• Acht Teams sind verblieben, die um den Titel kämpfen.
  • Etliche Favoriten sind bereits raus, Underdogs spielen überraschenderweise bei den Großen mit. Doch wer macht am Ende das Rennen?

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Die Europameisterschaft biegt auf die Zielgerade ein. Deutschland und Frankreich raus, Portugal und die Niederlande ebenfalls. Dänemark, Ukraine und Tschechien hingegen sind noch dabei. Nach mitunter spektakulären Achtelfinalpartien, sind noch acht Teams verblieben, die um den Einzug ins Halbfinale kämpfen.

Längst nicht alle von ihnen waren zu Beginn und im Verlauf des Turniers im Viertelfinale zu erwarten. Das Powerranking zeigt, wer von den letzten acht Verbliebenden die besten Chancen auf den Turniersieg hat.

8. Ukraine – Zinchenko und Yarmolenko sind zu wenig

Mit zwei Niederlagen und nur drei Punkten aus der Vorrunde ging es für die Ukrainer durchaus glücklich ins Achtelfinale. Dort allerdings rang man am Dienstagabend mit einem Last-Minute-Sieg auf zehn dezimierte Schweden nieder und steht nun nicht unverdient im Viertelfinale der Europameisterschaft.

Die in Teilen destruktive Art, mit der Trainer Andriy Shevchenko Fußball spielen lässt, ging dank der stärksten Turnierleistung von Starspieler Oleksandr Zinchenko gegen Schweden hinten raus doch noch auf. Zinchenko, bei Manchester City unter Vertrag, überragte mit einem Tor und einer Vorlage im Achtelfinale.

Wirklich überzeugen konnten die Osteuropäer bis dato allerdings kaum. Da wird auch ein starker Andrey Yarmolenko an der Seite von Zinchenko kaum etwas dran ändern können. Die Chance, im Viertelfinale gegen England weiterzukommen, dürfte relativ klein sein.

7. Schweiz – Spanien ist nicht Frankreich

Bis zu dieser magischen Nacht von Bukarest lief so ziemlich gar nichts zusammen für die Schweizer Nationalmannschaft. Es hagelte Kritik aus der Heimat ob des protzigen Lebensstils einiger Spieler, einem ins Teamquartier einbestellten Starfriseur und weil sowieso seit Jahren das Thema Identifikation umherkreist. Wer sing die Nationalhymne mit? Wer nicht? Wie viel Schweiz steckt in Spielern mit ausländischen Wurzeln? Man kennt es – auch hierzulande.

Doch dann kam das: Mit dem wildesten und wahrscheinlich besten Fußballspiel, was wir bei dieser Europameisterschaft bislang bestaunen durften, ließ die Schweizer Nationalmannschaft die Stimmen der Kritik vorerst verstummen. Nach ansehnlichem Offensivfußball gegen Frankreich, der frühen Führung, einem 1:3-Rückstand, der Aufholjagd und dem erfolgreichen Schlusspunkt im Elfmeterschießen steht die „Nati“ nun überraschend im Viertelfinale dieser EM.

Dort wartet mit Spanien gleich der nächste Brocken. Die Schweizer müssen dabei ohne ihren gesperrten Kapitän Granit Xhaka auskommen. Und wenn Haris Seferovic und der Bundesliga-Block, allen voran um die Spieler von Borussia Mönchengladbach, keine weitere geschichtsträchtige Nacht gebucht haben, dürfte St. Petersburg die „estación final“ sein.

6. Dänemark – Danish Dynamite verpulvert

Das Drehbuch ist schön. Die Parallelen zu 1992. Danish Dynamite im Jahr 2021: Die ganze Welt würde es den Dänen wohl gönnen. Doch so schmerzhaft-kitschig diese Geschichte ist, so jäh kann sie zu Ende gehen.

Denn das Spiel der Dänen ist von Physis geprägt wie kein anderes. Keiner der acht Viertelfinalisten gewinnt so viele Bälle zurück. Mit 30 Torschüssen haben sie zudem die meisten im Turnier, die neun Tore sind nur von den Spaniern übertroffen. Doch spätestens jetzt erreicht das Turnier eine Phase, in der die Kräfte schwinden, die vergangene Saison und die bereits absolvierten EM-Spiele ihren Tribut zollen.

Mit Kasper Schmeichel, Andreas Christensen, Pierre-Emil Höjbjerg, Joakim Maehle und Martin Braithwaite hat die Achse des dänischen Spiels die volle Spielzeit von vier Spielen in den Knochen. Gegen taktisch enorm clevere Tschechen könnte das das Aus bedeuten. Irgendwann ist auch das Danish Dynamite mal verpulvert.

5. Tschechien – Taktisch nicht zu unterschätzen

Auch die Tschechen eliminierten im Achtelfinale mit den Niederlanden einen Titelkandidaten. Taktisch überragend und gnadenlos effizient schmiss die Mannschaft um Leverkusens Patrik Schick den Favoriten mit 2:0 aus dem Turnier.

Ein Ballbesitz von durchschnittlich 46 Prozent bedeutet den Tiefstwert aller Viertelfinalisten. Mit ihrer defensiven Gangart kassierte die Mannschaft von Jaroslav Šilhavý im gesamten Turnier erst zwei Gegentore, offensiv hingegen sind sie auf Patrik Schick angewiesen, der nun bei vier Toren steht. Damit ist er der beste Torschütze, der noch im Turnier ist.

Wenn Tschechien es schafft, defensiv erneut solide aufzutreten, ihr Pressingspiel durchzuziehen und Patrik Schick in die Spur bekommen, ist ein Halbfinaleinzug durchaus möglich. Zumal die bereits erwähnten Dänen zwar berauschend, aber sehr kräftezehrend spielen. Die taktische Finesse und die Geduld der Tschechen könnte der Schlüssel gegen Dänemark sein.

4. England – Wie weit reicht der Minimalismus?

Für die Minimalisten von der Insel steht auf dem Papier ein souveräner Viertelfinaleinzug. Vier Spiele, drei Siege, 4:0 Tore, darunter der 2:0-Sieg über die deutsche Nationalmannschaft. Doch der Schein trügt ein wenig. Denn ganz so souverän, wie sich die Zahlen darstellen, verlief das Turnier für die Engländer bislang nicht.

Nach dem 0:0 in der Vorrunde gegen Schottland hagelte es bereits Kritik am Stil von Englands Trainer Gareth Southgate. Gegenstand war nicht zuletzt der Umgang mit Jadon Sancho, den Southgate bei dieser EM bislang konsequent außen vor lässt. Spielerisch treten die Engländer um Weltklassespieler wie Harry Kane, Raheem Sterling und Phil Foden enttäuschend auf. Die Ergebnisse hingegen geben Southgate recht. Die Frage ist, wie lange noch.

Im Viertelfinale geht es nun gegen die Ukraine, den vermeintlich einfachsten Gegner. Ein Ausscheiden wäre für die Briten abermals blamabel – wie zuletzt bei der EM 2016, als gegen Island bereits im Achtelfinale Schluss war.

Mit einem Halbfinaleinzug würden die Three Lions auf Tschechien oder Dänemark treffen und könnten parallel zusehen, wie die Schwergewichte Belgien, Italien und Spanien sich gegenseitig aus dem Turnier kegeln. Ein Finaleinzug ist für die Three Lions demnach alles andere als unwahrscheinlich. Steigern sie sich aber nicht entschieden, wird gegen eine der großen Nationen kaum eine Chance auf den EM-Titel bestehen.

3. Spanien – Die Maschine läuft

Es hat ein wenig gedauert, bis die Zahnräder bei der spanischen Mannschaft ineinandergriffen – doch jetzt greifen sie. Und wie: Elf Tore haben die Spanier bereits erzielt, mehr als alle anderen Mannschaften. Zehn davon in den letzten zwei Spielen.

Längst ist das Spiel der Spanier nicht mehr so durchgetaktet wie es jahrzehntelang Markenzeichen war, längst sind die großen Namen verblasst. Doch Luis Enrique hat dem Team, das ohne Profis von Real Madrid auskommt, eine Spielart auferlegt, die sie gewinnen lässt. Noch immer hat keine andere Mannschaft im Weltfußball so häufig den Ball wie die Spanier, spielt so viele Pässe. Die Philosophie des Tiki Taka ist aber verpufft, mittlerweile gibt es gar den ein oder anderen langen Ball. Enrique lässt einen Mix aus Kunst und Kampf spielen. Gelegentlich endet das äußerst spektakulär wie gegen Kroatien und die Slowakei.

„Der Geist dieses Teams ist klar zu sehen“, sagte Luis Enrique nach dem aufreibenden 5:3-Sieg über Kroatien. Dieser Geist kann die Spanier bis ins Finale tragen. Dafür müssen sie im Halbfinale allerdings Italien oder Belgien ausschalten.

2. Belgien – Jetzt oder nie

Stirbt die goldene Generation der Belgier nun ein für alle Mal in Schönheit? Seit Jahren gilt das Team um Kevin de Bruyne, Eden Hazard und Romelu Lukaku als nominelles Flaggschiff bei großen Turnieren. Nach dem dritten Platz bei der WM 2018 soll es für den Weltranglistenersten nun einen letzten Schritt weitergehen. Für viele Spieler dieser goldenen Generation dürfte es die letzte Chance sein.

2018 scheiterte man noch denkbar knapp am späteren Weltmeister Frankreich. Bei dieser EM wirkt Belgien gefestigter, reifer, schlicht: besser. In der Vorrunde traten sie begeisternd auf, holten alle neun Punkte. Im Achtelfinale dann schalteten sie die Portugiesen aus – mit der Effizienz einer Spitzennation.

Nun wartet Italien im Viertelfinale. Dabei müssen die Belgier noch um die angeschlagenen Kevin de Bruyne und Eden Hazard zittern. Gerade de Bruynes Einsatz könnte zum spielentscheidenden Faktor werden.

1. Italien - Die Zeit ist reif

Souverän, wie das im Vorhinein zu erwarten war, brachten die Italiener das Achtelfinalspiel gegen starke Österreicher nicht über die Runden. Durch die Gruppenphase war die Squadra Azzura noch spaziert, als wäre es nichts weiter als ein lästiges Vorbereitungsturnier inmitten der Sommerpause.

Doch Österreich erwies sich als zäher Gegner. Seit Oktober 2020 war Italien zuvor ohne Gegentor geblieben, 1168 Minuten lang musste Gianluigi Donnaruma nicht hinter sich greifen, so lange hielt der Defensivverbund um Leonardo Bonucci den Angriffsbemühungen der Gegner stand. Dann kam Sasa Kaljdzic und traf für Österreich zum 1:2. Letztendlich half aber auch das nicht, die Italiener von ihrem Kurs abzubringen.

Nun stehen die Sterne gut wie lange nicht, dass Italien nach dem WM-Titel 2006 endlich wieder ein großes Turnier gewinnt. Das wieder und wieder bemühte Catenaccio-Klischee dürften nun auch die allerletzten Experten von der Karte gestrichen haben. Die Mannschaft von Trainer Roberto Mancini spielt alles andere als destruktiven Fußball, vielmehr besticht sie durch einen tollen, offensivorientierten Ball. Kein Team verzeichnet bei diesem Turnier mehr Torabschlüsse. Es waren 87 in den bisherigen vier Spielen.

Die Italiener wirken wie eine Einheit, kommen zudem ohne wirklichen Topstar aus. Ein eindeutiger Schwachpunkt ist nicht ersichtlich. Kann man der italienischen Mannschaft eines vorhalten, dann, dass sie noch nicht gegen eine Nation von Weltformat ranmusste. Daher wird die Viertelfinalbegegnung gegen Belgien zum Gradmesser. Und gewinnen sie dieses Spiel, ist der EM-Titel greifbar. Denn was soll dann noch kommen?

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