Bezahlkarte für Flüchtlinge: Hessen führt von Montag an die Bezahlkarte für Flüchtlinge ein, das Land will damit die irreguläre Migration begrenzen. Doch Aktivisten tricksen das System aus.

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Von diesem Montag an gibt Hessen die ersten Bezahlkarten an Flüchtlinge aus. Neu ankommende Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen sollen die blaue Visa-Debitkarte zuerst erhalten. "Die Bezahlkarte ist ein wichtiges Instrument zur Begrenzung irregulärer Migration", sagte Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Freitag in Wiesbaden, als er mit Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) die Bezahlkarte vorstellte. Rhein stellte klar, dass mit der Karte auch das "Unwesen der Schlepper" bekämpft werden soll. Die ersten Städte und Kreise können laut Hofmann schon mit der Ausgabe beginnen. Allerdings werde die Einführung bei vielen Kommunen später beginnen.

"Die Möglichkeiten sind nahezu erschöpft, Deutschland kann nicht mehr jeden aufnehmen, der sich auf den Weg macht", sagte Rhein. In diesem Jahr seien bisher 185.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und davon 13.760 nach Hessen. Es sei keine Frage, Menschen aufzunehmen, die aus Kriegsgebieten kämen, aber in den Kommunen sei es kaum noch möglich, freie Unterkünfte zu finden.

Flüchtlinge können mit Karte in vielen Läden einkaufen

Mit der Bezahlkarte soll auch verhindern werden, dass Sozialleistungen missbraucht werden. "Die Bürger haben die berechtigte Erwartung, dass der Staat alle rechtsstaatlichen Mittel nutzt, um die irreguläre Migration so weit wie möglich zu begrenzen", sagte Rhein. Dies soll mithilfe der Bezahlkarte gelingen.

Auf der Karte erhalten die Asylbewerber ihr Guthaben gespeichert. Sie können damit in jedem Geschäft, das Kartenzahlung akzeptiert, einkaufen. Jeder Leistungsempfänger kann im Regelfall nur 50 Euro im Monat abheben, es ist nicht möglich, das Geld ins Ausland zu überweisen. Die Flüchtlinge können die Sozialleistungen nicht an ihre Familien in der Heimat oder an Schlepper überweisen.

Laut Rhein haben 2022 in Deutschland lebende Ausländer etwa sieben Milliarden Euro ins Ausland überwiesen. Diese Zahlen der Bundesbank betreffen aber alle in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländer und nicht nur Flüchtlinge. Laut Rhein sind nach Syrien 407 Millionen Euro, in die Türkei 848 Millionen und nach Afghanistan 162 Millionen Euro überwiesen geworden. "Das verdeutlicht die Größenordnung, in der wir uns bewegen", sagte Rhein. Es habe sich mittlerweile in der Welt eine regelrechte Schlepperindustrie entwickelt.

"Die Bezahlkarte ist ein Signal an alle Schlepper, dass wir deren Finanzquellen trockenlegen", kündigte Rhein an. Nach seiner Einschätzung werden sich weniger Menschen auf die gefährliche Flucht begeben, wenn den Schleppern das Handwerk gelegt werde. Die Einführung der Karte habe weitere Vorteile: Wenn es gelinge, mit ihrer Hilfe die irreguläre Migration zu senken, werde Druck aus dem Wohnungsmarkt genommen und die Kommunen könnten sich besser um die Integration der Menschen mit Bleibeperspektive kümmern, sagte der Ministerpräsident.

Laut Sozialministerin Hofmann übernimmt das Land die Kosten für die Karte zu einem großen Teil. Dies betreffe die Aufwendungen für das System, die Vergabe und auch die Transaktions- und Schulungskosten. Wie hoch die Ausgaben insgesamt sein würden, könne sie nicht sagen, da dies auch von der Zahl der ankommenden Flüchtlinge abhänge. Die Lösung sei rechtssicher, auf der Guthabenkarte sei kein Konto hinterlegt.

Bezahlkarte an allen Geldautomaten akzeptiert

Wie Hofmann weiter sagte, können mit der Karte in den Städten und Gemeinden Verwaltungskosten eingespart und Bürokratie abgebaut werden. Die Karte wird an allen Geldautomaten akzeptiert und kann überall in Deutschland eingesetzt werden. Sollte ein Flüchtling, etwa eine schwangere Frau, nachweislich mehr Bargeld benötigen, müsse die zuständige Behörde im Einzelfall entscheiden.

In Bundesländern, in denen die Bezahlkarte schon eingeführt wurde, wird das System von überwiegend linken Aktivisten ausgetrickst. Dies funktioniert mit folgender Methode: Asylbewerber kaufen mit dem Guthaben auf ihrer Karte Gutscheine in Supermärkten und tauschen diese dann später gegen Bargeld ein, indem die Aktivisten den Flüchtlingen die Gutscheine abkaufen. Organisiert wird dies in Umtauschbörsen.

AfD argwöhnt "Tricksereien" mit Bezahlkarte

Auf die Frage, was die Landesregierung dagegen unternehmen wolle, antwortete Rhein: "Missbrauch ist leider in jedem System möglich." Er gehe jedoch davon aus, dass dies kein Massenphänomen sein werde. Sollte dieser Missbrauch bekannt werden, könne dies zu Sanktionen führen, warnte Rhein.

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Die AfD-Fraktion im hessischen Landtag forderte die Landesregierung auf, den Erwerb von Gutscheinen über die Bezahlkarte technisch auszuschließen, anstatt abzuwarten, ob es auch in Hessen zu "Tricksereien" komme. Die FDP hieß die Einführung der Bezahlkarte gut und monierte, dass es für die Kommunen keine Pflicht gebe, schon aufgenommene Flüchtlinge mit einer Bezahlkarte auszustatten. Von einer flächendeckenden Einführung könne daher keine Rede sein. Laut Yanki Pürsün, migrationspolitischer Sprecher der FDP, werde die Bezahlkarte kein Erfolg werden, wenn das Verfahren nicht bei Städten und Gemeinden funktioniere.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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