Das Dreigestirn kennt vor lauter Terminen in der Session die Namen der eigenen Kinder nicht mehr. Das Festkomitee empfindet diesen Stress zunehmend als unzeitgemäß und stellt dem Sitzungspräsidenten der Karnevalssitzung Work-Life-Balance-Beraterinnen zur Seite.
"Der Elferrat ist leicht dezimiert, weil man die stressgeplagten Luschen, äh Mitmenschen in ihrem kompletten Sein sehen muss" – der Sitzungspräsident, gespielt von Martina Klinke, reißt sich noch zusammen. Willkommen bei der Premiere der Stunksitzung 2024/25.
Als die Work-Life-Balance-Experten den Tusch als passiv-aggressive Melodie mit paramilitärischen Zügen abtun, den Elferrat in die Teilzeit schicken, damit sie in der Kuschelecke hinter der Bühne auf Sitzsäcken "completely by themselves sein können", das Dreigestirn Gleitzeit nimmt, um zu "wellnessen" und schließlich das Tanz-Mariechen aus dem Home-Office zugeschaltet ist: Spätestens dann platzt dem Sitzungspräsidenten die Hutschnur und wird zum krakeelenden Traditionsmonster.
"Ihr macht das alles kaputt, alles, was wir aufgebaut haben, diese Infrastruktur, für die Millionen Menschen, mit Millionen an Umsatz. Das brauchen wir in Köln, das ist unser Reichtum, unser Schatz". Pause. Und dann: "MEIN Schatz!". Ende. Großer Applaus.
Stunksitzung im E-Werk: Die AfD nicht beachten klappt nicht so recht
Bei der alternativen Karnevalssitzung im E-Werk wurde am Mittwoch wieder einmal kaum etwas oder jemand verschont: die FDP,
Allein die Grünen blieben bis auf den Waffenbefürworter
Der Anfang plätschert erst einmal so vor sich hin, das Publikum ist noch nicht richtig in Fahrt. Der Gleichgültigkeitsbeauftragten der Stadt Köln, Frau Nittenwilm, die das wichtigste Amt führt, ist alles "ejaaaaal": von der Kita- und Schulplatznot, von der nie endenden Baustelle Nord-Süd-Fahrt bis hin zur Oper: "Ich war nie drin, ist mir drissejal, ob die aufmacht."
Stunksitzung in Köln: Die Christian-inisierung der FDP
Der folgende FDP-Sketch, in der die Christian-isierung der FDP beschworen wird, Volker Wissing der Judas ist, und die drei von der Tankstelle – Lindner, Kubicki, Dürr – Autofahrern Begrüßungsgeld zahlen, wenn sie mit ihren SUVs in die Innenstadt fahren und die in Martin-Luther-Manier eine groteske Utopie entwerfen, in der der Grünstreifen auf der Autobahn als grüne Ausweichfläche reichen muss – das alles ist sprachlich pointiert, aber etwas vorhersehbar.
Die ersten Zugabe-Rufe erhält dann die Hausband Köbes Underground, deren Performance mitreißend ist. Die gewinnt das Publikum direkt mit ihrem Cover von Totos "Afrika". Großartig war die Parodie von Elvis-Darstellern: Im nächsten Jahr wäre der King of Rock'n Roll 90 geworden. Ozan Akhan ist mal der spanische Torero-Elvis, dessen Lieder nach Flamenco klingen, mal der japanische Elvis in traditionellem Gewand und dann der orientalische Elvis, der plötzlich wie ein türkischer Popstar klingt.
Die Idee, im Rahmen einer Dornröschenparodie den gesellschaftlichen Imperativ "Sei glücklich!" als konformistisch und verlogen zu entlarven (angesichts der Weltlage ereiferte sich Dornröschen über das "Glücksdiktat"), ist zwar intelligent. Die Umsetzung geriet allerdings hölzern und daher nicht sehr lustig.
Stunksitzung: Monty-Python-Szene leider zu oft gesehen
Eine andere Nummer widmete sich dem verhinderten politischen Genius am Stammtisch, der stets mit großer Lust und noch größerer Selbstgefälligkeit über die Regierung herfällt. Leider wurde zu diesem Zweck wieder einmal die Monty-Python-Szene "Was haben die Römer jemals für uns getan?" umgeschrieben: "Was hat die Ampelregierung jemals für uns getan?". Dies war keine gute Wahl, weil die ursprünglich meisterhaft komische Szene schon zahllose Adaptionen nach sich zog, zum Beispiel: "Was haben Gewerkschaften jemals für uns getan?" oder "Was hat die EU jemals für uns getan?"
Doch die Höhepunkte überwiegen zweifelsohne. Erwähnt sei der Wortwitz beim Sketch "Sinnieren", in dem eine Tante-Emma-Verkäuferin (Anne Rixmann) Schwachsinn und rassistischen Stumpfsinn zuhauf verkauft, während Gerechtigkeitssinn und Scharfsinn nicht nachgefragt werden. Und der bitterböse Sketch über die Bundeswehr, die sich zur Rekrutierung neuer Zielgruppen einen progressiven Anstrich verpasst, indem sie etwa Gebärwannen ins Zelt stellt und mit Gratisfern- und Nahreisen wirbt.
Biggi Wanningers Performance als Stivels Jupp, der die kommende Bundestagswahl mitten in der Session moniert, oder als Engel Trude, die über die Abschaffung der Religion im Himmel erzählt, sind zuverlässige Dauerbrenner.
Das große Finale war dann eine Ode an die schottischen Fans während der EM. Die trinkfreudigen, bekloppten, friedlichen Schotten passen wie "Topf auf Deckel" zu den Kölnern: "Uns verbindet das Feiern und trennt das Sparen", sagt OB Reker (Doro Egelhaaf). Die FC-Hymne spielt die Tätätära-Army – angelehnt an den Begriff für die Fans Tartan Army – mit Dudelsack. Standing Ovations.
Die Stunksitzung läuft noch bis zum 4. März 2025. Alle Termine unter www.stunksitzung.de © Kölner Stadt-Anzeiger
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