• Am Dienstag will die CDU entscheiden, wie die Kür ihres neuen Vorsitzenden verlaufen soll.
  • Fünf Kandidaten sind derzeit für den Posten im Gespräch: Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Jens Spahn, Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann.
  • Was spricht für die einzelnen Bewerber - und was gegen sie?
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Langsam zeichnet sich ab, wie die CDU ihren neuen Vorsitzenden bestimmen will: Die Parteibasis wird im Dezember über ihren neuen Chef abstimmen. Am 21. und 22. Januar des kommenden Jahres soll dann ein Parteitag in Hannover stattfinden, auf dem der neue Vorsitzende endgültig gekürt wird.

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Die wichtigste Frage aber bleibt: Wer wirft überhaupt seinen Hut in den Ring? Fünf Kandidaten für den Vorsitz stehen derzeit im Fokus. Hier nur die männliche Form zu verwenden, ist angebracht – denn es handelt sich ausschließlich um Männer, ausschließlich aus Nordrhein-Westfalen. Wie stehen ihre Chancen?

Friedrich Merz

Von 2000 bis 2002 war der Sauerländer Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Obwohl das lange her ist, gilt Merz noch immer als Liebling der Basis. Er steht für eine liberale Wirtschafts- und eher konservative Gesellschaftspolitik. Damit wäre er ein Gegenentwurf zur Ära Merkel, den sich zumindest ein Teil der Basis sehnlich wünscht.

Bei einer repräsentativen Civey-Umfrage im Auftrag unserer Redaktion schnitt Merz am besten ab. Dem Deutschlandtrend der ARD zufolge trauen ihm 23 Prozent der Deutschen den CDU-Vorsitz zu. Auch das ist ein höherer Wert als bei seinen Konkurrenten.

Doch sicher ist die Sache für Merz noch nicht. Es wäre sein dritter Anlauf: 2018 ist er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und 2021 gegen Armin Laschet jeweils knapp gescheitert. Nach seiner Niederlage 2018 zog sich Merz zurück, statt sich weiter in den Dienst der Partei zu stellen. Das wurde ihm zum Teil als mangelnde Teamfähigkeit ausgelegt.

Hinzu kommt: Für einen Generationswechsel steht Merz eher nicht. Selbst die früher immer Merz-freundliche Parteijugend ist von ihm abgerückt. "Wir brauchen vor allem mehr junge, frische und unverbrauchte Köpfe in der Parteispitze", sagte Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, den Sendern RTL und ntv. Friedrich Merz sei ein kluger Kopf – aber er könne "sicherlich auch als Berater und als Unterstützer mit dabei sein".

Norbert Röttgen

Der Rheinländer hat eine wechselhafte Karriere hinter sich. Als "Muttis Klügster“ im Kabinett war er von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister. Nachdem er als Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gescheitert war, warf Angela Merkel ihn aus dem Kabinett. Doch Röttgen kam wieder – als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und häufiger und redegewandter Gast in Polit-Talkshows.

Röttgen ist sozusagen das Gegenangebot zu Merz. Im "Bericht aus Berlin“ machte er klar, wo er sich verortet: "Der Vorsitzende selber muss die Mitte verkörpern. Das Zentrum der CDU kann nur in der Mitte sein.“ Er selbst nimmt für sich in Anspruch, diese "moderne Mitte“ zu repräsentieren.

Der Außenpolitiker kann auf die Unterstützung der Mitglieder hoffen, die den Kurs von Angela Merkel fortsetzen statt konservativer werden wollen. Die Frauen-Union könnte er auf seine Seite ziehen, indem er eine Frau zu seiner Generalsekretärin macht. Das hatte Röttgen schon angekündigt, als er sich Anfang dieses Jahres – letztlich erfolglos – auf den Parteivorsitz bewarb.

Ob der eher liberale Röttgen aber in der Partei mehrheitsfähig ist, ist die andere Frage. In Wählerumfragen liegt er zwar auf Platz zwei. In der Civey-Umfrage im Auftrag unserer Redaktion sprachen sich aber lediglich 14 Prozent unter den CDU-Anhängern für ihn aus. In Teilen der Basis – gerade in den östlichen Bundesländern – ist der Wunsch stark, das konservative Profil zu schärfen. Und für das steht Röttgen eben nur bedingt.

Jens Spahn

Auch der Bundesgesundheitsminister hat eine politische Achterbahnfahrt hinter sich. Zu Beginn der Corona-Pandemie konnte er sich als Krisenmanager profilieren. Doch nach anderthalb Jahren hat sich dieses Image längst abgeschliffen. Über die Corona-Politik herrscht viel Unzufriedenheit, Spahn muss sie zum Teil ausbaden. In Umfragen liegt er abgeschlagen hinter Merz und Röttgen.

Der 41-Jährige bringt Regierungs- und Krisenerfahrung mit und ist doch noch jung genug, um einen Generationswechsel zu verkörpern. Er steht mit seiner Person sowohl für Modernität als auch für konservative Werte. Doch Spahn ist auch schon lange genug im Geschäft, um sich Feinde gemacht und Enttäuschungen produziert zu haben.

"An ihm klebt trotz seiner erst 41 Jahre zu viel Vergangenheit: Schwarz-Grüner, plötzlich einträchtig mit dem konservativen Wunderknaben Sebastian Kurz“, schreibt der "Tagesspiegel" über Spahn. Zu viele Wendungen, laute das Urteil in der Partei über ihn.

Ralph Brinkhaus

Seit 2018 steht der Ostwestfale an der Spitze der Bundestagsfraktion. Er setzte sich damals gegen den Merkel-Vertrauten Volker Kauder durch. Gerade wurde Brinkhaus für ein halbes Jahr wiedergewählt. Offenbar erneut gegen gewisse Widerstände: Der scheidende Parteichef Armin Laschet hätte es lieber gesehen, das Amt für einen noch kürzeren Zeitraum zu besetzen.

Brinkhaus ist nicht nur machtbewusst, sondern auch ein geschliffener Redner. Vor allem in der Corona-Pandemie hat er mit engagierten Reden auf sich aufmerksam gemacht. In der Fraktion ist sein Rückhalt offenbar groß. In der Flüchtlingspolitik hat Brinkhaus gerade vor zu viel Offenheit gewarnt – das dürfte beim konservativen Parteiflügel gut ankommen.

Allerdings dürfte Brinkhaus im Rennen um den Parteivorsitz eher Außenseiterchancen haben. In der Bevölkerung ist er weniger bekannt als Merz, Röttgen und Spahn. Ein Erfolg für Brinkhaus wäre es, wenn er seinen jetzigen Posten behält.

Bisher galt in der CDU die ungeschriebene Regel, dass Partei- und Fraktionsvorsitz in Oppositionszeiten in einer Hand liegen. Doch es wäre nicht die erste ungeschriebene Regel, von der die CDU abweicht. Überall ist nun von einer Teamlösung die Rede. Norbert Röttgen als Parteichef und Ralph Brinkhaus als Fraktionsvorsitzender – das wäre zum Beispiel ein Tandem, das die Bandbreite der Partei abdeckt.

Carsten Linnemann

Der Paderborner ist Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU. In der Öffentlichkeit spielt das Amt eine untergeordnete Rolle – für die Union ist es allerdings nicht unbedeutend. Linnemann gehört mit nur 44 Jahren zu den bekannteren CDU-Politikern.

Inzwischen gibt es zu viele Fans, um Linnemann noch einen "Geheimtipp“ nennen zu können. Das gilt zum Beispiel auch für den Osten. "Carsten Linnemann hat in Chemnitz gearbeitet. Das wäre jemand, der Ost kann – und hier auch so wahrgenommen wird", sagte zum Beispiel Frank Heinrich, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Chemnitz, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Carsten Linnemann hat ein eher konservatives Profil. Er steht in der Wirtschafts-, Sozial- und auch der Gesellschaftspolitik für ähnliche Positionen wie Friedrich Merz. Da er rund 20 Jahre jünger ist, würde er aber glaubhafter einen Generationswechsel verkörpern.

Die Frage bei Linnemann ist, ob er sich Kandidatur und Job zutraut. Bis jetzt hat er nur zugesagt, Teil eines Teams werden zu wollen.

Verwendete Quellen:

  • Tagesspiegel vom 2. November 2021: Verjüngung gesucht
  • Tagesschau.de: Norbert Röttgen, CDU, über die Suche nach einem neuen CDU-Vorstand
  • Tagesschau.de: ARD-DeutschlandTrend – Wachsende Mehrheit für Tempolimit
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