In unserer Serie "Meine Geschichte 2024" schreiben unsere Redakteurinnen und Redakteure über ihre ganz persönlichen Geschichten des Jahres.
Vor sechs Jahren bereits hatte die deutsche Botschaft in Peking davor gewarnt. Begüterte Chinesen würden mit falschen Angaben nach Deutschland geschleust, um sich hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu erschleichen. Die Diplomaten konnten sogar die Masche mit gefälschten Zeugnissen und vorgetäuschter Geschäftstätigkeit in der Bundesrepublik beschreiben. Erst im April 2024 aber kam es zu Festnahmen und Razzien gegen die mutmaßliche Schleuserbande, die im Großraum Köln vermutet wurde.
Das ist eine der zahlreichen Merkwürdigkeiten, die mein Kollege Axel Spilcker und ich bei der Recherche zum sogenannten "Luxusschleuser-Skandal" enthüllt haben. Je tiefer wir gegraben haben, desto mehr fragwürdige Kontakte des mutmaßlichen Bandenchefs selbst in höchste Parteikreise haben wir zu Tage gefördert – vor allem bei der SPD und CDU. Was wir in der Folge aufgedeckt haben: In Düren, Solingen, Kerpen und dem Rhein-Erft-Kreis gelang es den Verdächtigen, ein Netzwerk von Kollaborateuren und Unterstützern in der örtlichen Politik und Verwaltung zu knüpfen.
Ob Oberbürgermeister, ehemalige Landräte, mächtige Fraktionsvorsitzende oder willfährige Behördenleiter: In unserer Artikelserie haben wir beschrieben, wie das Schleusersystem funktionierte und wer sich instrumentalisieren ließ oder die Machenschaften sogar wissentlich unterstützte.
Der Kriminalfall wurde zur regionalen Politikaffäre
Aus dem Kriminalfall wurde eine regionale Politikaffäre, bei der sich sogar NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in einer Sondersitzung des Landtages rechtfertigen musste. Er hatte beim Wahlkampf von einer 30.000-Euro-Spende des mutmaßlichen Schleuserchefs profitiert und sich in der Folge achtmal mit dem Mann getroffen, wie wir enthüllten.
Was mich an dieser Investigativ-Geschichte verblüffte: Die Dummheit, mit der Behörden und örtliche Politik den mutmaßlichen Schleusern auf den Leim gegangen sein sollen.
Bewegt aber haben mich in diesem Jahr die kleinen Geschichten, die in Wirklichkeit so groß sind. Die von der Kosovarin Sabrije Kelmendi aus Köln zum Beispiel. Die 56-Jährige betreut ehrenamtlich misshandelte Frauen, nachdem sie vor ihrer Flucht nach Deutschland selbst misshandelt wurde.
Geholfen und das eigene Leben riskiert
Oder die von Kushtrim Hetemi aus Würselen. Der Heizungsbauer entdeckte zufällig eine suizidgefährdete Frau, die mit den Händen an einer Brücke der A544 hing. Er wickelte einen 20 Meter langen Füllschlauch mehrfach um seine Taille, das andere Ende verknotete er am Geländer. Dann kletterte der 32-Jährige über den Brückenrand und hielt die Frau so lange fest, bis die Feuerwehr unten auf der Autobahn ein Sprungtuch aufgefaltet hatte. Es sei doch normal, dass er womöglich sein eigenes Lebens riskiert hat, um zu helfen, sagte Hetemi beim Interview. Seine Stimme verriet, wie verblüfft er war, überhaupt danach gefragt zu werden. © Kölner Stadt-Anzeiger
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