"Vielfalt leben" lautet das von der Kreisverwaltung Euskirchen ausgegebene Credo, das unter anderem auch für die interkulturelle Öffnung in den eigenen Arbeitsbereichen, Sachgebieten und Abteilungen steht.

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"Die Kreisverwaltung Euskirchen schätzt die Vielfalt aller im Kreis lebenden Menschen. Sie fördert die Chancengleichheit, die Partizipation und die Integration von Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen und versteht Vielfalt als Bereicherung", heißt es auf der Homepage. Damit werde auch dem fortschreitenden demografischen Wandel entgegengesteuert.

Damit sich die Vielfalt in der Bevölkerung langfristig auch in der eigenen Belegschaft widerspiegelt, gilt es, eine "Arbeitskultur voller Wertschätzung und Offenheit zu etablieren", liest man auf der Homepage.

Kreisverwaltung Euskirchen ist Vorreiter in NRW

Dass sich diese Weiterentwicklung nicht von alleine oder auf Ansage vollzieht, sondern konzeptionell entwickelt und mit konkreten Angeboten an die Mitarbeitenden verbunden sein muss, ist klar. Deshalb wurde über das Kommunale Integrationsmanagement (Kim) eine Personalstelle beim Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum (Kobiz) geschaffen und im Juni 2021 mit Leonie Stadler besetzt. "Damit sind wir in NRW Vorreiter", erklärt Vera Secker, Teamleiterin des Kommunalen Integrationszentrums im Kreis Euskirchen.

Leonie Stadler, die in Euskirchen Abitur gemacht und im Anschluss Germanistik und Geschichte studiert hat, befasste sich an der Uni mit Erinnerungskultur und vergessenen Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges.

Interne Strukturen kommen unter die Lupe

Für die 27-Jährige ist es wichtig, die Stimme zu erheben für Menschen, die selber nicht dazu in der Lage sind, "beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft". Ihr Job in der Kreisverwaltung biete ihr viele Möglichkeiten in der Ausgestaltung, immer mit Hinblick auf das Ziel, interne Strukturen hinsichtlich einer interkulturellen Öffnung zu verbessern.

"Ein Ziel ist auch, dass die Kreisverwaltung irgendwann die ,Charta der Vielfalt' unterschreibt." Diese steht für Diversität in der Arbeitswelt, für ein Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens und ein wertschätzendes Miteinander, unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft. Die Initiative wurde 2006 von vier Unternehmen ins Leben gerufen. Mittlerweile haben über 6000 Unternehmen und Institutionen mit über 14,7 Millionen Beschäftigten die Charta der Vielfalt und damit eine Selbstverpflichtung unterzeichnet.

"Egal, was wir hier organisieren, Leonie Stadler ist in alle Personalprozesse eingebunden", erläutert Rita Schneidereit, Teamleiterin Personalmanagement. Das fange beim internen Veranstaltungskalender an, gehe über die Internationalen Wochen gegen Rassismus und den Diversity Day bis hin zur Betreuung der Auszubildenden.

Zu den Veranstaltungen, die auf die kulturelle Öffnung zielen, gehören beispielsweise Begegnungsformate für Menschen aus der Belegschaft und solche, die noch nicht lange in Deutschland sind. Mal wird gemeinsam gekocht, mal gemalt oder Zeit im Kletterpark verbracht. In der Kreisverwaltung hängen zahlreiche Bilder auf den Fluren, die bei diesen Gelegenheiten entstanden sind. Auch einige Stühle wurden gestaltet. Diese stehen nun im Wartebereich der Ausländerbehörde im Erdgeschoss.

Es gilt, Hemmschwellen bei allen Beteiligten abzubauen

Natürlich hat Stadler in Zusammenarbeit mit dem Personalmanagement zunächst einmal den Ist-Zustand überprüfen wollen. "Es gibt erst seit dem Einstellungsjahr 2021 ein Abfrage über einen möglichen Migrationshintergrund, und diese Angabe ist zudem freiwillig", so Schneidereit. Unter der Gesamtbelegschaft wurde 2023 eine Umfrage hierzu gemacht, an der sich von den insgesamt 1200 Mitarbeitenden knapp 37 Prozent beteiligten. Von diesen gaben 17 Prozent an, einen Migrationshintergrund zu haben.

Um die Zahl der Menschen mit Einwanderungsgeschichte innerhalb der Kreisverwaltung zu erhöhen, müssen auch die Hemmschwellen abgebaut werden, die manche Migranten gegenüber einer Behörde wie der Kreisverwaltung haben. "Natürlich müssen wir bei der Auswahl neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bestenauslese anwenden. Aber wir können diejenigen, die die Auswahl treffen, für die interkulturelle Öffnung sensibilisieren", meint Geschäftsbereichsleitung Julia Baron.

Am Anfang eines Öffnungsprozesses steht die kritische Selbstreflektion.

Leonie Stadler

Der Belegschaft der Kreisverwaltung werden Schulungen angeboten, die zeigen, wie Kundinnen und Kunden diversitätssensibel beraten und die Dienstleistungen konfliktfrei und verständlich angeboten werden können. "Am Anfang eines Öffnungsprozesses steht die kritische Selbstreflektion", so Leonie Stadler.

Manchmal seien es nur kleine Schritte, die man gehen muss, um sich der interkulturellen Öffnung zu stellen. "Wir versenden jetzt nicht mehr nur Glückwunschschreiben für Kommunionkinder und Konfirmanden als Ausdruck unserer Wertschätzung, sondern auch an andere, die in ihren religiösen Gemeinschaften aufgenommen werden", sagt Stadler.

Seit dem Sommer gibt es zudem einen Pool von Mitarbeitenden, die mehrsprachig sind und sich freiwillig für etwaige Übersetzungshilfen gemeldet haben. "Zwar können wir auch auf den Sprachmittlerpool des Kobiz zurückgreifen, aber manchmal muss es eben schnell gehen, weil jemand in einer Beratung akute Verständigungsprobleme hat. Die schnelle Hilfe sorgt dann auf beiden Seiten für große Zufriedenheit", freut sich Leonie Stadler.

In die Stellenausschreibungen kommt eine Ermutigungsklausel

Noch recht neu ist, dass sich in Stellenanzeigen des Kreises eine sogenannte Ermutigungsklausel findet: "Das hört sich banal an, hat aber eine große Außenwirkung", so Stadler. Darin wird gezielt dazu aufgerufen, diverse Bewerbungen einzusenden. Julia Baron dazu: "Wir brauchen diese Zielgruppe, um dem Fachkräftemangel zu begegnen." Letztlich gehe es aber auch um Gerechtigkeit: "Dass eben alle Menschen im Kreis Euskirchen mitgestalten und mitverwalten können", wie Vera Stecker bekräftigt.

Noch ist viel zu tun. Auch drei Jahre nach Start des Kommunalen Integrationsmanagement (KIM) stehe man noch relativ am Anfang, meint Stadler. Die gewünschte Veränderung lasse sich nur kleinschrittig und über Jahre hinweg herbeiführen. Mut mache der Blick auf die Nachwuchskräfte im Kreis, die bereits deutlich bewusster und offener umgehen mit Diversität im Arbeitsalltag.

So hat jüngst ein Jahrgang der dual Studierenden im Verwaltungswesen den interkulturellen Öffnungsprozess zum Thema des obligatorischen Studierendenprojekts gewählt. Leonie Stadler: "Dieser wird nun wissenschaftlich betrachtet und analysiert. Die Studierenden wollen Wege aufzeigen, wie Barrieren beseitigt werden können."

Veränderungsprozess

Seit Mai 2021 wird das Kommunale Integrationsmanagement, kurz Kim, im Kreis Euskirchen umgesetzt. Kim ist das bislang größte integrationspolitische Förderprogramm des Landes NRW, dessen Ziel es ist, die Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu verbessern. Zusammengefasst geht es um die kommunale Steuerung und Organisation von Integrationsprozessen von "der Einreise bis zur Einbürgerung".

Mithilfe des Kim werden Vernetzung und Zusammenarbeit aller Akteure, die an der Integration einwandernder Menschen im Kreis Euskirchen beteiligt sind, gefördert. Es soll ein "Öffnungs- und Veränderungsprozess" angestoßen werden, bei dem "institutionelle Barrieren abgebaut und bestehende Strukturen optimiert werden", heißt es auf der Homepage des NRW-Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration.

Auch innerhalb der Kreisverwaltung will man die Partizipation und Integration von Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen fördern. Damit soll auch dem demografischen Wandel entgegengewirkt werden.

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Welche Wirkung Kim im Leben Zugewanderter im Kreis Euskirchen entfaltet und worin der seitens der Politik beschriebene Paradigmenwechsel in der Praxis besteht, darüber berichten wir in einer Serie in dieser Zeitung.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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