Bei der Landtagswahl in Thüringen wäre alles andere als ein Wahlsieg der als rechtsextrem eingestuften Landes-AfD eine große Überraschung. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) liegt mit seiner Partei in Umfragen derzeit nur auf dem vierten Platz. Seine von der CDU gestützte Minderheitsregierung mit SPD und Grünen steht vor dem Aus.

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Wann wird gewählt?

In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Es ist die achte Wahl im kleinsten Flächenland Ostdeutschlands nach der deutschen Wiedervereinigung 1990. Am Wahltag erfahren Sie alle News rund um die Landtagswahl in Thüringen hier in unserem Live-Ticker.

Welche Parteien treten an?

15 Parteien und politische Vereinigungen stellen sich in Thüringen zur Wahl. Neben den Regierungsparteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen werben AfD, CDU, FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) um Wählerstimmen. Hinzu kommen einige kleinere und Kleinstparteien: Aktion Partei für Tierschutz (Tierschutz hier!), ÖDP, Piratenpartei, MLPD, Bündnis Deutschland, Familien-Partei, Freie Wähler und Werte-Union. Die Wahlvorschläge der Partei der Humanisten und der Partei Die PARTEI wurden aus formalen Gründen nicht zugelassen.

Wie wird gewählt?

Jeder Wähler hat bei der Wahl zum Thüringer Landtag zwei Stimmen. Mit der Erststimme entscheiden sich die Wählerinnen und Wähler für den Direktkandidaten eines Wahlkreises. Der- oder diejenige mit den meisten Stimmen zieht in den Landtag in Erfurt ein.

Mit der Zweitstimme wird eine Partei gewählt. Über die Landesliste der jeweiligen Parteien können je nach Höhe des Zweitstimmenergebnisses weitere Kandidaten in den Landtag gewählt werden. Wer nicht persönlich zur Abstimmung am 1. September erscheinen kann oder will, kann per Briefwahl bereits vor der Thüringer Landtagswahl abstimmen. Außerdem ist es möglich, den Wahlschein direkt bei einer zuständigen Briefwahlstelle auszufüllen und einzuwerfen.

Wer sind die Spitzenkandidaten?

Ministerpräsident Bodo Ramelow, der erste Ministerpräsident seiner Partei in der Geschichte der Bundesrepublik, ist erneut Spitzenkandidat der Linken. Rechtsaußen Björn Höcke (AfD), der gerichtsfest als "Faschist" bezeichnet werden darf, führt die AfD-Landesliste an. Realistische Hoffnungen, neuer Thüringer Ministerpräsident zu werden, darf sich Mario Voigt von der CDU machen.

Hinzu kommen Georg Maier (SPD), Madeleine Henfling und Bernhard Stengele (Bündnis90/Grüne), Thomas Kemmerich (FDP) und Katja Wolf (BSW).
Die Kleinstparteien vertreten Daniel Riedel (Aktion Partei für Tierschutz), Martin Truckenbrodt (ÖDP), Peter Städter (Piraten), Tassilo Timm (MLPD), Steffi Brönner (Bündnis Deutschland), Sven Seyfarth (Familien-Partei), Andreas Hummel (Freie Wähler) und Albert Weiler (Werte-Union) als Spitzenkandidaten.

Was besagen die aktuellen Umfragen?

Seit Sommer 2022 führt die AfD die Wahlumfragen in Thüringen konstant an. Von zwischenzeitlich mehr als 36 Prozent ist der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Landesverband inzwischen ein Stück weit entfernt. Laut Forsa-Umfrage zwischen dem 7. und 14. August würden 30 Prozent der Thüringer derzeit der AfD ihre Stimme geben. Dahinter folgen CDU (21), BSW (18), Linke (13), SPD (7) und Grüne (4).

Alle Informationen zur Landtagswahl in Thüringen

Was sind die möglichen Auswirkungen der Wahl?

Ministerpräsident Bodo Ramelow wird sein Amt, das er mit einer kurzen Unterbrechung von 2014 bis 2024 als erster Ministerpräsident der Linken bekleidete, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren. Alles andere als ein Sieg der AfD wäre eine große Überraschung. Ein AfD-Ministerpräsident Björn Höcke ist – Stand jetzt – jedoch ausgeschlossen, da seine Partei weit von der absoluten Mehrheit entfernt liegt und keine Partei mit der AfD koalieren möchte.

Übrig bleiben nur zwei in Deutschland noch nie gesehene Koalitionsmöglichkeiten. Ganz knapp würde es aktuell für ein Bündnis zwischen CDU, dem neu gegründeten BSW und der SPD reichen. Eine Koalition zwischen CDU, BSW und der Linken hätte eine stabile Mehrheit im Landtag in Erfurt. Bislang schließt die CDU eine direkte Zusammenarbeit mit der Linken jedoch aus und zeigt sich auch gegenüber dem BSW skeptisch. Möglich wäre auch eine erneute Minderheitsregierung – doch das wollen weder CDU-Chef Voigt, noch Bodo Ramelow.

Dem politisch bereits instabilen Thüringen droht eine lähmende Regierungsbildung. Die Gefahr ist groß, dass das Bundesland auch in den kommenden fünf Jahren keine stabile Regierung bekommt. Das Image des Bratwurst-Landes könnte nach der Wahl weiter Schaden nehmen, vor allem wenn die AfD doch noch direkt oder indirekt an die Regierung kommt. Wirtschaftsverbände befürchten in einem solchen Fall einen Schaden für den Wirtschaftsstandort Thüringen.

Es droht gar eine Verfassungskrise, wenn die AfD als stärkste Partei ihren Vorschlag zum Landtagspräsidenten nicht durchbekommt und ein Vertreter einer anderen Partei gewählt wird. Dann könnte die AfD Verfassungsklage einreichen – der neue Landtag wäre fürs Erste lahmgelegt und Ramelow bliebe geschäftsführend im Amt. Mit einem Drittel der Mandate im Landtag hätte die rechtsextreme AfD außerdem weitreichende Einflussmöglichkeiten, etwa bei der Besetzung von Richterämtern. Eine Zäsur in der deutschen Parteiengeschichte.

Ein Debakel droht SPD, Grünen und FDP – alle drei Parteien könnten aus dem Landtag fliegen. Bei Grünen und FDP ist dies derzeit wahrscheinlich.

Die wichtigsten Themen im Wahlkampf

Im Wahlkampf spielten viele Themen eine wichtige Rolle, auf die eine Thüringer Landesregierung nur begrenzt oder gar keinen Einfluss hat. So wollen AfD und CDU mit einem Anti-Migrationskurs punkten, das BSW plakatiert groß die Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die gar nicht zur Wahl steht, aber sehr beliebt ist. Dazu Slogans wie "Diplomatie statt Kriegstreiberei" und "Krieg oder Frieden". Als ob in Thüringen das Ende des Ukraine-Kriegs beschlossen werden könnte.

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Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow setzt auf Großplakaten ganz auf seine Person ("Christ, Sozialist, Ministerpräsident") und lässt das Logo seiner kriselnden Partei einfach unter den Tisch fallen. Ramelow – aber auch die anderen etablierten Parteien – warnen zwar seit Jahren entschieden vor einem Wahlsieg der AfD. Doch letztlich ist die Unzufriedenheit mit der Thüringer Landesregierung und der Ampel im Bund bei den Thüringer Wählern so groß, dass die Rechtsaußen-Partei neue stärkste Kraft in Erfurt werden dürfte.

Verwendete Quellen

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