Vor dem Länderspiel Deutschlands in Österreich erzählt Bundesliga-Profi Xaver Schlager im Interview, was den Fußball unter Nationalcoach Ralf Rangnick ausmacht. Und warum David Alaba auf dem Platz der unangefochtene Chef ist.

Ein Interview

Im Hintergrund lief "I am from Austria' von Rainhard Fendrich und Tausende Österreicher schwenkten rot-weiß-rote Fahnen. Das letzte Nachbarschaftsduell gegen das Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) konnte die österreichische Nationalmannschaft im Juni 2018 in Klagenfurt 2:1 (0:1) für sich entscheiden. Der Jubel war groß.

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EM 2024: Österreich hat sich bereits qualifiziert

Auch aktuell präsentiert sich die Mannschaft aus der Alpenrepublik in sehr guter Form. Das Team um Xaver Schlager (RB Leipzig) hat sich souverän für die EM 2024 in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) qualifiziert. Vor dem neuerlichen Länderspiel gegen das DFB-Team am Dienstagabend in Wien (20.45 Uhr, hier im Live-Ticker) sprach der 26-jährige Mittelfeldspieler mit unserer Redaktion über Rivalität unter Nachbarn, Ralf Rangnicks Vorgaben und David Alabas Ansagen.

Herr Schlager, Österreich gegen Deutschland, dieses Duell hat eine gehobene Bedeutung für die rot-weiß-rote Fußball-Nation, oder?

Xaver Schlager: Schon durch die geografische und sprachliche Nähe ist es etwas Besonderes. Österreicher und Deutsche sind sich in vielem ähnlich. Viele Österreicher spielen in Deutschland. Man kennt sich aus der Bundesliga, hat schon oft gegeneinander gespielt. Über die Jahre ist eine gesunde Rivalität entstanden. Deswegen freut man sich auf solche Spiele besonders. Diese Länderspiele machen Spaß, da schauen beide Fußball-Nationen genau hin.

Österreich hat sich frühzeitig und souverän für die EM 2024 qualifiziert. Die Euphorie bei den Fans ist förmlich greifbar. Was ist bei der Europameisterschaft für diese österreichische Nationalmannschaft drin?

Es spielen viele Faktoren mit rein, die man heute noch nicht benennen kann. Für uns ist es natürlich super, dass wir dabei sind und auch, dass die EM wieder in einem Land stattfindet und nicht in mehreren Ländern (wie 2021, Anm. d. Red.). Wir haben eine gute Qualifikation gespielt, ein gutes Team zusammen und sind hoch motiviert. Wir haben ein großes Selbstbewusstsein und wollen das Bestmögliche herausholen. Wir müssen aber abwarten, welche Gegner wir zugelost bekommen. Heutzutage lässt sich nicht mehr sagen, dass ein Team bei einer EM sicher weiterkommt. Die Konkurrenz ist zu groß. Man muss jedes Spiel hart arbeiten. Das Schöne am Fußball ist, dass er nicht planbar ist.

Das ÖFB-Team wirkt unter dem deutschen Trainer Ralf Rangnick sehr stabil. Wie ist er als Typ Coach?

Der Trainer hat bisher einen sehr, sehr guten Job gemacht. Durch seine bisherigen Stationen hat er eine sehr große Erfahrung darin, wie er mit uns Spielern umgehen muss. Viele Spieler kennen seine Philosophie, was uns hilft. Im Training sind viele Übungsformen altbekannt. Er ist dabei sehr kommunikativ, redet viel mit uns. Er fragt uns nach unserer Meinung, gibt uns immer wieder Feedback. Und er ist ein sehr guter Planer: Wann regenerieren wir, wann können wir im Training wieder mehr machen. Anreise, Spiele, Abreise – es sind immer auch stressige Wochen mit dem Nationalteam. Das darf man bei dem Programm nicht unterschätzen.

Was macht den Fußball der Österreicher unter Rangnick aus?

Ich erlebe ihn als einen Trainer, der sehr genau weiß, was es braucht, um Spiele zu gewinnen. Das Ziel ist, dass wir Spielkontrolle haben. Dass wir gut pressen. Dass wir unser Spiel durchziehen. Sprich, dass wir von hinten aufbauen und uns nach vorne viele Chancen erarbeiten. Dass wir im Gegenpressing gleich da sind, wenn wir den Ball verlieren. Damit der Gegner nicht zu lange den Ball hat. Wenn wir die Basics einhalten, sind wir als Mannschaft sehr stabil.

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Über David Alaba: "Wir sind heilfroh, dass wir jemanden haben, der uns hinten Ruhe und Stabilität gibt."

David Alaba spielt für Österreich oft als Innenverteidiger. Ist der Star von Real Madrid bei Ihnen der klare Chef auf dem Platz?

Jede Mannschaft hat eine Hierarchie. Natürlich ist der David hinten unser Chef. Er ist der Kapitän, hat die meiste Erfahrung und die meisten internationalen Spiele gemacht. Er hat viel erlebt und weiß, wie das Fußballgeschäft läuft. Wir sind heilfroh, dass wir jemanden haben, der uns hinten Ruhe und Stabilität gibt. Jeder muss Verantwortung übernehmen. Aber du hast in einer Fußballmannschaft immer zwei, drei Spieler, die durch ihren Lebenslauf mehr Erfahrung als die anderen haben und diesen dann helfen.

Ist Alaba auf dem Platz eher der Typ Lautsprecher? Oder nimmt er einen bei einem Standard auf die Seite und flüstert einem was zu?

Bei jedem so, wie er es braucht. Auf dem Spielfeld stehen viele verschiedene Charaktere. Dem einen tut dieses gut, dem anderen jenes. Die Kunst ist, herauszufinden, wie ich dem einen helfe und wie dem anderen. Manchmal wird es lauter, mal bespricht man sich auf dem Platz unter vier Augen.

Mit Ihren österreichischen Kollegen Nicolas Seiwald und Christoph Baumgartner spielen Sie gemeinsam für RB Leipzig. In der Bundesliga liegen Sie zur Länderspielpause deutlich hinter Bayer Leverkusen (acht Punkte) und dem FC Bayern (sechs). Was fehlt?

Es fehlen die Punkte. Die Tabelle besteht aus Punkten, und nach Punkten liegen wir hinter den beiden Klubs. Abgerechnet wird aber am Ende der Saison. Bis dahin werden wir kämpfen und versuchen, so viele Zähler wie möglich einzufahren. Wir haben noch viele Spiele vor uns.

Der Offensivfußball von Xavi Simons, Lois Openda und Benjamin Sesko ist stellenweise ein Spektakel. Müssen Sie in Leipzig stattdessen noch mehr an der defensiven Absicherung arbeiten?

Unsere ganze Mannschaft strahlt diesen Offensivfußball aus. Xavi Simons ist ein sehr wichtiger Spieler für uns, der nach kurzer Zeit und für sein junges Alter sehr viel Verantwortung übernimmt. Wir haben aber mehrere Spieler, die für ihr junges Alter auf einem sehr hohen Niveau spielen. In allen Spielen, die wir verloren haben, waren wir drückend überlegen. Doch dann haben wir zum Beispiel einen Konter bekommen. Die Mannschaft hat noch Potenzial nach oben. Wir haben gegen tief stehende Gegner, Bochum und Mainz, Punkte eingebüßt. Sonst wären wir voll vorne mit dabei. Wenn Gegner mitspielen, kommt uns das entgegen. Aber gegen Gegner, die nur die Null halten wollen, müssen wir besser in der Restverteidigung sein und das 1:0 machen. Daran gilt es, weiter hart zu arbeiten.

Zur Person

  • Xaver Schlager, Jahrgang 1997, ist ein österreichischer Fußballspieler aus Linz. 2009 kam er in die Jugendakademie des FC Red Bull Salzburg und durchlief in dieser alle Jahrgänge. 2016 rückte der Mittelfeldspieler mit nur 19 Jahren in den Profi-Kader der Salzburger auf und gab im März 2018 sein Debüt für die österreichische Nationalmannschaft (39 Länderspiele). Nach der Zwischenstation VfL Wolfsburg (2019 bis 2022) schloss er sich RB Leipzig an. Anfang Juni holte er mit den Sachsen den DFB-Pokal.
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