von einem unter Frans Timmermans?

Frans Timmermans hat angekündigt, er wolle eine linke Mehrheit, übrigens auch mit linken Populisten und Europa-Gegnern, führen. Manfred Weber ist dagegen ein Politiker der Mitte: Er spaltet nicht, sondern hält die Europäische Union zusammen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir einen Europäer wie Manfred Weber gerade in Zeiten wie den heutigen an der Spitze der Kommission brauchen.

Und was, wenn Weber trotz einer "gewonnenen" Europawahl am Ende doch nicht Kommissionspräsident wird? Es besteht ja kein Automatismus.

Das stimmt. Aber: Wir haben uns für das Spitzenkandidaten-Modell entschieden, um das Europäische Parlament zu stärken. Es wäre jedem zu empfehlen, auch dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, sich daran zu halten, denn sonst enttäuschen wir das Vertrauen der Menschen. Am Ende muss es doch eine Auswirkung haben, wer mehr Stimmen bekommt, das Votum dürfen wir nicht ignorieren.

Sie sind der bislang jüngste CDU-Generalsekretär und der erste JU-Vorsitzende, der direkt in dieses Amt gewechselt ist. Was entgegnen Sie Kritikern wie Ihrem CDU-Kollegen Andreas Mattfeldt, der sagt, ein Politiker sollte einen anständigen Beruf erlernt oder studiert haben?

Es ist doch wichtig, dass Politikerinnen und Politiker ihrem Alter entsprechend unterschiedliche Lebenserfahrung mitbringen. Es ist zwar interessanter, über Personen zu sprechen, aber am Ende geht es darum, welche Ideen jemand einbringt und wie er ein Amt gestalten will. Ich bin nicht wegen der Ämter in die Politik gegangen, sondern weil ich Lust habe, dieses Land zum Positiven zu verändern, es ein Stück besser zu machen. Deshalb will ich durch mein Handeln überzeugen.

Bei der Wahl des bzw. der neuen CDU-Vorsitzenden standen Sie Jens Spahn und Friedrich Merz näher als Annegret Kramp-Karrenbauer. Warum eigentlich?

Ich komme aus Nordrhein-Westfalen, auch das verbindet mich mit Jens Spahn und Friedrich Merz. Es war ein sehr emotionaler Parteitag, jeder Delegierte konnte sich von den Kandidaten ein Bild machen und dann seine Stimme abgeben. Es ist eine Entscheidung getroffen worden und jetzt stehen wir zusammen als Union, das sehen Jens Spahn und Friedrich Merz genauso. Annegret Kramp-Karrenbauer ist gewählt worden. Ich finde, sie hat einen sehr guten Start hingelegt und die Partei zusammengeführt. Und jetzt machen wir gemeinsam erfolgreich Wahlkampf.

Und was fängt die CDU jetzt mit Friedrich Merz an?

Er kandidiert jetzt beispielsweise als stellvertretender Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates und will sich auf diese Weise einbringen. Er steht auch im regelmäßigen Kontakt mit Frau Kramp-Karrenbauer. Eine Volkspartei wie die Union braucht verschiedene Köpfe – und die haben wir.

Und wie kommen Sie jetzt mit Ihrer Chefin zurecht? Sie befürworten zum Beispiel die Homo-Ehe und die Adoptionsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare, Frau Kramp-Karrenbauer hält davon wenig bis nichts. Haben Sie darüber schon mal mit ihr gestritten?

Wir tauschen uns täglich aus und sprechen miteinander über alle Themen, die anstehen. Dazu muss man nicht streiten. Aus ihrer Erfahrung als Ministerpräsidentin des Saarlandes hat sie ein unglaublich gutes Gefühl, worauf es vor Ort bei unterschiedlichen Gruppen, bei unterschiedlichen Themen ankommt. Sie hört zu, bevor sie sich festlegt. Aber wenn sie sich festgelegt hat, bleibt sie bei ihrem Kurs. Insofern kann man sich von Annegret Kramp-Karrenbauer in vielen Dingen eine Scheibe abschneiden.

Und sagen Sie ihr nicht manchmal, "Mensch Annegret, das kannst du ruhig ein bisschen schärfer oder deutlicher sagen"?

Es gibt schon genug Leute, die versuchen, mit einfachen Worten komplexe Probleme zu lösen. Ich finde, es geht nicht darum, schärfer zu sprechen, sondern eine verständliche Sprache zu finden, die am Ende aber komplexe Probleme nicht banalisiert.

Anfang Juni findet die Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands statt. Ist danach Schluss mit der Großen Koalition?

Wir haben einen Koalitionsvertrag, und den wollen wir abarbeiten. Diese Regierung ist bis 2021 gewählt. Zumindest die Union wird ihren Beitrag leisten, dass dort gute Politik gemacht wird. Aber wir sollten weniger über die Koalition an sich sprechen, sondern mehr über die Themen, die wir in der verbleibenden Zeit noch umsetzen können. Sonst verlieren die Menschen das Vertrauen in die Politik.

Dennoch wird über zwei Konstellationen getuschelt: Entweder kündigt die SPD nach einem schlechten Abschneiden bei der Europawahl das Regierungsbündnis auf oder Angela Merkel macht doch vorzeitig den Weg für Frau Kramp-Karrenbauer als Kanzlerin frei.

Das ist jetzt nicht das Thema. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Moment von Wahlkampftermin zu Wahlkampftermin fahre und mir wünschen würde, dass wir vor der Abstimmung am Sonntag vor allem über Europa sprechen und nicht so sehr über innenpolitische, oder noch schlimmer: parteitaktische Erwägungen. Ich glaube, das ist nicht das, was die Menschen interessiert.

Dann zurück zum Wahlkampf. Sie haben der SPD "Trump-Stil" vorgeworfen. Finden Sie das nicht übertrieben?

Nein, ich fand es genau passend, denn es ist genau dieser Stil, der mich stört: das Vereinfachen, das "negative campaigning" gegenüber dem politischen Mitbewerber, wo es am Ende gar nicht mehr um die sachliche Auseinandersetzung geht. Wenn die Nachwuchsorganisation der SPD im Wahlkampf Dosenwerfen veranstaltet, wo man die Konterfeis von Manfred Weber und Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Reihe mit Adolf Hitler abwerfen kann, dann kann ich das nicht mehr akzeptieren und kommentarlos stehen lassen. Das ist plumper und billiger Wahlkampf.

Den Vorsitzenden der von Ihnen angesprochenen Jusos, Kevin Kühnert, haben Sie nach seinem Interview in der "Zeit" als "Kommunismus-Kevin" bezeichnet. Ist das nicht auch plump und billig?

Ich kenne Kevin Kühnert sehr gut, seit er Vorsitzender der Jusos ist, und schätze ihn als Person. Aber was er da von sich gibt, seine Thesen, seine politischen Ziele, das widerspricht in jeder Hinsicht meinen Vorstellungen davon, wie wir in diesem Land zusammenleben: in sozialer Marktwirtschaft und Freiheit. Ich befürchte, dass der Verweis auf Kommunismus und Sozialismus für ihn sogar ein Lob ist, was mich eigentlich noch viel mehr erschreckt.

Aber warum sollte der Vorsitzende der Jungsozialisten nicht für den Sozialismus werben? Sie betonen doch selbst immer wieder, dass es Ihnen auch darum gehe, gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen und dabei keine Denkverbote zuzulassen.

Ja, aber das ist doch kein Blankoschein für jegliche verrückte Idee, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sprengen. Er kann sich natürlich äußern, wir haben schließlich Meinungsfreiheit. Aber wer sich politisch äußert, kriegt eine politische Antwort, und die lautet: Wir haben gesehen, wohin Kommunismus und Sozialismus führen, nämlich zu Unfreiheit und Armut für sehr viele Menschen.

Ein anderer politischer Mitbewerber sind die Grünen, die sich inzwischen als zweitstärkste Kraft in Deutschland etabliert haben. Halten Sie Schwarz-Grün für ein zukunftsfähiges Modell?

In der Mitte muss man immer koalitionsfähig sein. Ich sehe aber bei den Grünen momentan, wenn Sie sich die Äußerungen von Anton Hofreiter und anderen anhören, welche Fantasien es dort auch gibt. Wenn da über die Enteignung von Menschen gesprochen wird, dann ist das den Sozialismus-Debatten des Kevin Kühnert näher als der bürgerlichen Politik. Die Grünen unter Robert Habeck haben den Hauch einer bürgerlichen Partei, aber am Ende steckt dort eine sehr linke Ideologie dahinter.

Gibt es etwas, was Sie aus der aktuellen Regierungskrise in Österreich gelernt haben, etwa im Hinblick auf mögliche Koalitionen nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen?

Wir in der Union haben auf dem Parteitag mit großer Mehrheit den klaren Beschluss gefasst, dass eine Koalition mit der AfD für uns nicht infrage kommt. Punkt. Wir brauchen nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Jeder sieht, mit was für Leuten man es da zu tun hat. Das brauchten wir nicht zu lernen, davor haben wir immer gewarnt.

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