"Schmoos ist arabisch, und es bedeutet Sonnenschein", sagt Schmoos Abdelmonim zur Begrüßung, und wohl kaum ein anderer Name könnte ihr Gemüt besser beschreiben.

Mehr News aus Berlin finden Sie hier

Wie kommt eine Frau als Flüchtling aus Khartum, Sudan ins beschauliche Templin? Wie wird man dort aufgenommen? Wissen Deutsche überhaupt vom Krieg im Sudan?Fragen über Fragen, die Schmoos Abdelmonim, 35, gerne und ausführlich beantwortet. Weil sie nach knapp zwei Jahren in Deutschland noch nicht perfekt Deutsch spricht, erzählt sie auf Englisch. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

"Ich habe in Khartum an der Kunst-Fakultät studiert, Archäologie und Psychologie", erzählt sie. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie dann aber erst mal bei einer Bank, im Marketing. "Dort kam ich in Berührung mit dem Bereich E-Payment-Technologie. Das faszinierte mich. Und ich spezialisierte mich dann darin", sagt sie, ihre Augen leuchten. Neun Jahre lang arbeitete sie in Khartum in diesem Bereich, und sie liebte den Job. In Khartum heiratete sie, das Paar hat zwei Kinder. Sie lebte mit der Familie ihres Ehemannes in einem Haus. Finanziell ging es der Familie gut, Schmoos Abdelmonim fuhr jedes Jahr mit ihren Kindern nach Europa, wo verschiedene Verwandte wohnen, unter anderem in den Niederlanden und in Deutschland. Alles lief einigermaßen gut.

"Doch dann sind Schwierigkeiten aufgetaucht. Da sind Probleme, die ich als Frau im Sudan habe, und dann ist da der Bürgerkrieg", berichtet Schmoos. Im Frühjahr 2023 eskalierte im Sudan, dem drittgrößten Staat Afrikas, der Machtkampf zweier Generäle, das Land versank in Chaos und Gewalt. Mehr als acht Millionen Sudanesen verloren ihr Zuhause. Hunderttausende Menschen mussten fliehen. Die meisten davon in den Tschad, eines der ärmsten Länder der Welt.

Nachdem Schmoos Abdelmonim mit ihrer Familie Khartum verlassen hatte, wurde es weitgehend zerstört und entvölkert. "Wenn du über den Sudan liest, in den Medien, siehst du, dass es ein Desaster ist", sagt sie.

Schmoos Abdelmonim mit ihrem Sohn
Schmoos Abdelmonim mit ihrem Sohn © Markus Wächter/Berliner Zeitung

Zwei Monate, bevor der Krieg richtig losging, entschied sich Schmoos, nach Deutschland zu fliehen. Das war vor knapp zwei Jahren. Ihr Mann arbeitet bei der Polizei im Sudan. Deshalb konnte er die Anzeichen des Bürgerkrieges rechtzeitig deuten, er sorgte sich um die Familie. Schmoos nahm ein Flugzeug von Khartum nach Frankfurt am Main und blieb erst mal bei ihrer Schwester, die schon lange in Wiesbaden wohnt und dort einen guten Job hat. Ihr Visum war jedoch nur einen Monat gültig. Deshalb ging sie zum Einbürgerungsamt. Und dort geschah das Schreckliche: "Die Dame dort sagte mir kurz angebunden, dass ich zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge nach Eisenhüttenstadt muss, und mich dort einer Musterung unterziehen muss, und drückte mir ein Bahnticket in die Hand." In Eisenhüttenstadt musste sie in einem "schrecklichen" Camp über einen Monat ausharren, bis die Ämter über ihr weiteres Schicksal entschieden.

Während dieses ersten Monats im Camp erhielt sie kein Geld oder sonstige Leistungen. In diesem ersten Monat habe sie oft geweint, es sei schrecklich gewesen. "Das sind die Regelungen. Das musst du jetzt durchstehen", habe ihr ihre Schwester am Telefon gesagt, um sie zu trösten. Sie musste auf ihr erstes und dann auf das zweite Interview warten, um dann einen Heimplatz zu bekommen und den Asylprozess anzufangen. "In dem Camp in Eisenhüttenstadt waren Flüchtlinge aus aller Welt, nur aus der Ukraine gar keine", erzählt Schmoos Abdelmonim.

Sie machte sich auf die Suche nach einer Flüchtlingshilfe, und fand den KommMit e.V. in Eisenhüttenstadt. "Dort traf ich auf einen Mann, der mir sehr geholfen hat, und mir meinen Stress nahm." Irgendwann fanden dann die Interviews statt. Sie dauerten eineinhalb Stunden. Das sei relativ kurz, sagt Schmoos Abdelmonim, bei anderen Flüchtlingen könnten sie schon mal fünf oder sechs Stunden dauern.

Nach einem Monat in Eisenhüttenstadt wurde Schmoos Abdelmonim dann in das Camp nach Frankfurt an der Oder geschickt. Das Camp in Frankfurt sei wesentlich besser als das in Eisenhüttenstadt, sagt sie. Doch damit war ihre Odyssee nicht beendet. "Nach drei Wochen in Frankfurt wurde ich dann nach Wünsdorf transferiert." Dann endlich, nach einem Monat in Wünsdorf, erhielt sie mit ihren Kindern einen Platz in einem Wohnheim in Templin.

Und in Templin bekam sie ein halbes Jahr später eine eigene Wohnung, wo sie jetzt mit ihrer ganzen Familie lebt. Ihr Mann kam vor acht Monaten nach Templin, zum Glück, wie sie sagt. Denn eine Zeitlang konnte sie ihn im Sudan nicht erreichen, da wegen des Krieges das Internet ausgeschaltet war.

"Ich liebe Templin", ruft Schmoos Abdelmonim, und das vor allem, weil viele dort so hilfreich wären. Vor allem ein Mitarbeiter der Johanniter wäre ein echter Schatz gewesen, ihm habe sie viel zu verdanken. Er habe extrem viel Geduld und höre jedem, der Hilfe sucht, intensiv zu. Während andere Mitarbeiter in den Büros der Flüchtlingsheime eher Dienst nach Vorschrift machten, habe sie in Templin echte menschliche Hilfe erfahren.

Neben der Wohnung, die das Amt für Schmoos Abdelmonim bezahlt, erhält sie für sich und ihre beiden Kinder rund 1100 Euro pro Monat. Zweimal pro Woche organisieren die Johanniter in Templin ein Integrationscafé, sich dort auf Deutsch zu unterhalten, habe ihr sehr geholfen.

Von anderen hat die Sudanesin schon oft gehört, dass es im Osten Deutschlands Rassismus gegen Ausländer gäbe und damit verbundene Schwierigkeiten. Sie lebt aber jetzt ein Jahr in der Uckermark und hatte bisher keine Probleme. "Im Gegenteil, ich fühle mich wohl und bin diesem Land sehr dankbar, weil es mir und meinen Kindern Sicherheit und Unterstützung gegeben hat", sagt Schmoos. Sie beobachtet auch, wie die Partei Alternative für Deutschland in Ostdeutschland große Zuwächse generiert. Von ihren Freunden ist niemand für diese Partei. "Sicherlich hat jeder Mensch das Recht, die Partei zu wählen, die ihn vertritt, aber ich selbst bin gegen Rassismus in all seinen Formen", sagt sie.

Die bevölkerungsarme Uckermark muss im Jahr 2024 laut Verteilschlüssel 891 Flüchtlinge aufnehmen, davon sind 500 bereits untergebracht. Doch für die übrigen 391, so schreibt eine Lokalzeitung, wird es eng werden. Es sind vor allem alleinreisende junge Männer, und für sie wird es schwer, freie Kapazitäten zu finden. Dazu kommt das Problem der sogenannten Fehlbeleger, also der Flüchtlinge, die gemäß ihrem Aufenthaltsstatus arbeiten und eine Wohnung anmieten könnten, die aber trotzdem noch im Heim geblieben sind. In verschiedenen Orten der Uckermark gab es auch Proteste, weil zum Beispiel Turnhallen zweckentfremdet wurden und als Notunterkünfte dienen mussten.

Schmoos Abdelmonim steht auf dem Balkon ihrer Wohnung.
Schmoos Abdelmonim steht auf dem Balkon ihrer Wohnung. © Markus Wächter/Berliner Zeitung

In Templin, der Heimatstadt von Angela Merkel, leben rund 16.000 Menschen. Der Ausländeranteil liegt unter einem Prozent. Weil hier viele Menschen kein Englisch sprechen, besucht Schmoos Abdelmonim Deutschkurse. Ihre Kinder gehen in die Goethe-Schule in Templin. Anfangs wurde ihr Sohn dort wegen seiner Hautfarbe gehänselt, doch nach Gesprächen mit dem Lehrerkollegium hat das schnell aufgehört. Beide Kinder sprechen gut Deutsch und machen gute Fortschritte in der Klasse, sie gehen gerne zur Schule und haben Freunde.

Wie Schmoos Abdelmonim die derzeitige politische Diskussion rund um die Flüchtlingsfrage beurteilt? "Ich verfolge das intensiv, und informiere mich vor allem auf dem YouTube-Kanal von Khaled Bozan", antwortet sie nachdenklich. Bozan hat mehr als 660.000 Follower und übersetzt zum Beispiel deutsche Nachrichtensendungen auf Arabisch. Auch gibt er viele Tipps im Umgang mit deutschen Behörden, gibt Hilfestellung zu Sprachkursen und vieles mehr, was Flüchtlinge bewegt.

Die junge Sudanesin ist sich der angespannten Situation der Flüchtlingspolitik in Deutschland bewusst. "Natürlich haben die Deutschen jedes Recht, sich um ihr Land zu sorgen." Sie fügt an, dass alle möglichen Menschen nach Deutschland kommen würden. Gute und schlechte. Schmoos Abdelmonim: "Das ist das Leben." Für sie sei Deutschland nun ihre Heimat. Allerdings sei der Prozess der Integration alles andere als einfach. Die Sprache sei ziemlich schwer, und dann wäre da noch das Riesenproblem der Übertragung von Diplomen aus dem Ausland, das ginge sehr vielen Flüchtlingen so, die in Deutschland arbeiten wollten.

www.Berliner-Zeitung.de
Um Zugang zu allen exklusiven Artikeln von Berliner-Zeitung.de zu erhalten, können Sie hier ein Abo abschließen (1 Monat Gratis)

Von ihrer Schwester erhielt sie den Rat, dass sie in Deutschland, ohne Deutsch zu sprechen, keine Karriere machen könne. Momentan steht sie auf einer Warteliste für den Deutschkurs B2, doch weil es zu viele Schüler gebe und zu wenig Kurse, sei noch Geduld gefragt.

"Wenn du in einem anderen Land bist, musst du natürlich die Regeln beachten, die in diesem Land gelten", sagt Schmoos Abdelmonim. Sie sei zum Beispiel oft in Sorge wegen ihrer Kinder. Was ihnen alles zustoßen könne! Sie sei immer in Sorge. In Templin, wo es immer noch relativ wenige Menschen mit dunkler Hautfarbe gebe, fühle sie bei Spaziergängen, dass sie beobachtet werde. Außer ihr gibt es in Templin nur eine weitere Familie aus dem Sudan. Im Camp in Eisenhüttenstadt gebe es allerdings viele Flüchtlinge aus dem Sudan, die auf Plätze in Heimen warten.

Schmoos Abdelmonim arbeitet als Ehrenamtliche in Templin und habe jetzt schon einige deutsche Freunde. "Wenn die Menschen merken, dass du Gutes im Schilde führst, wirst du hier schnell akzeptiert", sagt sie. Sie wisse aber auch, dass sie es leichter habe als Frauen, die den Hijab oder die Burka tragen. "Ich habe ein Ziel vor Augen", sagt sie. Sie wolle erfolgreich sein, und dem Land, in dem sie wohne, etwas zurückgeben.

Empfehlungen aus dem BLZ-Ticketshop:  © Berliner Zeitung

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.