Weinbau in Deutschland: Die Diskussion um pilzwiderstandsfähige Reben gewinnt an Fahrt. Im Rheingau ist die Zurückhaltung gegenüber den neuen Sorten aber immer noch groß.

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Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit im Weinbau und einem kleinen CO-Fußabdruck beschäftigt die Winzer in ganz Deutschland. Ob neu gezüchteten, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwis, dafür in den Weinbergen eine entscheidende Rolle zufällt, ist in der Branche allerdings trotz unbestreitbarer Vorzüge noch immer umstritten.

Die Neuzüchtungen kommen mit ungünstigen Witterungsbedingungen besser zurecht und sind in der Lage, Mehltauerreger abzuwehren. Die Winzer können dadurch die in "normalen" Jahren üblichen zehn bis zwölf Spritzvorgänge in der Vegetationsphase der Reben auf die Hälfte oder bis zu einem Drittel reduzieren. Das führt zu weniger Traktorfahrten in den Rebzeilen, weniger Dieselverbrauch und weniger Bodenverdichtung bei der Befahrung der Gassen zwischen den Rebzeilen.

Piwi-Befürworter sehen daher ökologische und ökonomische Vorteile: gesündere Böden und geringere Arbeitskosten bei höherer Ertragssicherheit. Zudem stehen die Winzer ohnehin unter Druck, die Ausbringungen von Pflanzenschutzmitteln weiter zu verringern.

"Die Königin unter den neuen Reben"

Gewichtiger Nachteil der Piwis: Die Akzeptanz der Kunden für Weine mit Namen wie Calardis blanc, Divico oder Muscaris ist noch gering. Der Erklärungsbedarf gegenüber skeptischen Stammkunden ist vielen Winzern zu hoch. Dennoch: Anlässlich des Jubiläums der Mainzer Weinbörse hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Die Grünen) im Frühjahr in seiner Festansprache dafür plädiert, den Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten zu forcieren. Auch und gerade für deutsche Spitzenweine.

In dem von Riesling und Spätburgunder geprägten Rheingau ist die Neigung, diesem Appell zu folgen, bislang geringer als in vielen anderen Anbaugebieten. In Deutschland sind bislang knapp vier Prozent der gut 100.000 Hektar Rebfläche mit Piwis bepflanzt. Im Rheingau sind es weniger als 0,5 Prozent, an der Hessischen Bergstraße rund 3,5 Prozent. Für Deutschland wird bis zum Jahr 2028 allerdings eine Zunahme auf zehn Prozent vorhergesagt. Das ist ein schneller Wandel angesichts der Langlebigkeit der Weinberge.

Zu der überschaubaren Zahl der Rheingauer Erzeuger, die mit Piwi-Sorten der nächsten Generation wie Cabernet Blanc oder Souvignier gris experimentieren, zählen die Hessischen Staatsweingüter und das Johannisberger Weingut Prinz von Hessen, das gerade erst auf Ökoweinbau umgestellt hat. Es sammelt auf drei Prozent der 35 Hektar großen Rebfläche erste Erfahrungen.

Auch kleinere Weingüter wie Prana in Winkel und Engelmann-Schlepper in Martinsthal zeigen sich aufgeschlossen und berichten von guten Erfahrungen im Anbau. Vom Pfälzer Öko-Weingut Galler heißt es: "Sauvignac ist für uns der Riesling der Zukunft, die Königin unter den neuen Reben."

Lässt sich der Pflanzenschutz ganz sparen?

Aus Erzeugersicht gebe es keinen Anlass, beim Piwi-Anbau zögerlich zu sein, sagt Reinhard Antes, der an der Bergstraße auf großer Fläche Reben veredelt. Er hat 450 Rebsorten und Klone im Angebot, darunter 75 Piwi, und beliefert jährlich 2500 Weingütern in 40 Ländern mit mehr als 1,4 Millionen Reben zur Neupflanzung. Mehr als die Hälfte der verkauften Reben entfällt inzwischen auf Piwis, sagte Antes kürzlich auf einer Sitzung des Hauptausschusses des Rheingauer Weinbauverbandes.

Antes sieht Piwis als "Baustein der Nachhaltigkeit". Um ihre Verbreitung zu fördern, schlägt er vor, nicht den Anbau dieser Rebsorten finanziell zu fördern, sondern die Weinvermarktung. Das ist aus seiner Sicht wegen zögerlicher Kunden und "schwieriger" Namen der neuen Rebsorten nötig. Denn bei Blindverkostungen zeigten sich die Piwis nicht im Nachteil gegenüber den herkömmlichen Sorten: "Sie sind nicht schlechter im Geschmack", sagt Antes.

Er warnte die Winzer aber davor, beim Anbau darauf zu hoffen, sich den Pflanzenschutz ganz sparen zu können. Das sei nicht der Fall, sagt Antes, der nicht von resistenten, sondern von pilztoleranten Rebsorten spricht. Denn Krankheitserreger mutierten und fänden bisweilen Wege, vor allem einfache Resistenzen, wie sie die Rebsorte Regent aufweist, zu überwinden. Ziel seien daher robuste, mehrfach-resistente Sorten.

Piwis haben bei bestimmten Zielgruppen gute Chancen

Zu ihnen zählen beispielsweise Sauvitage, Sauvignac und Souvignier gris. Letzterer ist nach Ansicht von Antes aktuell "klar die Nummer eins" unter den Piwis und gut geeignet, den Grauburgunder zu ersetzen. Dieser habe ohnehin den Höhepunkt seines Booms beim Verbraucher hinter sich.

Calardis blanc wiederum habe einen Riesling-ähnlichen Geschmack, und Cabernet blanc könnte auf den Müller-Thurgau folgen, der laut Antes "der Verlierer des Klimawandels" ist. Souvignier gris sei der "Grauburgunder der Zukunft", habe viele positive Eigenschaften und vor allem eine gute Akzeptanz beim Kunden.

Bis auf Souvignier gris rät Antes den Winzern aber, keine reinsortigen Piwi-Weine mit dem Namen der Sorte auf dem Etikett anzubieten. Die Winzer sollten vielmehr Cuvées unter einem Phantasienamen kreieren. Seiner Ansicht nach wird es im Weinbau ohne Piwis künftig nicht mehr gehen. Vor allem Ökowinzer sollten schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit möglichst viele Piwis anpflanzen.

Ähnlich hatte sich zu Jahresbeginn bei der Weinbaufachtagung im Rheingau der Marktforscher Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim geäußert. Piwis hätten gute Chancen auf dem Markt. Vielleicht nicht bei den in ihren Geschmacksvorlieben verhafteten "Traditionalisten" und auch nicht bei ausgewiesenen Kennern. Wohl aber in den Zielgruppen der "aufgeschlossenen Frauen", der "jungen Weininteressierten" sowie derjenigen, die sich der Gesundheit und Nachhaltigkeit verschrieben hätten.

Diese sind laut Kiefer wenig kontaktscheu im Hinblick auf neue, "nachhaltige Rebsorten". Vor allem dann nicht, wenn sie frankophile Namen wie Souvignier gris oder Sauvignac tragen. Kiefer gab aber zu, dass es leichter ist, Piwis in Weincuvées zu "verstecken", anstatt sie offensiv anzubieten.

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Die Zurückhaltung der Rheingauer Winzer war dennoch im Hauptausschuss spürbar. "Nicht, solange ich noch verantwortlich bin", sagte beispielsweise ein Betriebsleiter. Zudem sind viele seiner Kollegen der Überzeugung, dass der Riesling eine für die Zukunft gut geeignete "Klimarebsorte" ist – sofern der richtige Klon im gut geeigneten Weinberg gepflanzt worden ist.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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