Was für Fußballfans traditionell der Samstagnachmittag ist, ist für deutsche Football-Anhänger der Sonntagabend: Da wird NFL geguckt, häufig bis spät in die Nacht hinein.
Spätestens seit 2015, als die National Football League im frei empfangbaren Programm von Pro Sieben landete, ist der US-amerikanische Nationalsport auch bei uns angekommen. Mit dem Beginn der NFL-Playoffs – der heißen Phase der laufenden Saison – wird die TV-Übertragung wohl auch an diesem Wochenende ein Millionenpublikum anlocken.
Die Begeisterung teilen nicht nur diejenigen, die vor dem Fernseher mitfiebern. Immer mehr Fans zieht es selbst aufs Feld. Das zeigen auch die Zahlen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB): In den vergangenen zehn Jahren verbuchte der Footballsport hierzulande ein Plus von rund 45 Prozent. Mehr als 73.000 Menschen sind demnach inzwischen in einem Footballverein aktiv, in Nordrhein-Westfalen gibt es 11.700 Mitglieder.
In NRW sind schon fast 12.000 Menschen in einem Football-Verein aktiv
Eine von ihnen ist Gudrun Bogman, von den meisten nur ‚Gundi‘ genannt. Eine "Rheinländerin mit österreichischen Wurzeln" – so beschreibt sich die Kölnerin. Während der Football-Hype die allermeisten in Deutschland erst in den vergangenen Jahren packte, fand die 58-Jährige ihre Leidenschaft schon vor vier Jahrzehnten – nicht etwa in den Staaten, sondern am Rhein. 1986 sei das gewesen, erinnert sie sich. Football war da noch eine Randerscheinung in Deutschland.
Als Praktikantin in einer Siebdruckerei kam die heutige Grafikdesignerin das erste Mal mit dem Sport in Berührung. "Da wurden die Helmaufkleber der Cologne Crocodiles produziert", erinnert sie sich. Und auch ein Spieler des ersten Kölner American Football Vereins arbeitete dort. Die beiden kamen zusammen. "Er hat mich zu einem Spiel mitgenommen." Und dann war es um Bogman geschehen. "Wenn man sich Football anguckt, dann ist man entweder total begeistert oder man findet es total schrecklich", sagt sie. Die Kritik: zu viele Pausen, wenig Action, zu kompliziert.
Bogman war von dem Sport gefesselt, fasziniert und ist es heute noch leidenschaftlich: "Man geht als Team aufs Feld, kämpft sich gemeinsam Meter für Meter voran." Das Spiel sei hart und trotzdem fair. "Wenn ich sehe, wie sich ein Spielzug aufbaut, wenn alles Hand in Hand geht, da geht mir das Herz auf." Sie wurde in mehrfacher Hinsicht zur Pionierin. Dafür kürte sie der Landessportbund NRW Ende 2024 mit dem Preis für Mädchen und Frauen im Sport in der Kategorie "Emanzipiert". Denn nach fast 40 Jahren im Football-Geschäft gelte sie als Wegbereiterin für Spielerinnen und Schiedsrichterinnen im American Football.
Gudrun Bogman ist eine Pionierin in ihrem Sport
Mit den Cologne Crocodiles Ladies bestritt Bogman das erste Tacklefootball-Spiel für Frauen in Deutschland. Nur ein Jahr später war sie beim ersten Länderspiel gegen Großbritannien Teil einer weiteren Premiere. "Wir haben damals viel trainiert, aber konnten nicht so viel spielen." Die Konkurrenz im Frauenbereich fehlte.
"Die ersten Footballspieler, das waren eben die harten Kerle. Football war ein absolutes Männerding." Aber die Zeiten wandeln sich - wenn auch nur langsam, wie Bogman findet. In NRW gibt es inzwischen elf Frauenteams. In Deutschland nehme der Landesverband in Sachen Frauensport eine Vorreiterrolle ein. "Natürlich ist das eine Steigerung zu den Zeiten, als ich aktiv war, aber für 30 Jahre dann doch sehr wenig." Bogman sagt, sie habe den Eindruck, dass Spielerinnen im Gegensatz zu Kindern und Männern national und weltweit kaum gefördert werden.
In Deutschland zum Beispiel werden die Titel in der ersten und zweiten Bundesliga offen ausgespielt. Teams können sich anmelden und entscheiden, in welcher Klasse sie antreten möchten. Der Reiz durch Auf- und Abstiegsmöglichkeiten fehle. "Dass Frauen-Football in Deutschland dann nicht ernst genommen wird, kann man sogar ein bisschen verstehen", sagt Bogman. Den Anspruch, mit den hochklassigen Herren-Mannschaften gleichzuziehen, habe sie trotzdem nicht. Ihre Vision: "Wenn sich Vereine dazu entscheiden, ein Frauenteam zu stellen, sollten sie da mindestens so viel Manpower und Geld hineinstecken, wie in die männlichen U20-Ligen."
Football-Spielerin, Schiedsrichterin, Funktionärin
Noch gehen die Angebote aber wenig in die Breite. "Ich habe gemerkt, dass man als footballspielende Frau nicht die Möglichkeit hat, dem Sport so nah zu kommen. Wir sind Außenseiterinnen einer Randsportart."
Bogman schlug zu ihrer Zeit deshalb einen anderen Weg ein. 1990 beendete sie ihre aktive Karriere und widmete sich dem, was ihre ganz große Leidenschaft werden sollte: dem Schiedsrichten. Fast 30 Jahre lang war sie in den Folgejahren in mehr als 900 Spielen als Offizielle auf dem Feld im Einsatz. Erst national für den Landes- und den Bundesverband, ab 2010 dann auch international auf höchster Ebene.
"Da merkte ich: Das ist es. Ich möchte gar nicht mehr spielen, ich möchte genau das machen, mittendrin sein. Für mich ist das der schönste Platz auf der Welt." Doch als Schiedsrichterin polarisiere man. "Als Frau musst du dich wie überall erstmal beweisen. Da wird man beäugt und grundsätzlich schonmal als inkompetenter oder unerfahrener eingestuft als jeder Mann, der dort auf dem Platz steht."
Bogmans Strategie war die Offensive – der Knoten sei schnell geplatzt. Sie arbeitete sich in die siebenköpfigen Schiedsrichterteams von hochklassigen Endpartien vor, darunter Finalspiele der 1. Herren-Bundesliga, der European Football League und der Frauen-Weltmeisterschaft. Im American Football und Cheerleading Verband (AFCV) NRW gilt die Mutter von zwei Kindern auch deshalb inzwischen als "Institution".
13. Preis für Mädchen und Frauen im Sport in der Kategorie "Emanzipiert"
Sie sei "ein großartiges Beispiel dafür, dass ein Leben im Sport nicht nur aus einem zeitlich begrenzten Teil als aktive Athletin besteht", so der Verband. Nachdem Gundi Bogman die schwarz-weiß-gestreifte Schiedsrichter-Uniform an den Nagel gehängt hatte, war nicht Schluss: Seit 2022 ist sie Vizepräsidentin des Landesverbands, gilt als "eine der treibenden Kräfte, die den Sport nach den Corona-Jahren wiederbeleben" und arbeitet am Wiederaufbau der Jugendauswahl-Mannschaften "GreenMachine" und dem breitensportorientierten Format "Pink Machine" für Frauen mit.
"Als ich aufgehört habe mit dem Schiedsrichten, habe ich auf einmal Feedback bekommen von Frauen, die sagten, ich hätte ihnen den Weg bereitet, ich sei ein Vorbild." Ihr sei das kaum aufgefallen. Auch der Preis, der ihr für ihr Engagement verliehen wurde, habe sie überrascht. "Ich mache einfach das, was ich kann und was ich liebe." Sich über ihre Leidenschaft zu emanzipieren, anderen zu zeigen, dass es geht, das sei "großartig". Geehrt zu werden, schmeichle ihr.
Immer in der ersten Reihe will Bogman trotzdem nicht stehen. Lieber ist es ihr – wie schon beim Schiedsrichten – mittendrin zu sein: in ihrer Football-Community. © Kölner Stadt-Anzeiger
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