Haushalt im Mousonturm: Optimismus zeigen trotz angespannter Lage: Weil es keinen Bundeshaushalt gibt und Kosten gestiegen sind, muss auch das Künstlerhaus Mousonturm auf Sicht fahren., Optimismus zeigen trotz angespannter Lage: Weil es keinen Bundeshaushalt gibt und Kosten gestiegen sind, muss auch das Künstlerhaus Mousonturm auf Sicht fahren.

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Saeko Killy ist die Letzte gewesen. Die in Berlin lebende Japanerin war kurz vor Weihnachten Gast des letzten Konzerts der Reihe "Der geheime Salon" am Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm. Ein Kult gewordener Treff für Freunde ambitionierter elektronischer Musik, oder, wie es seit Oktober 2017 hieß, "randständige Musik an der Schnittstelle von elektronischem Experiment und Clubkultur", kuratiert vom Frankfurter Tape-Label MMODEMM, hinter dem das Duo Les Trucs steckt. "Danach ist leider (vorerst) Schluss mit dem Salon, denn uns fehlt das Geld", hieß es betont munter im Newsletter des Mousonturms.

Es ist die unverblümte Kommunikation eines verschleppten Zustands: Bundesmittel sind auf Eis gelegt, deshalb brechen etablierte regionale Kulturangebote weg. Erst hatte der Kulturhaushalt des Bundes für die freie Kunst nahezu halbiert werden sollen, dann kam das Aus der Ampelkoalition. Das und die generell verschärfte Lage schlagen sich auch auf ein regional verankertes, international tätiges Haus wie den Mousonturm nieder. Seit 1988 vertritt er als Plattform und Produzent freier Künstler und Gruppen Frankfurt und die Region als feste Größe im Geschäft. Jetzt müssen Reihen wie der "Geheime Salon" schließen, das Haus macht eine "Winterpause" bis 10. Januar, und dass das Programm dünner geworden ist in den vergangenen beiden Jahren, fällt nicht nur dem Stammpublikum auf.

Intendantin Anna Wagner, seit September 2022 zusammen mit Marcus Droß an der Doppelspitze des Hauses, ist dennoch optimistisch. "Sonst wäre ich an der falschen Position", sagt sie: "Wir sind den Sommer über schon sehr aktiv gewesen und haben auf die Lage aufmerksam gemacht. Es hat eine große Sensibilisierung auf politischer Ebene stattgefunden, im Bund und in der Stadt." Seit im Juli die Kürzungspläne im Haushalt der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Claudia Roth (Die Grünen), weithin bekannt geworden waren, hatte es Petitionen, Briefe, Proteste und politische Gespräche gegeben. Dann kam das Ampel-Aus. 600.000 Euro, die direkt für das Programm hätten verwendet werden sollen, fehlen dem Mousonturm nun im Budget. Die Zukunft dieses Geldes sei erst einmal ungewiss, sagt Wagner: "Wir sind in Gesprächen, die Stadt ist sich bewusst, dass etwas passieren muss. Wir fahren derweil auf Sicht."

Aktuell keine gesicherte Finanzierung

Dabei gehe es nicht nur um die Frage, wie viel Geld man zur Verfügung habe, sondern auch darum, wann mit ihm zu rechnen sei. "Projekte haben einen Planungsvorlauf von oft mehr als einem Jahr", sagt Wagner: "Es ist eine herausfordernde Situation, nicht nur für uns, auch für die Stadt und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Alles ist in eine vorläufige Haushaltsführung übergegangen, das heißt, in allen sieben internationalen Produktionshäusern in Deutschland hängt vieles in der Luft."

Auch die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) hatte im Sommer wegen der Kürzungen an Roth geschrieben und für eine Beibehaltung der Mittel plädiert. "Ebenso haben alle Frankfurter Koalitionsfraktionen ihre Abgeordneten im Bundestag auf die Problematik aufmerksam gemacht, um sich vor Ort für die Arbeit des Netzwerks Internationaler Produktionshäuser stark zu machen", so Hartwig, die dem Aufsichtsrat des Mousonturms vorsitzt: "Für den Mousonturm werden wir nun mit aller Kraft gemeinsam eine Lösung finden. Klar ist, dass das hervorragende Angebot für die regionale und auch internationale Kulturszene erhalten werden muss." Sie stehe fest hinter dem Leitungsteam.

Derzeit müssen aus nationalen Projektmitteln geförderte Angebote wegfallen. "Der Geheime Salon musste schon immer durch sogenannte Drittmittel gefördert werden, im letzten Jahr durch das Bündnis internationaler Produktionshäuser, 2023 zum Beispiel über den Musikfonds", sagt Wagner: "Beide Strukturen werden durch den Bund finanziert." Wie es mit ihnen weitergehe, sei seit dem Sommer unklar. Nach den massiven Kürzungsvorschlägen für den Bundeshaushalt und Roths Etat hatte es hinter den Koalitionskulissen intensive Gespräche darüber gegeben, ob die Kulturkürzungen zurückgenommen werden könnten. Es wurde dann jedoch nichts beschlossen, bis die Ampelkoalition auseinanderbrach. Weil man aktuell keine gesicherte Finanzierung habe, lägen im Mousonturm und bei zahlreichen anderen "erst einmal viele Vorhaben auf Eis", so Wagner.

Massive Kostensteigerungen bei Struktur- und Betriebskosten

Die Stadt Frankfurt fördert den Mousonturm als städtische GmbH, 2024 lag der Zuschuss bei 4,42 Millionen Euro. In diesem Jahr soll er auf 4,45 Millionen Euro erhöht werden. Zusätzlich erhielt das Haus 2024 von der Stadt 500.000 Euro für die Junge Theaterwerkstatt am Zoo, die den Weg für ein kommunales Kinder- und Jugendtheater bereiten soll. Auch 2025 soll es diese Summe geben, davon werden Gastspiele, Produktionen und ein umfangreiches Bildungs- und Vermittlungsprogramm verwirklicht.

Was fällt weg? "Nichts", so Wagner, nach jetzigem Stand: "Es geht um die Frage, wie es in ein paar Monaten weitergeht." Der Mousonturm sei nicht das einzige Haus, das zahlreiche Programmpunkte über Drittmittel finanziere. Zusätzlich ächzten alle Kulturbetriebe unter gestiegenen Kosten und tarifbedingten Steigerungen. "Wir haben für den aktuellen Anstieg der Personalkosten 2024 mehr Geld von der Stadt bekommen, auch 2025 bekommen wir dafür mehr." Wagner spricht von großem Verständnis und Rückhalt, den sie und Droß in der Stadtpolitik wahrnähmen: "Alle sind sich der herausfordernden Situation bewusst und bemühen sich. Aber wenn keine Lösung gefunden werden kann, wird sich die Lage drastisch verschlimmern."

Die massiven Kostensteigerungen bei Struktur- und Betriebskosten verbinden sich für Droß und Wagner mit der Ungewissheit, ob wichtige Programmgelder wie die Bundesmittel im Laufe des Jahres 2025 überhaupt noch bewilligt werden. Mehrere Entwicklungen träfen aufeinander. "In den vergangenen zehn Jahren hat es allgemeine Kostensteigerungen von ungefähr 27 Prozent gegeben, nur ein Teil davon konnte ausgeglichen werden", so Wagner: "Alle, die nicht profitorientiert arbeiten, etwa auch Sozialeinrichtungen, leiden darunter. Es müsste also mehr Geld in das System kommen."

Produktionshäuser wie der Mousonturm arbeiteten ohnehin schon sehr effizient und mit schlankem Apparat. Man bemühe sich, mehr Drittmittel einzuwerben: "Das System der Drittmittel bedeutet ja auch, dass man sich in einen Wettbewerb begibt, vor allem aber auch, dass man Eigenmittel einbringen muss." Da überall weniger Geld zur Verfügung stehe, bedeute das, dass an Koproduktionen inzwischen immer mehr Partner mit kleineren Geldsummen beteiligt seien. Wenn sie denn überhaupt noch einsteigen könnten.

Gastspiele dieser Art hätten am Mousonturm entgegen anderslautender Eindrücke weder an Länge noch an Häufigkeit eingebüßt. Weiter fänden internationale Gastspiele meist zweimal statt, lokale Künstler spielten an durchschnittlich drei Abenden. Aber es gebe mehr Schließzeiten. Jetzt, um Weihnachten und Silvester herum, habe es eine längere Vorstellungspause gegeben. "Grundsätzlich ist es uns wichtig, das Haus in einem kontinuierlichen Spielbetrieb zu haben. Auch wenn wir keine Aufführungen zeigen, arbeitet das Haus intensiv. Es wird geprobt und produziert."

"Es gibt unterschiedliche Logiken"

Nach der anspruchsvollen Spielzeit 2022/23 mit gleich zwei Festivals, "Theater der Welt" und "Politik im freien Theater", hätten Droß und sie beschlossen, "dem Haus auch Pausen zu geben". Und "als wir im Sommer gemerkt haben, dass wir nicht wissen, wie es finanziell weitergeht, mussten wir uns zu einem längeren vorstellungsfreien Zeitraum entschließen". Schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Intendanz hatten Wagner und Droß gesagt, die Zeit des permanenten Wachstums sei vorbei: "Gemeint im Sinne einer Überproduktion. Wir begleiten Veranstaltungen nun mit mehr Genauigkeit, in ihrer Zuschauerentwicklung etwa, bei der Barrierefreiheit. Das hat große Wirkung. Die Kostensteigerung erlaubt es uns nicht, gleichzeitig eine hohe Programmdichte zu haben."

Während manche Zuschauer beklommen auf die Reduzierung der Vorstellungen reagieren, stößt andererseits der Zwang gerade an festen Stadt- und Staatstheatern, andauernd Premieren anzusetzen, die dann nur wenige Folgevorstellungen haben, mehr und mehr auf Unverständnis und Kritik.

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Die gesamte Wahrnehmung von Kultur habe sich verändert, sagt Wagner: "Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum wo wie viele Produktionen gezeigt werden. Und es gibt unterschiedliche Logiken." Für den Mousonturm werde in der finanziell herausfordernden Situation das vertraute Arbeiten mit anderen Koproduktionshäusern noch wichtiger. Schon immer habe die freie Szene Verantwortung durch Kofinanzierung auf mehrere Schultern verteilt. Umso wichtiger sei eine Stadt wie Frankfurt, die sich zu ihrer Kultur bekenne. Das allerdings wird manche Streichung nicht verhindern. Und regionale Großprojekte wie die Tanzplattform Rhein-Main müssen sich immer wieder neue Geldgeber suchen. Das Tanzfestival Rhein-Main sieht Wagner gesichert – der Rest der regionalen Kooperationen ist im Umbruch. Dass Projekte auslaufen und sich verändern, neue hinzukommen, ist im Kulturbetrieb normales Geschäft. Der vielfache Stillstand dieser Tage aber nicht.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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