OB-Wahl Wiesbaden: Im März wird in Wiesbaden der Oberbürgermeister gewählt. Zum Ablauf der Bewerbungsfrist erhöht sich die Zahl der Herausforderer von Amtsinhaber Mende überraschend auf neun.
Rund 15.000 Euro Grundgehalt monatlich verdient der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden. Doch die Entlohnung entsprechend der Besoldungsgruppe B10 wird es nicht sein, die ausschlaggebend für eine Kandidatur zur Wiesbadener Direktwahl am 9. März ist. Denn realistische Wahlchancen haben nur sehr wenige Bewerber. Zumal der angesehene Amtsinhaber nach einer zweiten, sechsjährigen Amtszeit strebt. Das mindert erfahrungsgemäß die Chancen von Außenseitern. Dass bis zum Ende der Frist am Montagabend zehn Kandidaten ihre Unterlagen im Wiesbadener Wahlamt abgeben würden, war daher nicht zu erwarten. Wochenlang war lediglich von acht Bewerbern die Rede.
Als erster hatte Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) Ende April vergangenen Jahres in einem Brief an die Mitglieder des SPD-Kreisverbands Wiesbaden seine Bereitschaft zur abermaligen Kandidatur erklärt und diese unter das Motto "Zusammenhalt" gestellt. Mende hatte damit seine Zusage an die Partei erfüllt, etwa ein Jahr vor der Wahl Klarheit zu schaffen. Die Erleichterung der SPD war groß.
Die Grünen zogen einige Wochen später mit ihrer Kandidatin Gesine Bonnet nach, die seit der Wahl von Christiane Hinninger zur Dezernentin und Bürgermeisterin die neue Co-Vorsitzende der Grünen-Rathausfraktion ist.
Die CDU ließ sich unerwartet bis nach der Sommerpause Zeit. Lange wurde Stadtverordnetenvorsteher Gerhard Obermayr als aussichtsreicher Kandidat gehandelt, doch dieser sah sich seinem Bildungsunternehmen verpflichtet und dort unabkömmlich. Die örtlichen CDU-Abgeordneten aus Bundes- und Landtag interessierten sich nicht für die Aufgabe, und in der Rathausfraktion schien niemand prädestiniert. Die CDU unter ihrem Vorsitzenden Ingmar Jung machte aus der Personalnot eine Tugend und fand mit dem parteilosen Unternehmer Thilo von Debschitz einen Bewerber, hinter den sich auch die FDP zu stellen vermochte. Damit war das Feld der aussichtsreichen Bewerber schon bestellt. Doch das hinderte die kleineren Parteien und Fraktionen nicht, eigene Kandidaten aufzustellen, um im Wahlkampf politisch Flagge zu zeigen. Für die Wiesbadener Linke tritt wie schon vor sechs Jahren ihr heutiger Fraktionschef Ingo von Seemen an, der seinerzeit 4,8 Prozent der Stimmen erzielt hatte.
Die Initiative "Pro Auto" schickt mit Christian Hill ihren – einzigen – Stadtverordneten in den Wahlkampf, der mit prägnanten Aussagen zur Verkehrspolitik häufig für Aufmerksamkeit sorgt. Seine Bewerbung war insofern überraschend, als "Pro Auto" mit der Freien Wählergemeinschaft (FWG) eine Fraktionsgemeinschaft im Stadtparlament bildet und diese Anfang Oktober den in Wiesbaden gebürtigen Diplom-Kaufmann Andreas Gutzeit nominierte. Der parteilose FWG-Kandidat setzte sich nach einer "Stellenausschreibung" unter insgesamt 22 Bewerbern durch, berichtete Vorsitzender Christian Bachmann, der 2019 selbst kandidiert und damals 3,5 Prozent erreicht hatte.
Der FWG-Kandidat Gutzeit darf allerdings nicht mit dem zuvor schon nominierten FW-Kandidaten Matthias Bedürftig verwechselt werden. Denn die politische Partei Freie Wähler (FW) und der eingetragene Verein Freie Wählergemeinschaft (FWG), der allein im Stadtparlament vertreten ist, marschieren in Wiesbaden getrennt voneinander. Mitte November zog die AfD nach und nominierte den Stadtverordneten Ralf Offermanns zum eigenen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl.
Damit schien das Bewerberfeld aus den politischen Lagern endgültig komplettiert. Aus dem Linksbündnis aus Grünen, SPD, Linke und Volt hatte sich einzig Volt gegen einen eigenen Bewerber entschieden und angekündigt, eine Art kommunalen Wahl-O-Mat für die Abstimmung am 9. März zu entwickeln, damit den Bürgern die Abstimmung leichtfällt.
Überraschend kamen kurz vor Fristablauf noch zwei weitere Bewerbungen hinzu: Für die Satirepartei "Die Partei" tritt der fraktionslose Stadtverordnete Lukas Haker an, der schon als Mainzer Oberbürgermeisterkandidat angetreten war. Und die Unabhängige Liste Wiesbaden schickt Elmar Krebber ins Rennen. Am 10. Januar wird der Wahlausschuss über die Zulassung der Wahlvorschläge entscheiden.
Vor sechs Jahren, als kein Amtsinhaber angetreten war, weil Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) wegen Vorwürfen der Vorteilsnahme auf eine zweite Kandidatur verzichtet hatte, waren es insgesamt nur sieben Bewerber. Mende und CDU-Bewerber Eberhard Seidensticker zogen damals in die Stichwahl, die Christiane Hinninger (Grüne) um nur 1,1 Prozentpunkte knapp verpasst hatte. Die Stichwahl entschied dann Mende klar für sich. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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