Klar, am Ende wird eine Mannschaft Weltmeister. Aber dennoch schaut auch bei dieser WM wieder alles auf die Einzelkönner, auf die großen Solisten. Aber wie kommen die bislang mit dem Druck zurecht, ihre Teams zum WM-Titel führen zu müssen? Unser erstes Zwischenzeugnis mit Schulnoten für die Superstars.
Er hat nur diese einzige, winzig kleine Aufgabe: Brasilien im eigenen Land zum WM-Titel führen. Wer eine Definition von "Erwartungsdruck" sucht, muss sich nur im Panini-Album das Bild von Neymar anschauen. Da kann man schon mal nervös werden. Unter diesen Umständen können Neymars Landsleute mit seiner Leistung im Eröffnungsspiel gegen Kroatien mehr als zufrieden sein. Wen interessiert es da noch, dass das erste Tor die Hilfe des Innenpfostens in Anspruch nehmen musste und der Elfmeter nur reinging, weil sich Torwart Pletikosa vorher die Fingernägel geschnitten hat? Wer will da noch wissen, dass er ansonsten gegen kampfstarke Kroaten nicht sonderlich auffiel? Solange Neymar Brasilien zum WM-Titel führt, spielt das alles keine Rolle.
Es war zu erwarten: Arjen Robben hat mal wieder eine famose Saison für den FC Bayern München gespielt - warum sollte er bei der WM nicht einfach so weitermachen? Na gut, dass es gleich so gut klappt, noch dazu gegen den amtierenden Weltmeister Spanien, war vielleicht doch nicht zu erwarten. Zwei Tore beim 5:1, die spanischen Abwehrspieler schwindelig gespielt; das muss ihm erst mal einer nachmachen. Gut, "Superman" Robin van Persie hat es ihm tatsächlich gleich nachgemacht - minus das Schwindeligspielen.
WM-Note: 1
Xavi (Spanien)
Oder sollen wir an dieser Stelle Iker Casillas nennen? Oder Sergio Ramos? Oder Gerard Pique? Oder Xabi Alonso? Oder Andres Iniesta? Oder Diego Costa? Man muss nicht lange drumrumreden: Im Spiel gegen die Niederlande hat nicht nur die Defensive versagt, sondern das gesamte spanische Team - über das schon im Vorfeld viele geunkt haben, es sei über seinen Zenit hinaus. Aber kann man die Spanier wirklich anhand dieses einen Spiels bewerten, in dem sich Robben und Co. in einen Rausch gespielt haben? Das wird sich im nächsten Gruppenspiel der Spanier gegen Chile am Mittwoch zeigen. Vorher sollte man mit Abgesängen vielleicht noch vorsichtig sein.
WM-Note: 5
Cristiano Ronaldo (Portugal)
Er hatte seine Jubelposen mit nacktem Oberkörper bestimmt schon vor dem Spiegel einstudiert. Schließlich war Cristiano Ronaldo sicher, dass er und seine Untergebenen im portugiesischen Nationalteam die zuletzt wenig überzeugenden Deutschen mit einer vernichtenden Niederlage aus dem Stadion jagen. Und in der Realität? Da schoss Ronaldo bei einem seiner mittlerweile gar nicht mehr so gefürchteten Freistöße die deutsche Ein-Mann-Mauer an - bestehend aus Philipp Lahm. Zweifelhaft, dass es jemals eine Szene mit mehr Symbolkraft im Fußball gab. Die Rolle von Ronaldo als Tormaschine nahm derweil Thomas Müller ein und behielt dankenswerterweise sein Trikot an.
WM-Note: 7 (na gut, das war fies; natürlich nur eine 6)
Mesut Özil (Deutschland)
Wird das vielleicht doch noch was mit Mesut Özil bei dieser WM? Galt er vor dem ersten Gruppenspiel gegen Portugal noch als das größte Sorgenkind, wird er jetzt bei Auswechslungen immerhin nicht mehr ausgepfiffen. Wirklich torgefährlich wird Özil zwar erst, wenn die Tore zehn Meter breit sind und der Torwart gerade woanders hinschaut. Aber dass er einer der wenigen Spieler im Weltfußball ist, die freie Spieler nicht nur sehen, sondern ihnen auch noch unfallfrei den Ball zuspielen können, hält man seit dem Spiel am Montag immerhin nicht mehr für groteske Übertreibung.
WM-Note: 4
Lionel Messi (Argentinien)
Das muss man sich mal vorstellen: Im Barca-Trikot ist bei Lionel Messi seit Jahren jeder Schuss ein Treffer und im Dribbling verliert er nie den Ball. So empfinden es zumindest Barca-Fans. Für die argentinische Nationalmannschaft hingegen spielt immer sein Zwillingsbruder, der dann nicht mehr nur die Größe eines Pampashasen, sondern auch dessen fußballerisches Talent hat. So empfinden es zumindest die Argentinier. Nach dem Spiel gegen Bosnien-Herzegowina dürfte man im Land des zweifachen Weltmeisters aber ein wenig zuversichtlicher sein: Zwar war das noch immer nicht der Messi aus Barcelona, aber immerhin konnte er über sein zweites WM-Tor überhaupt jubeln. Der böse Zwilling ist diesmal vielleicht zu Hause geblieben.
WM-Note: 3
Wayne Rooney (England)
Auf sein erstes WM-Tor wartet ein anderer noch immer: Wayne Rooney. Bei ihm verhält es sich ähnlich wie bei Messi - im Verein seit Jahren auf Topniveau, im Nationalteam ähnlich wichtig wie der Busfahrer im Stau. Auch im Gruppenspiel gegen Italien wieder das gleiche Bild: Zwar bereitete er den zwischenzeitlichen Ausgleich durch Sturridge vor. Doch ansonsten rannte Rooney wild über den Platz, als müsste schnell noch den "Last Call" in seinem Lieblingspub erreichen, und wirkte beim Torschuss so, als hätte er das letzte Bier dann lieber doch nicht trinken sollen.
WM-Note: 4
Didier Drogba (Elfenbeinküste)
Gut möglich, dass "Drogba" in einer der Landessprachen der Elfenbeinküste bedeutet: "In vier Minuten dreh ich so ein lausiges Vorrundenspiel gegen Japan doch locker." Oder anders: Didier Drogba wird in der 62. Minute beim Stand von 0:1 eingewechselt - in der 66. Minute steht es durch Tore von Bony und Gervinho 2:1 für die Elfenbeinküste. Perfekt wäre sein Auftritt gewesen, wenn er sich danach direkt wieder selbst ausgewechselt hätte.
WM-Note: 2
Andrea Pirlo (Italien)
Andrea Pirlo ist der derzeit eleganteste und gleichzeitig lässigste Fußballspieler der Welt. Punkt.
WM-Note: 1
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