Alexandra Popp hat ihren Rücktritt vom DFB-Team bekanntgegeben. Die Ikone geht, hinterlässt damit aber auch die Chance auf einen Neuanfang.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Flanke, Kopfball, Tor – Fußball kann so einfach sein. Nicht selten war es tatsächlich so einfach für das DFB-Team. Nicht selten war es Alexandra Popp, die in einer komplizierten Partie die Erlösung per Kopf brachte. Mal waren die Flanken auf sie die Brechstange in höchster Not, mal waren sie klare Spielidee.

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Popp war und ist eine der besten Kopfballspielerinnen der Welt. Doch sie ist auch eine der schlitzohrigsten. Eine, die genau weiß, in welchen Situationen sie was tun muss, um für sich und das Team das bestmögliche Szenario herbeizuführen. Sie kann das Spiel lesen wie wenige andere und sich so Vorteile verschaffen.

Die 33-Jährige ist zudem eine Führungsspielerin, eine Autorität, an der sich alle anderen auf und neben dem Platz orientieren. In Zukunft wird sie das aber nur noch für den VfL Wolfsburg sein. Am Montag verkündete die Stürmerin ihren Rücktritt als Nationalspielerin.

"Sie ist eine der besten Fußballerinnen weltweit, hat den Sport geprägt und ist Vorbild für Millionen", brachte es der DFB auf den Punkt. Popp wird vermutlich ein Riesenloch ins Nationalteam reißen – doch vielleicht kommt ihr Ende genau richtig für einen echten Neuanfang.

Popp hinterlässt eine Lücke

Fest steht: Eine Spielerin wie Popp wird immer eine Lücke hinterlassen, wenn sie das Feld räumt. Wie wichtig sie für Deutschland war, zeigte sie auch bei den jüngsten Turnieren.

Bei der EM 2022, die hierzulande eine große Euphorie entfachte, wurde sie zum Gesicht eines Teams, das die Massen begeistern konnte. Besonders drei Momente des Turnieres zeigen, warum Popp so eine entscheidende Rolle für das DFB-Team gespielt hat.

Da wäre ihr 2:0 im Viertelfinale gegen Österreich, bei dem Popp den Abstoß des Gegners anlief. Carina Wenninger legte quer auf Torhüterin Manuela Zinsberger, die sich etwas zu viel Zeit ließ. Popp war sofort zur Stelle und blockte den Ball ins Tor.

Im Halbfinale gegen Frankreich drohte das Spiel mehrfach in Richtung der Französinnen zu kippen. Popp erzielte zwei Tore, der Kopfball zum 2:1 brachte die Entscheidung. Defensiv hielt sie bei Standards zudem Wendie Renard in Schach – eine absolute Weltklasseleistung, ohne die Deutschland nie ins Finale eingezogen wäre. "Durch Popps unnachahmliche Wucht besiegt Deutschland Frankreich", schrieb der "kicker" damals.

Was schließlich zum dritten Moment bei diesem Turnier führt: Im Endspiel musste Popp verletzt passen. Ohne sie war das Spiel ein anderes. Trotz Lea Schüller, die ebenfalls eine Stürmerin mit sehr hoher Qualität ist, fehlte den Deutschen jene Wucht, jene Durchsetzungsfähigkeit und jener unbedingte Wille, ein Tor zu erzielen. Popp verkörpert genau das. Deshalb macht sie so oft den Unterschied.

Alexandra Popp geht zum richtigen Zeitpunkt

Selbst in den letzten Monaten und Jahren, in denen Popp nicht mehr ganz so beweglich und spritzig wie in jungen Jahren ist, war sie in der Lage, mit all ihrer Spielintelligenz die ein oder andere Schwäche zu verstecken.

Trotz all der Wertschätzung, die man ihr deshalb entgegenbringen muss, ist der Zeitpunkt des Abschieds goldrichtig. Denn Popp geht nicht nur mit einer Bronzemedaille bei Olympia, die nach der enttäuschenden WM 2023 und den Monaten danach als großer Erfolg zu werten ist.

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Sie geht auch, bevor die Diskussionen darüber starten, ob der DFB ohne sie besser dran wäre. So gut und so wichtig sie auch war, zeigte sich vor allem in den Monaten unter Horst Hrubesch eine große Abhängigkeit von ihr – eine, die nicht immer gesund zu sein schien.

Denn Popp, das gehört letztlich auch dazu, ist trotz aller Schlitzohrigkeit und Qualität nicht mehr die Spielerin, die sie bei der EM 2022 noch war. Es sind nur Nuancen, dennoch war sie zuletzt nicht mehr in der Lage, das Spiel derart zu prägen, wie sie es einst tat.

DFB-Team steht vor einem echten Neuanfang

Unter Hrubesch gab es viele Flanken, das Spiel wurde im Vergleich zu vorher etwas eindimensionaler – wegen der Einfachheit vermutlich aber auch für den Moment erfolgreicher. Gleichzeitig war klar, dass diese Zeit nur eine Übergangsphase sein kann.

Mit Christian Wück übernimmt nun ein neuer Bundestrainer. Einer, der dem Spiel wieder Tiefe und mehr Komplexität verleihen muss. Mit einer Spielidee, die zu den schnellen und kombinationsstarken Spielerinnen passt, die in der Offensive zur Verfügung stehen.

Vielleicht wäre es ihm gelungen, Popp hier gewinnbringend zu integrieren. Vielleicht wäre aber auch eine Entwicklung eingetreten, mit der beide Seiten unzufrieden gewesen wären. Klar ist, dass Deutschland jetzt einen echten Neuanfang braucht.

Alexandra Popp: Die Ikone geht, aber hinterlässt viel

Trotz des erfolgreichen Olympia-Turniers konnte man in den vergangenen Monaten erkennen, dass sich das DFB-Team arg strecken muss, um überhaupt noch mit der Weltspitze mithalten zu können. Dass Popp mit ihrem Rücktritt den Weg für etwas Neues freimacht, ist als Chance zu sehen.

Mit Lea Schüller, Laura Freigang, Jule Brand, Nicole Anyomi, Klara Bühl und zahlreichen anderen Angreiferinnen kann Wück dem DFB eine neue Identität verleihen. Vielleicht nicht mehr so wuchtig wie noch mit Popp als zentralem Offensivanker. Vielleicht aber wieder mit mehr Fokus auf Tempo und Technik.

Flanke, Kopfball, Tor – die Einfachheit des Fußballs, die von Popp wie von keiner anderen zelebriert und geprägt wurde, wird fehlen. Doch nach vielen Jahren, in denen es von Turnier zu Turnier eigentlich immer nur darum ging, einen bestmöglichen Übergang zu schaffen, machen Rücktritte wie der von Popp oder zuletzt auch Marina Hegering den Weg endgültig frei, um von Grund auf einen neuen Entwicklungszyklus zu starten. Die Ikone geht, doch sie hinterlässt große Fußstapfen.

Verwendete Quellen

Comeback im DFB-Team? Manuel Neuer äußert sich

Nach der schweren Verletzung von Marc-André ter Stegen wurde viel über ein Comeback von Manuel Neuer im DFB-Tor spekuliert. Nach dem Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen äußerte sich der Weltmeister von 2014 das erste Mal dazu.


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