Die SPD-Spitze hat Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten für die Wahl 2021 vorgeschlagen. Auf einer Pressekonferenz erklärt der Finanzminister seine ehrgeizigen Pläne für die nächste Legislaturperiode und zeigt sich selbstbewusst. Kritik an der Nominierung gibt es nicht nur von Seiten der politischen Konkurrenz.
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat
Es sei "unser ganz ehrgeiziges Ziel, die nächste Bundestagswahl erfolgreich zu bestreiten und die nächste Regierung zu führen", sagte Scholz am Montag in Berlin. "Ich freue mich über die Nominierung und will gewinnen."
Scholz strebt "sozialdemokratische Regierung" an
Dabei stellte der Vizekanzler klar, dass sich die SPD durch seine frühzeitige Ausrufung als Kanzlerkandidat nicht aus der gemeinsamen Regierungsarbeit mit der Union verabschieden wolle.
"Wir haben noch viel zu tun auch in der gemeinsamen Regierungspolitik mit unserem Koalitionspartner", sagte Scholz. "Dieser Verpflichtung stellen wir uns." Er fügte hinzu: "Wir regieren - und das werden wir auch weiterhin tun. Der Wahlkampf beginnt nicht heute."
Auf die Möglichkeit einer SPD-geführten Linkskoalition angesprochen, sagte Scholz: "Wir wollen nicht, dass es eine ständige Fortsetzung von CDU-Regierungen mit wechselnden Partnern gibt." Er wolle "jetzt eine sozialdemokratische Regierung".
SPD benennt als erste Partei ihren Kanzlerkandidaten
Vorstand und Präsidium der Partei hatten Scholz am Montagvormittag einstimmig als Kanzlerkandidaten nominiert. Eine Bestätigung auf einem Parteitag ist danach nicht mehr nötig. Die SPD ist die erste im Bundestag vertretene Partei mit einem Kanzlerkandidaten für die Wahl 2021.
Auf der Pressekonferenz am Montag betonten sowohl Scholz als auch die SPD-Chefs
Die Entscheidung für Scholz sei bereits vor einem Monat "im guten Miteinander" gefallen, sagte Esken. Für "viele in der Partei" stelle Scholz' Nominierung "eine ungewöhnliche Wendung dar", sagte sie. "Diejenigen, die wir überraschen, wollen wir um Vertrauen bitten für diesen Weg."
"Höchste Zeit, dass mal wieder ein Hanseat Kanzler wird"
Unterstützung für Scholz gab es am Montag von Niedersachsens Ministerpräsident
Auch Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte sprach in einer Mitteilung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in höchsten Tönen von Scholz. "Olaf Scholz ist ein 'progressiver Pragmatiker', der zeigt, wie man auch in schwierigen Zeiten gute und gerechte Politik für die Menschen und unser Land macht. Höchste Zeit, dass mal wieder ein Hanseat Kanzler wird."
Linker SPD-Flügel kritisiert Nominierung von Scholz
Im linken Flügel der SPD stieß die Nominierung von Scholz allerdings auf Kritik. "Ich kann die Entscheidung des Parteivorstands für Olaf Scholz als Kanzlerkandidat nicht nachvollziehen", sagte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstagsausgabe).
Sie äußerte Zweifel daran, dass die politische Positionierung von Scholz der Partei bei der Wahl 2021 helfe: "Das Rezept der vergangenen Jahre, im Milieu der konservativen und liberalen Wähler zu fischen, wird auch dieses Mal nicht aufgehen." Zudem erwartet Mattheis nach eigenen Angaben Probleme zwischen dem Kanzlerkandidaten und den eher links positionierten Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
"Ich sehe keine großen Schnittmengen zwischen dem Kandidaten Olaf Scholz und der inhaltlichen Erneuerung, für die die neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans stehen, die sich für ein linkes Bündnis aussprechen", sagte sie.
Merz und Röttgen: Kandidat Scholz passt nicht zur Partei SPD
Der Bewerber um den CDU-Vorsitz und frühere Unionsfraktionschef
Der Mitbewerber um den CDU-Vorsitz, der Außenpolitiker
Markus Söder versteht SPD-Strategie nicht
Bayerns Ministerpräsident
"Natürlich entscheidet die SPD selbstständig, wen sie aufstellt", sagte Söder. "Ich finde aber das Signal des Wochenendes insgesamt keine Verbesserung für die Situation der Bundesregierung", betonte der bayerische Ministerpräsident, dem selbst Ambitionen für eine Kanzlerkandidatur für die Union nachgesagt werden.
Die Aussage, dass die SPD ein Linksbündnis anstrebe, sei ein klares Signal dafür, dass der Wahlkampf schon jetzt beginne. Dies sei "verheerend" für die weitere Zusammenarbeit in der Corona-Bekämpfung. "Kein Mensch in Deutschland hat Verständnis dafür, dass wir jetzt über Wahlkampf reden", sagte Söder. "Wir müssen die Corona-Herausforderung annehmen, aber nicht wahlkämpfen", sagte er.
Er verstehe auch nicht die Strategie der SPD, die am Sonntag erklärt habe, man müsse nicht unbedingt den Kanzler stellen, und bereits einen Tag später einen Kandidaten präsentiere.
Grüne: Lassen uns nicht unter Zugzwang setzen
Die Grünen wollen sich von der SPD bei der Nominierung eines Kanzlerkandidaten nicht treiben lassen. Man werde sich auf keinen Fall durch einen "nicht ganz glücklichen Zeitpunkt", den andere setzten, unter Zugzwang setzen lassen, sagte Parteichef
Die zweite Corona-Welle, Hitzewellen und Klimakrise, der Wirecard-Skandal und die Lage in der EU seien immense politische Herausforderungen. "Es ist viel zu früh für Wahlkampf", sagte Habeck.
Auch die Debatte über eine Koalition von SPD, Linken und Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 will die Grünen-Spitze nicht vorantreiben. "Alle diese Spekulationen über Koalition und Personen, die sind nicht unsere und wir werden uns von denen auch fernhalten", stellte Habeck klar. "Wir haben einen Führungsanspruch für dieses Land als progressive, gestaltende Kraft, und aus diesem Anspruch heraus werden wir alle wahlstrategischen Fragen dann beantworten, wenn wir es für richtig halten."
Scholz blickt auf stolze Parteikarriere zurück
In seiner politischen Laufbahn wurde und wird Scholz, seit 1975 SPD-Mitglied, regelmäßig Arroganz vorgeworfen - und jegliches Charisma abgesprochen. Beides war seiner Karriere indes nicht hinderlich: 1994 stieg er in den Parteivorstand der Hamburger SPD auf. 1998 schaffte Scholz es in den Bundestag. Zwei Jahre später wurde er erstmals Landeschef seiner Partei in der Hansestadt.
Unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder war Scholz Generalsekretär (2002-2004). Dies war die Zeit, in der er sich den Spitznamen "Scholzomat" einhandelte - da er häufig Floskeln bemühte, anstatt sich konkret inhaltlich zu äußern. 2007 wurde er Arbeitsminister in der großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU), vier Jahre später Hamburger Bürgermeister.
Die Gewalt beim G20-Gipfel im Juli 2017 warf einen Schatten auf sein politisches Wirken, Scholz sprach von der "schwersten Stunde" seiner Amtszeit. Beim Wechsel in Merkels Kabinett 2018 machte er seine Ansprüche deutlich, etwa indem er auf die Vizekanzlerschaft pochte.
Zuletzt sorgte er mit für seine Verhältnisse knackigen Zitaten für Aufmerksamkeit. Im Juni formulierte er etwa den Anspruch, mit dem Konjunkturpaket müsse Deutschlands Volkswirtschaft "mit Wumms" aus der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte kommen.
Über die unbegrenzte Kreditzusage der Regierung sagte er im April: "Das ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun." Nun also, nach zuletzt etwas Auf und Ab: die Kanzlerkandidatur. (thp/hub/dpa)
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