In Österreich stehen die Zeichen auf Schwarz-Blau: Ein paar Augenbrauen werden sich bestimmt heben, wenn Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache das internationale Parkett betreten. Aber die Zeiten der 2000er-Sanktionen sind vorbei. Viel mehr kommt es auf die EU-Linie der neuen Regierung an, meint ein Salzburger Politologe.
Nicht mal auf ein gemeinsames Foto wollten sie mit dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel. Nicht mit dem Mann, der gerade eine Koalition mit der Partei von Jörg Haider geschlossen hatte. Der Vorsitzende der ÖVP, hatte ein Tabu gebrochen im Januar 2000, als er sich von der rechtspopulistischen FPÖ zum Kanzler machen ließ – und Europas Staatsmänner ließen ihn das spüren.
Auf einem wichtigen EU-Gipfel in Lissabon im März 2000 schwänzten Frankreichs Präsident Jaques Chirac und andere den Fototermin. Die Regierungen der 14 EU-Staaten hatten ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich auf ein Minimum eingefroren, Ratspräsident António Guterres sagte stellvertretend: "Wir können diese Regierung nicht als Freund betrachten." Österreich war international geächtet, das schwarz-blaue Schaf der europäischen Familie.
Kurz peilt Koalition mit der ÖVP an
Am Montag beginnt
Aus Brüssel sandte EU-Kommissionspräsidentschaft
Skepsis erregt vor allem die FPÖ, die in Straßburg nicht zufällig in einer Fraktion mit Marine Le Pen, der Lega Nord und anderen EU-Gegnern sitzt – auch wenn Heinz-Christian Strache seine Freiheitlichen im Wahlkampf plötzlich als "überzeugte und glühende Europäer" bezeichnete.
Die "New York Times" thematisierte in ihrem Artikel zur Wahl sogar noch einmal die Nazi-Vergangenheit der Partei, die von SS-Mitgliedern gegründet worden war. "Österreich wird im Ausland immer unter diesem Gesichtspunkt 'die braune Republik' gesehen wird" sagt der Salzburger Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch im Gespräch mit diesem Portal.
Allerdings habe sich im Vergleich zu 2000 etwas Wesentliches geändert: Die FPÖ mittlerweile keine Ausnahmeerscheinung mehr. "Die Partei entspricht dem, was wir überall in Europa an rechten Parteien sehen."
Der Öxit ist kein Thema mehr
Die FPÖ hat ihrerseits auch Einiges getan, um nicht mehr als Schmuddelkind dazustehen. Besonders Parteichef
"Die FPÖ hat dazugelernt", beobachtet der Salzburger Politologe Heinisch. Die Forderung nach einer Volksabstimmung über einen Öxit hat der zweite starke Mann in der Partei, Norbert Hofer, vor einem Jahr schneller wieder zurückgezogen, als er sie geäußert hatte.
Der Grund ist simpel: In Österreich sprechen sich in Umfragen nur rund 20 Prozent der Befragten für einen EU-Austritt aus, ein Öxit gewinnt also keine Wahlen. Heinisch hat in einer noch unveröffentlichten Studie Reden und Debattenbeiträge von Strache und hohen FPÖ-Funktionären ausgewertet, sein Fazit: Die Position der Partei lässt sich mit der von dezidierten EU-Gegnern wie der Lega Nord vergleichen.
Aber, so die These von Heinisch, sie hat sich aus wahltaktischen Gründen für eine flexible Haltung entschieden: "Keine Partei darf europaskeptischer sein, gleichzeitig reicht die FPÖ so weit wie möglich in die Mitte."
Nicht nur taktisch, sondern auch im persönlichen Umgang stellt sich die FPÖ geschickter an als noch vor 17 Jahren. Jörg Haider hatte sich die europäischen Regierungschefs zu Intimfeinden gemacht, er verspottete Belgien als Hort der Korruption und Frankreichs Präsidenten Jaques Chirac als "Westentaschen-Napoleon". "Strache fährt nach Yad Vashem und betont seine Verbundenheit mit Israel", sagt Heinisch, "der macht seine Hausaufgaben."
In Deutschland kramte die "Süddeutsche Zeitung" kurz vor der Wahl noch einmal die "Akte Strache" mit den Bildern von den Wehrsportübungen mit Neonazis heraus. Aus österreichischer Sicht kein Aufreger mehr, sagt Heinisch: "Straches Jugendsünden sind abgehandelt und eingepreist. Aber wenn das Ausland alle paar Jahre mal nach Österreich blickt, muss natürlich die große Klammer aufgemacht werden."
Brückenbauer oder Störenfried?
Viel mehr als von den Personen wird es wohl von der Politik der Koalition abhängen, wie sich Österreichs Image auf der internationalen Bühne entwickelt. Die türkis-blaue Gretchenfrage lautet: Wie hältst du es mit der EU? Eine Frage, die besonders die ÖVP für sich klären muss, meint Heinisch: "Die FPÖ wird nichts ohne die Deckung der ÖVP tun.
Und die ÖVP hat auch ambivalente Signale ausgesandt, da droht in einigen Bereichen ein Konflikt mit der EU." Und damit ist nicht nur die Migration gemeint. Die Entsenderichtlinie, die Sozialleistungen für ausländische Arbeitnehmer und die Russland-Sanktionen: Das alles sind Themenfelder, in denen Sebastian Kurz eine andere Linie als Brüssel fahren möchte.
Eine Reform der EU Richtung Vertiefung der Zusammenarbeit will er eher nicht mitmachen, Kurz favorisiert im Gegenteil eine Verlagerung der Verantwortung auf die Ebene der Nationalstaaten – außer in der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen sind das eine, meint Politologe Heinisch. "Aber wenn die ÖVP ihre Ziele nicht erreicht steht die Frage: Akzeptiert sie das oder bricht sie mit ihrer Rolle und eskaliert?" Eine Eskalation könnte leicht in der Isolation enden – oder tatsächlich an der Seite der Visegrad-Staaten, wie ja oft spekuliert wird.
Österreich übernimmt im Juli 2018 EU-Ratspräsidentschaft
Innerhalb der EU bleibt Österreich mit seinen nur acht Millionen Einwohnern ohnehin ein kleiner Akteur. Aber: Wenn ab Juli 2018 die EU-Ratspräsidentschaft an Österreich übergeht, steht das Land und damit eine schwarz-blaue Regierung umso mehr im Fokus.
Der EU-Experte Stefan Lehne vom Carnegie-Think Tank sagte in der "Presse", er gehe davon aus, dass Sebastian Kurz diese Zeit "ordentlich über die Bühne" bringen wolle. Schließlich werde sich der designierte Kanzler "nicht als EU-Gegner positionieren". Auch eine stärkere Annäherung an die Visegrad-Staaten kann er sich nicht vorstellen, dafür gebe es - von der Frage der Flüchtlinge mal abgesehen - zu viele inhaltliche Differenzen.
Kurz selbst hat in Interviews immer wieder betont, er sehe sich als Brückenbauer zwischen West und Ost. An diesem Anspruch wird er sich messen lassen müssen – und daran entscheidet sich auch, welches Image Österreich international in den nächsten Jahren bekommen wird: Konstruktiver Problemlöser oder Störenfried?
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