75 Jahre F.A.Z.: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung trägt seit 75 Jahren den Namen der Stadt Frankfurt in alle Welt: Die Rede von Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) beim Festakt zu Ehren der F.A.Z. am Montagabend im Wortlaut.
"Dahinter steckt immer ein kluger Kopf" – Sie alle kennen diesen Spruch. Lange habe ich geglaubt, mit den klugen Köpfen seien die Herausgeber und Redakteurinnen und Redakteure der F.A.Z. gemeint.
Und tatsächlich sind die Journalistinnen und Journalisten der F.A.Z. in der Regel kluge Köpfe, wie ich als Leser dieser Zeitung weiß. Natürlich stimme ich nicht immer mit den politischen Einschätzungen Ihres Blattes überein. Aber selbst wenn ich anderer Meinung bin, muss ich doch anerkennen, dass Ihre Kommentare immer bedenkenswert sind.
Irgendwann hat mir einer Ihrer klugen Köpfe geraten, den Werbespruch und das dazugehörende Bildmotiv doch einmal genau anzusehen. Und was entdeckte ich? Eine zeitungslesende Person, deren Kopf und Oberkörper durch die F.A.Z. verdeckt wird.
Da ist mir ein Licht aufgegangen. Mit dem "klugen Kopf" sind die Lesenden gemeint. Und da ich, wie gesagt, allein schon meines Amtes als Frankfurter Oberbürgermeister wegen die F.A.Z. lese, bin also auch ich ein "kluger Kopf". Wie wunderbar. Ich danke Ihnen für das Kompliment.
"Wir brauchen die Kritik"
Wie Sie sicherlich aus eigener Erfahrung wissen, haben Politiker ein etwas angespanntes Verhältnis zur Presse. Mit deren Hilfe wenden wir uns an die Bürger, die Medien helfen uns dabei, unsere Pläne, Einschätzungen, Botschaften und auch Taten – ja, manchmal bringen wir etwas zustande – unters Volk zu bringen. Und wenn Sie, die Journalistinnen und Journalisten, unsere Arbeit gut bewerten, sind wir glücklich und hoch zufrieden mit der Presse. Doch wehe, wenn Sie uns kritisieren und unsere Pläne und Projekte zerpflücken. Dann empfinden wir das meistens als höchst ungerecht, parteiisch, polemisch, unsachlich, kurzum: als völlig falsch.
Auch wenn ich mich mal wieder über bestimmte Artikel oder Sendungen ärgere, ist mir sehr bewusst, wir brauchen die Kritik. Vor allem die Kritik seriöser Zeitungen, wie die F.A.Z. eine ist. Auf ihre Berichte und Nachrichten kann man sich verlassen. Und die Kommentare? Sie sind, wie gesagt, klug begründet. Und erlauben Sie mir die persönliche Anmerkung, die F.A.Z. trennt sauber zwischen Artikel und Kommentar. Selbst wenn ich anderer Auffassung bin, kann ich dem journalistischen Handwerk aus Ihrem Haus vertrauen.
Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen bilden für uns eine unverzichtbare Brücke zu den Bürgern, zur Bevölkerung. Ohne Presse, ohne eine freie und seriöse Presse funktioniert die Demokratie nicht. Deshalb sage ich als ein von der F.A.Z. beglaubigter kluger Kopf: Die F.A.Z. ist unverzichtbar. Für die Welt, für Deutschland, für Frankfurt.
"Ungemein wirksame Werbung für Frankfurt"
Ihre Zeitung trägt seit 75 Jahren den Namen unserer Stadt in alle Welt. Das ist eine ungemein wirksame Werbung für Frankfurt. Und das Beste für uns im Römer ist: Wir müssen keinen Cent dafür ausgeben. Welch ein Glück für uns Frankfurter, dass die Gründer der F.A.Z. ihre neue Zeitung damals nicht "Allgemeine Zeitung" genannt haben.
Und dass sie einen Lokalteil für die Frankfurter und die Bewohner der Rhein-Main-Region der "Zeitung für Deutschland" hinzugefügt haben, die heutige Rhein-Main-Zeitung, die meine Arbeit im Römer und die meiner kommunalpolitisch aktiven Kollegen eng begleitet. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich immer von Ihren Berichterstattenden fair behandelt gefühlt habe. Und das als Sozialdemokrat.
Frankfurt ist eine ausgesprochene Zeitungsstadt. Neben der F.A.Z. als einem deutschen Leitmedium erscheint hier auch noch die "Frankfurter Rundschau" und die "Frankfurter Neue Presse". Eine solche Vielfalt finden Sie in fast keiner anderen deutschen Stadt mehr. Im Gegenteil. Überall in Deutschland gehen Zeitungen ein oder gehen in einem Konzern auf. Alle kämpfen gegen einen Rückgang der Auflage und der Anzeigen. Die F.A.Z. dagegen hat ihre Unabhängigkeit bewahren können – dank einer Stiftungskonstruktion, die nicht zuletzt dafür sorgt, dass alle Gewinne reinvestiert werden.
"Angebote erfinden, die wirtschaftlich funktionieren"
Aber auch die F.A.Z. leidet unter dem Rückgang der Auflage und dem Verlust von Anzeigen. Auch Ihr Blatt muss einen Weg finden, im Zeitalter des Internets zu bestehen. Auch Sie müssen digitale Angebote erfinden, die wirtschaftlich funktionieren. Wenn man die Geschichte der F.A.Z. anschaut, darf man die Hoffnung hegen, dass Ihre Zeitung auch schwierige Situationen meistern kann.
Als vor 75 Jahren am 1. November 1949 die erste Ausgabe der F.A.Z. herauskam, hauste die Redaktion in einer Wohnung an der Kaiserstraße im Frankfurter Bahnhofsviertel. Der spätere Herausgeber Jürgen Eick beschrieb diese Anfangszeit folgendermaßen: "Kein Mensch kann sich heute vorstellen, wie arm, wie armselig – und wie glücklich wir damals waren."
Ein Jahr später konnte die Redaktion in eine Etage eines Geschäftshauses an der Börsenstraße umziehen, doch die Lage der Zeitung war dennoch alles andere als glänzend. "Wir waren ein paar Leute, schwach bei Kasse, arbeiteten in gemieteten Büroräumen, unsere Zeitung wurde in einer Druckerei hergestellt, an der wir nicht einmal beteiligt waren", beschrieb der einstige Wirtschaftsredakteur Heinz Brestel die Lage.
Dennoch, meine Damen und Herren, hat die F.A.Z. es geschafft, eine Zeitung von internationalem Rang zu werden. Und wirtschaftlich erfolgreich zu sein. 1962 konnte sie im Gallusviertel ein Gebäude mit zwölf Stockwerken bauen und beziehen. 1988 kam ein moderner Neubau gegenüber an der Hellerhofstraße hinzu, der inzwischen schon wieder Geschichte ist. Heute residiert die F.A.Z. in einem Tower an der Pariser Straße im Europaviertel.
Als "kluge Köpfe" haben Sie natürlich längst erkannt, dass die Zeiten sich ändern. Das weiß man auch bei der Stadt Frankfurt. Weil Frankfurt an einer funktionierenden Presse interessiert sein muss und ist, unterstützen wir die F.A.Z. und die freie Presse, soweit dies möglich ist.
Unsere Unterstützung basiert übrigens auf Eigennutz. Denn unsere Demokratie braucht eine funktionierende Öffentlichkeit, wir brauchen seriöse Medien – wie die F.A.Z. Das sehen wir im Übrigen gerade auch in den USA. Machen Sie Ihr Haus zum Nutzen Deutschlands und seiner Bürger sturmfest und zukunftssicher. Das rät Ihnen ein "kluger Kopf" aus dem Römer. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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