Vor vier Jahren wähnte sich die Bundesliga als die stärkste Liga der Welt. Mittlerweile laufen deutsche Mannschaften im Europapokal der Musik gehörig hinterher. Neidvoll geht der Blick in die superreiche Premier League - die fehlenden finanziellen Mittel sind aber nicht der einzige Grund für die deutsche Misere.
Es war Mitte September, als sich Hans-Joachim Watzke zu einer in der Sache richtigen, im Kontext aber etwas fragwürdigen Bestandsaufnahme hinreißen ließ. "Die Bundesliga-Klubs sind zu schlecht im Europapokal", sagte Watzke damals.
Das war nun wirklich keine neue Erkenntnis, zeigte der Trend der vergangenen Jahre doch für jeden sichtbar nach unten.
Eine Woche später erlebte die Bundesliga die schrecklichsten Tage ihrer Geschichte auf internationaler Bühne. In sechs Spielen setzte es sechs Niederlagen bei einem Torverhältnis von 2:12.
Watzkes Dortmunder gingen in diesen Tagen sang- und klanglos 1:3 zu Hause gegen Real Madrid unter, es war die zweite Niederlage im zweiten Champions-League-Spiel für den BVB.
Mit dem letzten Spieltag in der Königsklasse steht nun fest, dass mal wieder lediglich die Bayern die deutsche Fahne im wichtigsten Vereinswettbewerb der Welt hoch halten. Leipzig ist ebenso raus wie der BVB.
Beide Mannschaften dürfen sich nach der Winterpause mit der Europa League abmühen. Die Borussia "schaffte" den Sprung in die Trostrunde mit sagenhaften zwei Pünktchen aus sechs Spielen. Auch das gab es noch nie zuvor.
Vor zwei Wochen waren bereits Hertha BSC und 1899 Hoffenheim schon einen Spieltag vor Schluss ohne Chance, in der Europa League die K.-o.-Runde zu erreichen.
Und selbst wenn der 1. FC Köln am Donnerstagabend in Belgrad noch weiterkommen sollte, ist die Bilanz der deutschen Mannschaften in dieser Saison schlicht katastrophal.
Das deutsche Finale als Höhe- und Wendepunkt
Natürlich muss man bedenken, dass die Bundesliga in dieser Spielzeit etwas aus der Reihe tanzt, was ihre Abgesandten anbelangt.
Die erfahrenen Europapokal-Klubs wie Bayer Leverkusen, Schalke 04, selbst Borussia Mönchengladbach oder der VfL Wolfsburg sind nicht dabei.
Dafür schickte Deutschland mit Hoffenheim und Leipzig zwei Greenhorns ins Rennen, sowie die Kölner, die zuletzt vor 25 Jahren europäische Luft schnuppern durften. Und selbst die Hertha war zuletzt vor neun Jahren mit dabei.
Das ist ein Erklärungsansatz, aber keine Entschuldigung für das desaströse Auftreten bisher.
Es ist gerade etwas mehr als vier Jahre her, da wähnte sich der deutsche Fußball als der stärkste der Welt.
Die Bayern und Borussia Dortmund schafften den Einzug ins Champions-League-Finale. Für die Bayern war es die dritte Finalteilnahme binnen vier Jahren, der BVB überrannte die Konkurrenz mit seinem Hurra-Fußball.
Geld ist nicht der einzige Unterschied
Das Finale fand im Londoner Wembley-Stadion statt und die englischen Gastgeber schauten neidvoll auf jene Tage im Mai mit diesen beiden deutschen Größen, ihren Fans, ihrer Folklore und ihrer Spielkraft.
Das Blatt hat sich seitdem aber dramatisch gewendet. Die Premier League hat ihre Schwächephase überwunden und in der aktuellen Saison alle fünf Vertreter ins Achtelfinale gebracht.
"Geld schießt keine Tore", ist ein geflügeltes Bonmot des deutschen Fußballs und auch ein bisschen das Pfeifen im Walde. "Mit Geld kann man sich Spieler kaufen, die Tore schießen", sagt etwa Mats Hummels, der offenbar weniger Romantiker und mehr Realist ist.
Die Premier League mit ihren Milliarden aus den TV-Verträgen samt der Merchandisingmaschine in Fernost ist der Bundesliga finanziell Lichtjahre voraus und wohl auch nie mehr einzuholen.
Die Bundesliga hat für sich beschlossen, dass England zwar in einigen Dingen Vorbild sein darf, in Sachen 50+1-Regelung aber bleibt die Deutsche Fußball-Liga hart.
Das ist im Sinne der meisten Fans, für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Klubs aber ein veritabler Nachteil.
Wobei: Noch mehr finanzielle Mittel wären wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss, immerhin sind die Europapokalteilnehmer unter anderem gegen Klubs aus Portugal, Bulgarien, Schweden und der Türkei rausgeflogen. Und dort wird ganz sicher nicht mehr Geld erlöst als in der Bundesliga.
Die Probleme sind vielschichtiger. Deutschland sieht sich als Weltmeister zurecht in dem bestätigt, was in den Nachwuchsleistungszentren gelehrt und gelernt wird.
Massenhaft spülen die Ausbildungsstätten Spieler auf den Markt, viele davon allerdings auch gleichgeschaltet ausgebildet.
Es gibt kaum Spieler mit Inselbegabungen, das Dribbling wurde jahrelang absichtlich vernachlässigt, es wurden keine Außenverteidiger und keine Stoßstürmer mehr "produziert". Nach und nach geht der Trend wieder zur Spezialisierung.
Bundesliga schmort im eigenen Saft
Die Bundesliga schmort zudem ein wenig in ihrem eigenen Saft. Der Einfluss internationaler Trainer tendiert seit Pep Guardiolas Abgang aus München gen Null.
Dortmund als Speerspitze hat einen Spielstil en vogue gemacht, der auch vier Jahre später noch der Standard in der Bundesliga ist.
Es gibt neben den Bayern und mit Abstrichen Dortmund keine Mannschaft, die wirklich guten Ballbesitzfußball spielt oder das Positionsspiel beherrscht.
Deshalb bekommen deutsche Mannschaft international auch stets Probleme mit Teams, die diese Spielweise einfach nur spiegeln.
Da hat die Bundesliga den oder die nächsten Schritte in den vergangenen Jahren schlicht verschlafen und bekommt nun dafür die Quittung.
In England oder Spanien spielen nicht nur die besten Spieler der Welt, diese Ligen sind auch ein Schmelztiegel für internationale Trainer beziehungsweise Teammanager und mittlerweile sogar Kaderplaner und Scouts.
Es gibt immer neue Ideen und Experimente, die mit dem vielen Geld einfach auch angegangen werden. Auch auf die Gefahr hin, dass man die finanziellen Vorleistungen damit zum Teil verbrennt.
Die Premier League ist ein Sammelsurium an verschiedenen Spielstilen, Englands Ausbildungszentren mittlerweile so gut, dass eine Jugendnationalmannschaft nach der anderen einen wichtigen Titel einfährt.
Da ist auch der Deutsche Fußball-Bund gefragt, der mit seinem Prestigeobjekt des DFB-Campus im Vergleich zu Engländern, Niederländern oder Franzosen Jahre zu spät dran ist.
"Wenn man mal ein bisschen zurückgeht in diesem Jahrhundert, dann muss man sagen, dass wir in Deutschland nicht allzu viele Titel geholt haben. Und wenn es immer wieder heißt, die Bundesliga sei die beste Liga überhaupt, dann muss man sich mal fragen, ob das wirklich so stimmt." Das hat
Nicht jeder wollte dem Bundestrainer dabei zustimmen. Mittlerweile bleibt aber auch den Berufsoptimisten wohl keine andere Wahl mehr.
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