Köln - Das Ladenlokal ist vollständig ausgebrannt, die Schaufensterscheiben sind zerstört, Teile der zerfetzten Außenverkleidung hängen lose herunter: In Köln hat es erneut eine Explosion gegeben, diesmal in Pesch am Stadtrand.
Anwohner berichteten in der Nacht um 2.45 Uhr von einem lauten Knall. Kurz darauf stand das Café im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Flammen.
Gegen Mittag meldeten Polizei und Staatsanwaltschaft einen Erfolg: Ein Verdächtiger habe sich gestellt. Bei ersten Ermittlungen habe sich ein Tatverdacht gegen einen Mann erhärtet, der Bezüge zu dem ausgebrannten Café habe. Der Beschuldigte sei in Begleitung seines Anwalts bei der Polizei erschienen. Der Mann bestreite die Tat und sei nach seiner Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt worden, da bei einer Wohnungsdurchsuchung keine Beweismittel gefunden worden seien.
Zudem fahndeten die Ermittler nach einem mutmaßlich zweiten Verdächtigen. Eine großangelegte Suchaktion in einer Kleingartenanlage im Kölner Westen blieb aber ohne Erfolg.
Oberbürgermeisterin Reker hofft auf schnelle Ermittlungserfolge
Zum Hintergrund der jüngsten Explosion halten sich die Ermittler bedeckt. Nach ersten Erkenntnissen stehe sie nicht im Zusammenhang mit den Taten in den vergangenen Wochen. Dennoch: Die Serie von Explosionen ist für die Einwohner der viertgrößten deutschen Stadt beunruhigend und in dieser Form beispiellos. Allein in der vergangenen Woche gab es zwei Detonationen in der direkten Innenstadt. In einer nahe gelegenen Schule meldeten sich daraufhin Eltern mit der Frage, ob der Unterricht überhaupt stattfinden könne.
"Es macht mir schon Sorge", sagte Ralf Kurz, ein Anwohner des ausgebrannten Cafés, am Vormittag der Deutschen Presse-Agentur. "Weil das immer weitergeht, und man hat ja hier schon mehrere Anschläge in Köln erlebt."
Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) äußerte Verständnis dafür, dass sich Menschen angesichts der Explosionen um ihre Sicherheit sorgen. "Ich hoffe auf schnelle Ermittlungserfolge", sagte Reker der dpa. Sie vertraue darauf, dass die Polizei alles Notwendige unternehme, um die Kölnerinnen und Kölner zu schützen. Nach Angaben einer Stadt-Sprecherin will der Polizeipräsident in der kommenden Woche in einer Ratssitzung über die Lage informieren.
Immer wieder fällt der Begriff "Mocro-Mafia"
Mehr als 60 Ermittler arbeiten an der Aufklärung der Explosionsserie - neben Köln gab es ähnliche Taten auch in anderen nordrhein-westfälischen Städten wie Duisburg und Engelskirchen. Auch bei Schüssen, die Unbekannte am frühen Morgen auf die Wohnungstür eines Mehrfamilienhauses in Solingen abgaben, sehen die Ermittler Bezüge zur Explosionsserie. Die Polizei geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Schüsse eigentlich einem Menschen galten, der mit den Explosionen zu tun hat - und dass die Täter sich in der Tür irrten.
Im Zusammenhang mit den Explosionen fällt immer wieder der Begriff "Mocro Mafia", den sich Polizei und Staatsanwaltschaft aber ausdrücklich nicht zu eigen machen. "Mocro" ist in den Niederlanden ein Slangwort für Marokkaner, und Niederländer mit marokkanischen Wurzeln sind mitunter im Drogenhandel involviert. Explosionen vor Wohnungen, Geschäften und Betrieben sind im kriminellen Milieu in den Niederlanden ein oft angewandtes Druckmittel, um Rivalen oder Schuldner einzuschüchtern.
Offene Rechnungen im Drogenmilieu
Auseinandersetzungen unter Drogenbanden finden derzeit auch in Köln statt. "Es gibt offensichtlich im Milieu offene Rechnungen, die noch beglichen werden", sagte Kripo-Chef Michael Esser bei einer Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche.
Eine dieser offenen Rechnungen bezieht sich nach Angaben von Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf das Verschwinden von schätzungsweise 300 Kilogramm Cannabis. Die Gruppierung, die um diese Drogen geprellt worden sei, versuche nun, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten. In diesem Kontext seien auch zwei Geiselnahmen von Ende Juni/Anfang Juli in Hürth bei Köln und im Kölner Stadtteil Rodenkirchen zu sehen. Hierbei gebe es auch Verbindungen in die Niederlande.
Ein Grund für den schleppenden Verlauf der Ermittlungen ist, dass sich sowohl die in Untersuchungshaft sitzenden Verdächtigen als auch die Opfer mit Informationen zurückhalten. Sie seien "im eigenen Interesse nicht darum bemüht, in Vernehmungen die Karten offen auf den Tisch zu legen", berichtete Esser. Vermutlich befürchten sie Racheakte.
500 bis 600 Detonationen jährlich in den Niederlanden
In den Niederlanden heißt es in diesem Zusammenhang seit langem: "Wie praat, die gaat." Wer redet, der geht. Und wenn man an den, der geredet hat, gerade nicht herankommt, weil er zum Beispiel in Haft ist, dann müssen eben Familienmitglieder oder andere Menschen aus dem persönlichen Umfeld dafür büßen.
Ob solche Zustände auch in Nordrhein-Westfalen schon erreicht sind, ist unklar. Polizei und Staatsanwaltschaft betonen immer wieder, dass es sich bisher nur bei einem Teil der Verdächtigen um Niederländer handelt und es noch Gegenstand der Ermittlungen ist, ob und wie die unterschiedlichen Taten überhaupt miteinander zusammenhängen.
Denkbar ist auch, dass Kriminelle, die mit dem ursprünglichen Tatgeschehen gar nichts zu tun haben, die Explosionen für ihre eigenen Zwecke nachahmen. In den Niederlanden jedenfalls würden Explosionen mit Feuerwerk und selbst gebastelten Sprengsätzen mittlerweile weit über das Drogenmilieu hinaus ausgeführt, erläuterte der Kriminologe Cyrille Fijnaut. Dort gehe es um 500 bis 600 Detonationen jährlich: "Eine enorme Plage."
Eine der größten Sorgen der Kölner Polizei ist, dass bei den Konflikten unter den Kriminellen auch völlig unbeteiligte Bürger Schaden nehmen könnten. "In den Niederlanden wird auch keine Rücksicht auf Unbeteiligte genommen, da werden auch Unbeteiligte teilweise lebensgefährlich verletzt und getötet", hatte Esser schon vor einiger Zeit gewarnt. Auch vor diesem Hintergrund laufen die Ermittlungen, wie es immer wieder heißt, "auf Hochtouren".
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