Katharina Günther-Wünsch (CDU) steht am Stand der Berliner Oberstufenzentren und spricht mit zwei Herren in Anzügen.

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Die Betreuer des gegenüberliegenden Stands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verfolgen das Gespräch der Senatorin für Bildung, Jugend und Familie gespannt und flüstern einander zu.

Günther-Wünsch besucht am Samstag den "Berlin-Tag", Deutschlands größte Informations- und Berufsmesse zum Thema Bildung. In alten Bahnhofshallen am Gleisdreieck stehen 250 Stände der Berliner Schulen, Kitas oder Jugendämter. Die Messe soll vor allem eins erreichen: Fachkräftegewinnung.

Auf die Frage, ob sie den Stand der GEW besucht habe, antwortet Senatorin Günther-Wünsch später: "Nein, ich war weder bei der GEW noch bei Verdi, weil ich tatsächlich sage, heute liegt der Fokus darauf, neue Kolleginnen und Kollegen anzuwerben und die Gewerkschaften – gerne ab Montag wieder."

Die Gewerkschaften GEW und Verdi hatten ab Montag zu einem unbefristeten Streik in Berlins kommunalen Kitas aufgerufen. Sie fordern einen Tarifvertrag oder andere Vereinbarungen für bessere Arbeitsbedingungen, kleinere Kita-Gruppen und andere Entlastungen für die Belegschaft. Das Land Berlin hatte gegen den anstehenden Streik vor dem Arbeitsgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht, in dessen Folge das Gericht am Freitag den unbefristeten Kita-Streik untersagte.

Am Stand der GEW sagt Erzieherin Christiane Weißhoff, die als Einzige der Gruppe keine rote Weste trägt: "Die Arbeitsbedingungen in den Kitas sind sehr schwierig." Bei der hohen Belastung und dem hohen Krankenstand sei es schwer, "den eigentlichen Berufsauftrag durchzuführen". Auch ihr stelle sich die Frage "Wie kann man die Kitas mit mehr Personal ausstatten?", denn sie erzählt: "Wir merken, dass viele aus dem Beruf abwandern, weil er zu anstrengend ist." Das könne man "im politischen Raum angehen und eben wie wir im gewerkschaftlichen." Weißhoff fordert auf Landes- und Bundesebene mehr Investitionen im Bildungsbereich und sagt: "Bessere Bedingungen am Arbeitsplatz wäre wahrscheinlich die beste Form von Fachkräftegewinnung."

Auf der Messe habe es, so Bildungssenatorin Günther-Wünsch, einen Besucherrekord und auch einen Anmelderekord gegeben. "Das macht deutlich, dass sich zunehmend mehr Menschen dafür interessieren, was für Möglichkeiten es eigentlich im Bildungsbereich gibt." Sie erzählt: "Ich höre immer mehr an den Ständen, dass sich viele Leute im Laufe ihres Berufslebens vorstellen können, dann doch wieder im sozialen oder pädagogischen Bereich mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, es fällt ganz häufig das Wort sinnstiftendes Arbeiten." Ein weiterer Grund für das große Interesse könne auch die wiedereingeführte und vor allem "so schnelle" Verbeamtung von Berliner Lehrkräften sein.

Auf die Nachfrage, wie viele neue Kräfte heute rekrutiert werden müssten, antwortet die Senatorin: "Es geht ja nicht um eine bestimmte Zahl, wir freuen uns, dass heute viele Leute da sind. Ich sage, Berlin kann jede Kollegin und jeden Kollegen gebrauchen, jeder ist herzlich willkommen und darum geht’s heute."

Besondere Aufmerksamkeit gilt auf der Messe der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Günther-Wünsch sagt: "Wir wollen zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, als qualifizierte Kollegin oder Kollege den ersten Schritt in unsere Schulen zu machen und sich dann wirklich zu etablieren, unterstützt zu werden, auch dauerhaft bei uns zu bleiben." Sie erzählt, sie freue sich, dass "dieser Stand im Zentrum steht und Sie sehen ja auch, dass wir einen hohen Andrang haben".

Ghaidaa Jakish trägt das orange Festivalbändchen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie am Handgelenk. Die Agraringenieurin möchte Quereinsteigerin werden. Unter ihrem Arm ist ein großer Stapel an Mappen und Prospekten. Sie ist seit drei Jahren in Deutschland, mit ausgestreckter Hand stellt sie sich den Schulleitern auf der Messe als "Frau Jakish" vor. Ihren syrischen Master-Abschluss in Biochemie habe die Berliner Verwaltungsstelle innerhalb kurzer Zeit anerkannt, erzählt sie. Die einzige Qualifikation, die ihr noch fehlt, sagt Jakish, sind deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau C2 – "Ich habe nur C1, ich glaube, das macht es für mich und alle anderen ausländischen Quereinsteiger schwer."

Das Sprachniveau C2 beschreibt im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen Sprachkenntnisse auf Muttersprachniveau; C1 dagegen fachkundige, fließende bis verhandlungssichere Sprachkenntnisse. Für eine unbefristete Einstellung als Lehrkraft sind in Berlin deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau C2 erforderlich. Bildungssenatorin Günther-Wünsch erklärt, als Bildungsverwaltung biete man aktuell Sprachkurse für Lehrkräfte aus der Ukraine an, dieses Angebot solle in Zukunft ausgeweitet werden.

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Ghaidaa Jakish erzählt, sie wolle Lehrerin in Mathe und Biologie bzw. Naturwissenschaften werden. Als Wunschbezirk nennt sie Lichtenberg, dort wohne sie und dort sei der Bedarf hoch. Sie ist zuversichtlich.  © Berliner Zeitung

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