Leser wollen Neues erfahren, aber sie haben auch ein Gefühl für Tradition. Nicht umsonst wirbt die Berliner Zeitung seit anderthalb Jahren damit, dass der Berliner Verlag "wieder zu Hause" sei, weil er nach sechs Jahren in einem Zweckbau in Kreuzberg wieder am Alexanderplatz sitzt.

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Es ist das einstige Haus der Redaktion aus den 1970er-Jahren. Ganz anders nimmt sich die zeitliche Dimension aus, wenn man den Nicolai-Verlag anschaut. Auch er wirbt damit, nun "wieder nach Hause" zu kommen, auch in die Mitte Berlins – allerdings in eines der ältesten Wohnhäuser Berlins.

Der Nicolai-Verlag hat eine Jahrhunderte währende Geschichte mit großen Unterbrechungen, er geriet in jüngster Zeit mehrfach unter die Räder von Umstrukturierung und Eigentümerwechsel. Unter dem Namen Nicolai wurde 1713 in der Brüderstraße 13 zunächst eine Buchhandlung gegründet, 1759 erschien das erste Buch mit dem Verlagshinweis "bey Friedrich Nicolai". Besucher wie Daniel Chodowiecki, Christoph Wilhelm Hufeland, Johann Gottfried Schadow und Karl Friedrich Schinkel ließen das Haus ab Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Zentrum der literarischen Aufklärung und Romantik werden. Im Lauf des politischen Wandels verlor sich die Tradition. Eine Verlagsadresse gab es bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges.

Im Jahr 1965 wurde in Herford in Westfalen eine neue Verlagsbuchhandlung mit dem alten Namen gegründet; Dieter Beuermann editierte dort Sachbücher, Kunstbände, später auch Berlin-Literatur, verlegte den Standort in den 70er-Jahren nach West-Berlin und verkaufte 1995 die Nicolaische Verlagsbuchhandlung im wiedervereinigten Berlin an den Holtzbrinck-Konzern, der aber nur knapp zehn Jahre Geduld hatte. 2004 wurde sie vom Verleger Andreas von Stedman übernommen, der vom Dumont-Reisebuchverlag gekommen war. Eine Weile versuchte der noch, den Verlag auf einem Markt mit vielen Konkurrenten in einer Nische für das besondere Berlin-Buch zu erhalten. Zuletzt, Ende 2018, hat die Medienmanagerin Christiane zu Salm eine Neubelebung versucht, nannte den Verlag Nicolai Publishing & Intelligence und publizierte Sachbücher zwischen Wissenschaft und Zeitgeist, verfasst von debattenbewährten Autoren. Doch das Konzept ließ sich nicht durchsetzen.

Als die Branchenpresse jetzt verkündete, der Nicolai-Verlag werde wiederbelebt mit Martina Tittel an der Spitze, klang das in mehrfacher Hinsicht vielversprechend. Die Mittsechzigerin war mehrere Jahre Geschäftsführerin des Kulturkaufhauses Dussmann, sie leitet seit 2014 die Nicolaische Buchhandlung in Friedenau, dreimal wurde sie bisher mit dem Deutschen Buchhandlungspreis geehrt. Seit 2021 steht sie dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Berlin-Brandenburg vor. Sie kennt die Verhältnisse.

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Drei Bücher pro Saison sind zunächst geplant, wenn der Nicolai-Verlag an seine alte Adresse zieht. Am Mittwoch wird das Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt, dann ist Dieter Beuermann als Senior-Verleger dabei und auch Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird sprechen, denn das im Zweiten Weltkrieg beschädigte und seit 1950 wiederaufgebaute Haus gehört der Stiftung.  © Berliner Zeitung

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