Es könnte ein Ge-Schmickler haben, wenn rauskommt, dass hier einer der Kabarettisten-Legende Wilfried Schmickler zu seinem 70. Geburtstag gratuliert, der einige seiner älteren Programme in der Comedia immer heimlich auf einem Taschendiktiergerät mitgeschnitten hat, weil er dessen Sprechtempo einfach nicht folgen konnte und jedes unverstandene Wort als ungeheuren Verlust empfand.

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Die MC 60-Mini-Kassetten mit diesen wortvollen Aufzeichnungen haben sich längst in Bandsalat verwandelt. So häufig wurden sie durchgenudelt. Zum Glück ist Schmickler immer noch da und abrufbar, wenn man eine Portion drastische Wortgewalt, großartige Kleinkunst oder hochpolitische Comedy nötig hat. Youtube sei Dank.

Karriere der Bundeswehr zu verdanken

Was für eine Fügung des Schicksals, dass dem ehemaligen Messdiener, der seine Kindheit in Hitdorf am Rhein verbrachte, die Bundeswehr erspart blieb und er als Kriegsdienstverweigerer mit voller Unterstützung seiner Eltern als Zivildienstleistender in einem Haus der Jugend in Leverkusen landete.

In einem Fernsehfilm für den WDR hat Schmickler das vor zehn Jahren so beschrieben: "Dass ich heute Kabarettist bin, habe ich eigentlich der deutschen Bundeswehr zu verdanken, der Tatsache, dass man damals verweigern konnte, also die Teilnahme an diesem Verein. Ich habe dann einen Zivildienstplatz in einem Haus der Jugend bekommen, randvoll mit durchgeknallten Spontis und Hippies. Da war vor allem ein Gesetz das oberste: Der Mensch muss etwas Kreatives schaffen. Ich konnte nichts. Nicht malen, nicht Musik machen. Ich konnte nur sprechen und hatte von der Schule her einen gewissen Umgang mit literarischen Texten. Da blieb mir gar nichts übrig, da habe ich mit den Jugendlichen eine Theatergruppe gemacht. Wir haben das skurrilste Zeug inszeniert."

Ein halbes Jahrhundert später kann man sich bei der Post-Hippie-Szene, die diese Freiheiten in ihren selbstverwalteten Einrichtungen ermöglichte, nur bedanken. Sie hat neben vielen anderen seltenen Kleinkunst-Pflanzen ein Eigengewächs wie Schmickler hervorgebracht, das sich zu einer wahren Kabarett-Monstera für die Kleinkunstbühnen und fürs Fernsehen entwickelte und sich bis heute immer neu erfindet.

Schmicklers Schlussmonologe in den Mitternachtsspitzen, in denen er den spießigen Heimathirschen Jürgen Becker einfach niederbrüllt ("Aufhören, Herr Becker!"), haben Kultstatus. Die Debatte, ob ein politischer Kabarettist, der sich aufs Comedy-Parkett wagt, noch ernst zu nehmen ist, hat er auf seine ganz eigene Art beantwortet. Als Loki Schmidt in der Reihe "Loki & Smoky" oder Angela Merkel in den "Überschätzten Paaren der Weltgeschichte". Eine mögliche Kritik daran, das war für ihn immer "persönlich uninteressant".

Neues Programm "Herr Schmickler, bitte!"

Ob Kabarett oder Comedy – die Bühne ist egal. Der Inhalt zählt und hat Schmickler neben vielen Preisen und Auszeichnungen, darunter der Prix Pantheon, der Deutsche Kleinkunstpreis und der Salzburger Stier, ein Preis für Radioformate, vor allem unzählige Prädikate in den Feuilletons eingebracht: grandioser Stänkerer, verbales Kanonenrohr ohne Ladehemmung, Sprachtiger mit drastischer Wortgewalt, virtuoser Wortwechsler.

Wie soll man das noch toppen? Bloß weil Wilfried Schmickler 70 wird. Noch mehr verbale Zündkerzen auf die Torte stecken? Das macht keinen Sinn.

Aufhören, Herr Berger! Das sollen die übernehmen, die Schmicklers Wortgewalt eher gewachsen sind und dafür keine Kassetten brauchen. Wir Normalsterblichen gönnen uns lieber das Vergnügen eines Schmickler-Abends.

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"Ich bin entschlossen trotz all der niederschmetternden Nachrichten vom beängstigenden Zustand der Welt die nächsten zwei Stunden ein wenig Vergnügen zu bereiten", verspricht er zu Beginn seines neuen Programms "Herr Schmickler, bitte!" und bittet alle "Steinzeitmenschen", die kein Smartphone bei sich tragen, im Anschluss ins Foyer. Dort werde er jemanden bitten, "ein Bild von uns zu malen." Glückwunsch, das ist eine gute Idee.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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