Die deutsche Nationalmannschaft ist erfolgreich in die Mission WM-Titelverteidigung gestartet. Gegen vollkommen überforderte Norweger gewann die DFB-Elf mühelos mit 3:0. Die wichtigste Erkenntnis des Spiels: Es "müllert" wieder – nach einer durchwachsenen EM wusste Thomas Müller im ersten WM-Quali-Spiel mit zwei Toren und einer Vorlage zu überzeugen. Aber die Partie hatte einen weiteren "Aha"-Moment: Die Nationalmannschaft steht vor einer Verjüngungskur.

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Wer erinnert sich nicht an die magische Nacht in Rio – nach einem harten Kampf gegen Argentinien erlöste die Kombination André Schürrle – Mario Götze Fußball-Deutschland. Danach gab es nur noch Jubel, Freude und den begehrten Weltmeisterpokal. Das Spektakel liegt mittlerweile mehr als zwei Jahre zurück, Leistungsträger wie Philipp Lahm, Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger sind nicht mehr Teil der Mannschaft.

Jogi Löw hat zwar den Großteil seiner Helden noch beisammen. In jedem Mannschaftsteil kann die DFB-Elf einen erfahrenen Block vorweisen, der auch bei der WM in zwei Jahren im Normalfall auflaufen wird. Manuel Neuer ist im Tor unangefochten die Nummer eins. Das Innenverteidiger-Duo aus Jerôme Boateng und Mats Hummels bewies bei der EM in Frankreich seine Klasse und im Mittelfeld kann Löw auf Spieler wie Toni Kroos, Sami Khedira, Mesut Özil und den wiedererstarkten Thomas Müller setzen.

Die Schwachstellen ausmerzen

Die Mannschaft bleibt also auch die nächsten Jahre im Kern unverändert. Die Herausforderung, vor der Bundestrainer Löw steht, ist die punktuelle Auffrischung der Schwachstellen im Kader.

Die Lücke, die Philipp Lahm nach seinem Rücktritt in das deutsche Team gerissen hat, wurde schon bei der EM offensichtlich. Benedikt Höwedes wusste hinten rechts zwar in der Verteidigung durchaus zu überzeugen, konnte aber in der Offensive keine Akzente setzen. Doch gerade das ist im flügellastigen Spiel der DFB-Elf enorm wichtig. Noch während der EM baute Löw seine Mannschaft um, brachte für Höwedes den offensiver ausgerichteten Joshua Kimmich ins Team.

Ein Experiment, an dem der Trainer nach wie vor festhält, wie man im Spiel gegen Norwegen sehen konnte. Auch dort agierte der 21-Jährige als Rechtsverteidiger. Man kann davon ausgehen, dass der eigentlich im Mittelfeld beheimatete Spieler des FC Bayern hier die nächste Zeit – ähnlich wie Jonas Hector auf links - unantastbar sein wird.

Die jungen Wilden machen Druck auf Mario Götze



Im Mittelfeld kann man Löw beinahe ein Luxus-Problem attestieren. Der gesetzte Weltmeister-Stamm kann sich aber keineswegs auf den gesammelten Lorbeeren ausruhen – dafür stehen zu viele Perspektivspieler in den Startlöchern. So zum Beispiel Leroy Sané, der als einer der teuersten deutschen Spieler aller Zeiten gerade zu Manchester City gewechselt ist und bei der EM schon im Kader stand.

Schalkes Max Meyer und Leverkusens Julian Brandt stellten hingegen bei den Olympischen Spielen in Rio ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. Die drei Offensivspieler machen besonders auf Mario Götze Druck. Gegen Norwegen durfte Götze einmal mehr von Beginn an ran, konnte aber erneut nicht überzeugen.

Nachdem er bereits den Saisonstart der Dortmunder wegen Formproblemen nicht bestritten hat, zeigte der 24-Jährige auch beim DFB eine eher schwache Leistung. "Ich habe keinen Sprint gesehen, ich habe nichts gesehen", sagte Ex-Nationaltorhüter Jens Lehman über die Leistung des WM-Final-Torschützen: "Mario Götze gibt einem immer das Gefühl, dass er nichts macht." Nach 72 Minuten kam Brandt für den Neu-Dortmunder ins Spiel – und hatte am Ende der Partie mehr Ballaktionen gesammelt als Götze (19 zu 18).

Große Talente für das Mittelfeld

Julian Draxler muss sich ebenfalls beweisen. Die nächsten Spiele wird der Offensivspieler wohl noch von seiner guten Europameisterschaft profitieren – Joachim Löw ist dafür bekannt, verdienten Spielern auch zweite und dritte Chancen einzuräumen – aber auf Dauer könnten ihm Spieler wie Brandt, Meyer, Sané oder auch der eher im Zentrum beheimatetet Leon Goretzka (Schalke 04) den Rang ablaufen.

Besonders von Goretzka erwartet Joachim Löw in der Zukunft viel. Erst kürzlich adelte der Bundestrainer den Spieler mit den Worten: "Ich bin ein Riesen-Fan". Der junge Schalker wäre wohl bereits für die Spiele gegen Finnland und Norwegen nominiert worden, würde er momentan nicht an einer Schulterverletzung laborieren.

Auch Julian Weigl vom BVB oder Liverpools Emre Can scharren mit den Hufen. Can durfte schon im wichtigen EM-Halbfinale gegen Frankreich den verletzten Khedira ersetzen. Weigl kam gegen Finnland für den zurückgetretenen Schweinsteiger ins Spiel - ein Wechsel mit Symbolcharakter.

Im Sturm kommt wenig nach

In der Innenverteidigung bleibt das Duo Boateng-Hummels vorerst unangefochten die erste Wahl. Doch auch hier stehen mit dem Neu-Londoner Shkodran Mustafi, Leverkusens Jonathan Tah und Niklas Süle aus Hoffenheim - bei Olympia einer der Leistungsträger - drei Alternativen bereit, die auf lange Sicht die Weltmeister-Verteidigung ergänzen oder ablösen können.

Einzig im Sturm mangelt es an Perspektive. Schon bei der EM konnte gegen Frankreich der Ausfall Mario Gomez´ nicht adäquat aufgefangen werden – auch weil Götze seit Monaten neben sich steht. Der Neu-Leverkusener Kevin Volland durfte zwar gegen Finnland von Beginn an spielen, aber auch er ist kein klassischer Strafraumstürmer.

"Natürlich haben wir in dieser zentralen Position wenig Optionen", analysierte Müller vor kurzem die Sturm-Misere: "Das ist ein grundsätzliches Problem in Deutschland. Da gibt's nicht allzu viel Auswahl". Zur Not muss dann eben ein anderer für Tore sorgen - wie es Müller gegen Norwegen selbst gezeigt hat.


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