Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen herrscht Unruhe in der CDU. Parteichef Friedrich Merz gibt sich gelassen – doch die Debatte über den richtigen Kurs in den Ländern könnte ihn einholen.

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Es ist zwar kompliziert für die CDU nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Aber wenn sie erfolgreich verhandelt, dürfte Michael Kretschmer in Dresden Ministerpräsident bleiben und die Partei mit Mario Voigt in Erfurt sogar einen weiteren Regierungschef stellen.

Für CDU-Bundeschef Friedrich Merz birgt der Ausgang der Wahlen im Osten trotzdem Gefahren.

Mit wem werden seine Christdemokraten regieren? Zerreißt es die Partei, wenn sich Kretschmer und Voigt von der Ex-Kommunistin Sahra Wagenknecht und ihrem BSW die Haltung zu US-Raketen oder Waffenlieferungen an die Ukraine diktieren lassen müssen, um Koalitionen schmieden zu können?

Merz und Söder wollen K-Frage klären

Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl werfen die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen für die Partei grundsätzliche Fragen auf: Wo steht die CDU und wo grenzt sie sich ab? Wie stabil steht die Brandmauer nach rechts und wie durchlässig ist sie nach links?

Auch vor diesem Hintergrund wollen Merz und CSU-Chef Markus Söder im Spätsommer die K-Frage klären. In der CDU gibt es die Sorge, der bayerische Ministerpräsident könne darauf setzen, dass Turbulenzen bei der Regierungsbildung auch Merz erfassen. Am Montag ließ Söder wissen, dass er sich "nicht drücken" würde, Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Einen Vorgeschmack darauf, was ihm bevorstehen könnte, bekam Merz am Mittwoch. Eine Gruppe von rund 40 CDU-Mitgliedern fordert laut "Tagesspiegel", beim nächsten Bundesparteitag – er soll im Juni 2025 sein – einen Unvereinbarkeitsbeschluss auch für das Bündnis Sahra Wagenknecht zu fassen. Bislang verbietet ein solcher Beschluss aus dem Jahr 2018 jede Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei.

Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sagte der Zeitung, das BSW agiere "als verlängerter Arm des Kreml". Der Sozialpolitiker und Europaabgeordnete Dennis Radtke sagte dem Blatt: "Die CDU steuert auf einen Abgrund zu, wenn wir uns vor den Karren von Sahra Wagenknecht spannen lassen."

Merz gibt sich entspannt

Merz selbst zeigt sich auf die Frage, ob er die CDU wegen der in Dresden und Erfurt anstehenden Gespräche mit dem BSW und teilweise wohl auch der Linkspartei vor einer Zerreißprobe sehe, entspannt: "Nein. Sie wird uns teilweise von den Medien angedichtet", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin.

Man sei "in diesen Fragen sehr klar, und uns im Übrigen auch absolut einig. Es hat im Präsidium und im Bundesvorstand mit den Thüringern, den Sachsen und uns allen eine große Übereinstimmung gegeben."

Ob er persönlich eingreifen werde, sollte es zu Turbulenzen in den Landesverbänden oder zu Forderungen nach Gesprächen mit der AfD kommen? "Ich sehe nicht, dass es hier ein Eingreifen von meiner Seite aus erfordert", sagte Merz.

In der CDU in Westdeutschland gebe es "natürlich an vielen Stellen ein erhebliches Unbehagen mit Blick auf das, was jetzt in Thüringen und in Sachsen diskutiert wird", räumte er zwar ein. "Aber das müssen wir als CDU aushalten. Und wir sollten aus der westdeutschen Komfortzone nicht unerbetene öffentliche Ratschläge geben."

Kramp-Karrenbauer scheiterte in Thüringen

Merz dürfte nicht vergessen haben, wie es seiner Vorvorgängerin im Parteivorsitz 2020 erging, Annegret Kramp-Karrenbauer. Auch damals war die CDU in Thüringen in ihrem Kooperationsverbot zu AfD und Linken eingeklemmt. Dann wählten CDU-, AfD- und FDP-Abgeordnete den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten, was eine Regierungskrise auslöste.

Kramp-Karrenbauer scheiterte damit, bei den Thüringer Parteifreunden durchzudringen und trat schließlich als Bundesvorsitzende und auch von der Kanzlerkandidatur zurück. Voigt sagte kürzlich: "Keiner kann ein Interesse daran haben, dass eine Situation wie 2019/2020 entsteht."

Die Lage in Thüringen ist besonders vertrackt: Voigt steht wegen des Beschlusses zur Linken ohne Mehrheit da. Im Landtag gibt es eine Patt-Situation: Eine mögliche Koalition von CDU, BSW und SPD kommt auf 44 Sitze und stünde einer Opposition aus AfD und Linken mit ebenfalls 44 Sitzen gegenüber.

Einzelne CDUler fordern Gespräche mit der AfD

Auch in der Sachsen-CDU gibt es Debatten über das BSW, Wagenknecht wird von vielen als Kommunistin wahrgenommen. Offiziell beschloss der Landesvorstand, neben der SPD und den Grünen auch dem BSW ein Gesprächsangebot zu unterbreiten. Dabei weiß Kretschmer, dass es ohne BSW rein rechnerisch keine Mehrheitsregierung geben kann.

Aus Thüringer CDU-Kreisen heißt es, in den Gremien-Runden nach der Wahl habe es auch einzelne Stimmen gegeben, die sagten, man könne ein Drittel der Wählerinnen und Wähler nicht ignorieren, müsse mit der AfD zumindest reden.

Auch die Möglichkeit, die AfD einzubinden und zu beteiligen, sei angeklungen, um die Partei um AfD-Rechtsaußen Björn Höcke zu entzaubern. Die Noch-Präsidentin des Thüringischen Landkreistages, Martina Schweinsburg, forderte sogar öffentlich, mit AfD und Linken zu reden. (dpa/bearbeitet von thp)

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