Guter Rat ist bei FDP teuer: Die hessische FDP setzt in ihrer Wahlkampagne voll auf ökonomische Themen.

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Angesichts des wirtschaftsnahen CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz klingt das nicht nach einer originellen Strategie.

Bettina Stark-Watzinger hat in der hessischen FDP deutlich an Rückhalt verloren. Dass die Parteichefin bei ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin im anstehenden Bundestagswahlkampf zwölf Prozentpunkte weniger verbuchte als im Jahr 2021, hängt vor allem mit den negativen Schlagzeilen zusammen, die sie als Bundesbildungsministerin ausgelöst hat.

Die Vorstellung, Wissenschaftlern, die einen kritischen Aufruf zur polizeilichen Räumung eines propalästinensischen Protestcamps unterzeichnet haben, die finanzielle Förderung zu kürzen, stößt bei Liberalen auf besonders großen Unmut. Dass auch die anderen wieder aufgestellten Bundestagskandidaten bei dem Delegiertentreffen in Wetzlar mehr oder weniger große Stimmeneinbußen hinnehmen mussten, zeigt zudem auch, dass die Stimmung in der Landespartei insgesamt eher trübe ist. Und Stark-Watzinger ist die Landesvorsitzende.

Die drei Jahre in der Ampelregierung haben ihre Wirkung getan. Und die liberale Basis ist noch nahe genug am Volk, um wahrzunehmen, dass auch der Ausstieg aus der Regierung den vorher angerichteten Schaden nicht wiedergutgemacht hat. "Unser Koalitionspartner ist die Mitte der Gesellschaft", sagt Stark-Watzinger. Das ist ein hübsch formulierter machtpolitischer Offenbarungseid.

Stefan Naas, der Chef der hessischen Landtagsfraktion, spricht von dem "Irrglauben, dass wir da draußen Freunde hätten". Doch ein junger Frankfurter Liberaler hat Friedrich Merz jedenfalls als potentiellen Partner im Blick. Dem Kanzlerkandidaten der Union werde seine Zeit bei der Investmentgesellschaft Blackrock völlig zu Unrecht vorgeworfen, stellt er fest. Denn das Unternehmen habe mehr für die Rentner in Deutschland bewirkt als die SPD in ihrer ganzen Regierungszeit.

Der Debattenbeitrag kann aber nicht über Dilemma hinwegtäuschen, mit dem die FDP in den Wahlkampf zieht. Sie weiß inzwischen, dass es ein Fehler war, als sie vor der hessischen Landtagswahl 2018 die Parole ausgab, die CDU sei nicht mehr ihr natürlicher Partner. Nach den leidvollen Erfahrungen mit der Ampel steht für die FDP zweifelsfrei fest, dass die Union unter inhaltlichen und mentalen Aspekten der einzige für sie in Frage kommende Partner ist. Doch dessen Galionsfigur ist in Wirtschaftsfragen so versiert, dass er der FDP das Wasser abzugraben droht.

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Trotzdem setzen Stark-Watzinger und Naas voll auf die ökonomischen Themen – nur noch etwas entschiedener als die CDU. Nach einer genialen Strategie hört sich das nicht an. Auch den Liberalen selbst scheint klar zu sein, dass schwere Zeiten auf sie zukommen könnten.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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