Kundgebung in Mainz: Die Gewerkschaft IG Metall übt scharfe Kritik an den Arbeitgebern. Sie zeigten "Wollust am Untergang". Die Gegenseite verweist auf die schwierige Wirtschaftslage.

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IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Köhlinger hat den Arbeitgebern mit Blick auf die laufenden Tarifverhandlungen eine "Wollust am Untergang" vorgeworfen. In den bisherigen Gesprächen hätten sie "so getan, als wäre der einzige Grund für die Misere die Entgeltpolitik", sagte der Verhandlungsführer der IG Metall in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland am Donnerstag auf einer Protestkundgebung in Mainz.

Etwa 2500 Beschäftigte aus allen drei Bundesländern waren nach Zählung der Polizei dem Aufruf der Gewerkschaft gefolgt, vor der dritten Verhandlungsrunde am Nachmittag für eine Lohnerhöhung um sieben Prozent zu demonstrieren. Die Teilnehmer, darunter Mitarbeiter von Siemens, Opel und dem Autozulieferer Continental, zogen vom Bahnhof Mainz-Kastel in Wiesbaden über die Theodor-Heuss-Brücke ans Mainzer Rheinufer.

Arbeitgeber: Produktivität stagniert

Köhlinger rief zu Solidarität für die Beschäftigten von Volkswagen auf, die die Schließung von bis zu drei Werken in Deutschland fürchten. In Verhandlungen über einen neuen Haustarifvertrag für VW hat der Konzern eine Kürzung der Entgelte um zehn Prozent gefordert. Doch auch in den Verhandlungen über den Flächentarifvertrag, um den es in Mainz ging, liegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weit auseinander. Nach dem Treffen, das ohne Annäherung geblieben ist, warfen beide Parteien der jeweils anderen Seite vor, keine Kompromissbereitschaft zu zeigen.

Die Arbeitgeberverbände wiederholten ihr Angebot, die Entgelte im Sommer 2025 um 1,7 Prozent und ein Jahr später um weitere 1,9 Prozent anzuheben. "Wir befinden uns in einer massiven strukturellen und wirtschaftlichen Krise. Eine Trendwende der konjunkturellen Talfahrt in Deutschland ist lange nicht in Sicht", teilte der Verhandlungsführer der Metall- und Elektro-Unternehmen im Tarifbezirk Mitte, Ralph Wangemann, mit. "Wir müssen unseren Standort stärken, und das geht nicht auf der Straße und mit Streiks, sondern nur am Verhandlungstisch."

Nicht nur VW, sondern auch Zulieferer wie Continental und ZF haben den Abbau tausender Stellen angekündigt. Allein am Frankfurter Continental-Standort im Stadtteil Rödelheim sollen mehr als 600 Stellen gestrichen werden. Ein Mitarbeiter des Frankfurter Werks sagte dazu auf der Demonstration in Mainz, die Bremsenproduktion sei voll ausgelastet. Während in Verwaltungs- und Entwicklungsabteilungen Arbeitsplätze abgebaut würden, würden für die Fertigung Mitarbeiter gesucht. Vor diesem Hintergrund sehe er keinen Grund für Zurückhaltung bei den Lohnforderungen. "Wir haben Nachholbedarf", sagte er und verwies auf die hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre. Laut IG Metall sind die meisten Metallfacharbeiter in Hessen der Entgeltgruppe 6 zugeordnet, das Grundgehalt liegt dort bei 3439 Euro monatlich.

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Eine langjährige Opel-Mitarbeiterin sagte der F.A.Z.: "Auch wenn wir keine höheren Löhne fordern, die Stellen werden sowieso abgebaut, das sieht man jetzt seit 20 Jahren bei Opel." Tatsächlich sollen bei dem Autobauer auch dieses Jahr bis zu 1000 Mitarbeiter Abfindungen erhalten, dafür werden Beschäftigungsgarantien für die restliche Belegschaft bis Mitte 2029 verlängert. Der Opel-Mutterkonzern Stellantis nutzt damit eine Option, die 2020 mit der IG Metall vereinbart wurde.

IG-Metall-Bezirksleiter Köhlinger argumentierte, die Probleme der Industrie gingen vor allem auf die hohen Energiekosten zurück. Er forderte einen subventionierten Industriestrompreis.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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