Noch lange nach Spielschluss unterhielt sich Tom Rothe angeregt im Kabinengang des Borussia-Parks mit Philipp Sander.

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Mit Holstein Kiel hatten beide im Mai den größten Erfolg der Vereinsgeschichte gefeiert und den Klub erstmals in die Bundesliga geführt. Rothe war die Neuentdeckung überhaupt, an 14 Toren als Schütze oder Vorbereiter direkt beteiligt. Sander war Kapitän der Mannschaft und im Sommer zu Borussia Mönchengladbach gewechselt. Jetzt trafen sie sich im Trikot ihrer neuen Vereine. Rothe, mittlerweile beim 1. FC Union Berlin unter Vertrag, dürfte sich zwar über das Wiedersehen und das Jersey seines Kumpels gefreut haben, ansonsten war ihm aber nicht zum Lachen zumute.

Nach 45 Minuten hatte ihn Trainer Bo Svensson vom Feld geholt und dafür Leopold Querfeld eingewechselt. Der junge Österreicher rückte links in die Dreierkette, Diogo Leite übernahm Rothes Position auf der linken Außenbahn. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte Svensson in dieser Saison noch gar nicht gewechselt, schon gar nicht aus Leistungsgründen. "Besonders über links haben Zugriff und Aggressivität gefehlt. Wir hatten das Gefühl, da etwas ändern zu müssen", begründete der Däne die auf den ersten Blick ziemlich unpopuläre Entscheidung.

In der Tat war es aber besonders Rothes Abwehrseite, über die Gladbach nach einer Viertelstunde immer besser in die Partie fand. Besonders den flinken Nathan Ngoumou bekam die Defensive der Köpenicker nicht in den Griff. Die Chancen der Gastgeber häuften sich und Svensson hatte eigentlich keine andere Wahl mehr als personell zu reagieren. Im zweiten Durchgang stand die Abwehr bis zum entscheidenden Gegentor durch Tomas Cvancara (90.+6) sattelfest und auch Leite machte seine Sache auf ungewohnter Position defensiv zuverlässig.

Offensiv dagegen – und dieser Faktor darf als alleiniger Schienenspieler nicht vernachlässigt werden – hatte der Portugiese keine Aktionen. Rothe dagegen hatte zu Beginn wie schon in der Woche zuvor gegen die TSG Hoffenheim (2:1) gleich den Vorwärtsgang eingelegt und die beiden Chancen von Benedict Hollerbach (9., 11.) vorbereitet. Der 19-Jährige zeigte, dass er in dieser Hinsicht einer der besten Bundesliga-Spieler auf seiner Position werden kann. Weil aber eben auch die Arbeit gegen den Ball dazugehört, ist er noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung.

"Tom wird der zukünftige linke Außenverteidiger in der Nationalmannschaft sein. Er ist der beste 19-Jährige, den wir auf dieser Position haben", hatte Präsident Dirk Zingler über den Zugang von Borussia Dortmund jüngst gesagt und die Messlatte damit fast auf die maximale Höhe gelegt. Die Fans zeigen sich in den ersten Wochen nach seiner Ankunft begeistert von ihm, nicht nur wegen seiner Leistungen auf dem Platz, sondern auch aufgrund seiner ruhigen, bodenständigen Art, die er bislang in sämtlichen Auftritten an den Tag gelegt hat.

Ein wenig verwunderlich war es, dass Svensson in Mönchengladbach nicht positionsgetreu wechselte. Robert Skov hätte als Rothe-Alternative zur Verfügung gestanden, doch der Däne blieb zum dritten Mal in Folge 90 Minuten auf der Bank. Die Zeit, die er im Sommer als vereinsloser Profi ohne Mannschaftstraining verbracht hat, scheint nicht spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Möglicherweise benötigt der 28-Jährige auch noch die nächste Länderspielpause, um in Köpenick richtig Fuß zu fassen.

Vor dem für Union pflichtspielfreien Wochenende am 12./13. Oktober steht für den Tabellenneunten noch die Begegnung mit dem BVB auf dem Programm (Sonnabend, 15.30 Uhr). Rothes Ex-Kollegen sind also im Stadion An der Alten Försterei zu Gast, was ihn nach seinem Ausrutscher sicherlich noch ein Stück mehr als gewöhnlich motivieren dürfte. Für die Schwarz-Gelben absolvierte er vor zweieinhalb Jahren sein erstes Bundesliga-Spiel und erzielte beim 6:1 gegen den VfL Wolfsburg direkt auch seinen ersten Treffer. Das mit der Torgefahr hat er nicht erst in Berlin gelernt.

Apropos Torgefahr: Mit bislang nur vier erzielten Treffern stellt der 1. FC Union Berlin gemeinsam mit dem FC St. Pauli nicht nur die schwächste Offensive, sondern mit drei Gegentoren auch die zweitbeste Defensive unter den 18 Klubs. Einen torärmeren Saisonstart erlebte in der Bundesliga zuletzt Eintracht Frankfurt vor sieben Jahren. Die Hessen standen damals nach fünf Spieltagen bei 3:3 Toren.

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Bevor es am Wochenende in den sechsten Spieltag geht, findet am Donnerstag (13 Uhr) im Stadion die Mitgliederversammlung statt. Ein Schwerpunkt dürfte hier neben den Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres sicherlich die Erfolgsgeschichte der Frauen sein, die sich am Wochenende durch einen 3:0-Erfolg gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern an die Spitze der 2. Bundesliga gesetzt haben.  © Berliner Zeitung

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